VP 2015 02 - page 21

GESCHICHTE
PUSTERTALER VOLLTREFFER
FEBER/MÄRZ 2015
21
beharrlich fanden. Sehr hilf-
reich war auch die Recherche
im Archiv der Rechtsanwalts-
kammer.“
Was bewirkten die Juden in
Südtirol?
Innerhofer:
„Juden waren
vor allem maßgeblich am Auf-
bau der Infrastruktur in Südtirol
beteiligt. Sie haben Eisenbah-
nen gebaut, die Vinschgauer
Bahn projektiert, Sümpfe ent-
lang des Etschtales trocken ge-
legt, die Mendelbahn, die
Drahtseilbahn auf den Virgl
oder auch die Zugverbindung
Mori-Arco-Riva gebaut. Die
Brüder Abraham, Ernst, Wil-
helm, Moritz und Jakob
Schwarz waren beispielsweise
Nachkommen des Kaufmanns
Josef Abraham Levi aus
Hohenems, der 1813 den Fami-
liennamen Schwarz angenom-
men hatte und gemeinsam mit
seinem Schwager Josef Jakob
Levi mit Schweizer Textilwaren
handelte. Josef Jakob Levi
nannte sich ab 1813 Sulzer und
war der Vater des berühmten
Perez Smolenskin in Meran, der
heute in Israel als jüdischer Na-
tionaldichter gefeiert wird.
Smolenskin verstarb am 1.
Feber 1885 in Meran und wurde
dort begraben. Nach der Grün-
dung des Staates Israel wurde
seine Leiche exhumiert, nach Is-
rael überführt und dort in einem
enthaltes behandelten. Wir fan-
den in seinen Briefen eine inter-
essante Stellungnahme Kafkas
zum Hass auf jüdische Kommu-
nisten und Sozialisten, den er
sich im Frühjahr 1920 in der
Meraner Ottoburg beim ge-
meinsamen Essen allabendlich
anhören musste. Zum stark aus-
geprägten christlichen Antise-
mitismus kam in Südtirol da-
mals noch der Unmut über die
Abtrennung von Österreich
dazu, den so manche Antisemi-
ten einem angeblichen Einfluss
jüdischer Politiker zuschrieben.
Der jüdischen Gemeinde ist die
zunehmende Feindseligkeit na-
türlich nicht entgangen. Als die
Gemeinde Obermais 1920 be-
schloss, jüdischen Antragstel-
lern das Heimatrecht zu verwei-
gern, bemerkte das Vorstands-
mitglied Kurarzt Julius Stein,
dass es in Tirol offensichtlich
nur dann solidarische Anteil-
nahme am Schicksal unter-
drückter Minderheiten gibt,
wenn Tiroler davon betroffen
sind. In der über die Landes-
grenzen hinaus bekannten Zahn-
arztpraxis, die Eduard Singer
1904 in Meran gegründet hatte,
wurden später Berühmtheiten
wie Pier Paolo Pasolini, Renato
tirol hatten. Wir haben auch
versucht mit den Familien per-
sönlichen Kontakt aufzuneh-
men. Es gab jüdische Familien
in den USA und in Großbritan-
nien, die auf unsere Anfragen
nicht oder nur zögerlich rea-
giert haben, die aufgrund ihrer
Erfahrungen keine Lust mehr
hatten, sich mit Südtirol aus-
einandersetzen zu müssen. An-
dere Angehörige ehemaliger
Meraner Juden haben unsere
Nachforschungen über das
Schicksal ihrer vertriebenen
und beraubten Familien tat-
kräftig unterstützt. Besonders
in Israel und in Wien war man
in den Archiven sehr hilfsbereit.
In Südtirol gab es vereinzelt ein
Schmunzeln jener, die unser In-
teresse vielleicht eine Spur zu
Wiener Kantors Salomon Sul-
zer. Die Brüder Schwarz grün-
deten 1854 den Bierbrauereibe-
trieb in Vilpian, pachteten das
Bräuhaus von Amalia Carli im
ehemaligen Kloster der Zöle-
stinerinnen in Gries nahe der
Talferbrücke, das Joseph II
1782 hatte schließen lassen,
und waren an der Bierbrauerei
in Blumau beteiligt. Die
Dampfbrauerei in Vilpian ver-
fügte über ein eigenes Elektri-
zitätswerk, die erste private Te-
lefonleitung Tirols, einen Gast-
betrieb am Meraner Pfarrplatz
und besaß eine Schenke in Al-
gund. Ohne Juden wäre Meran
auch nicht die international be-
rühmte Kurstadt geworden, die
sich nach dem Ersten Weltkrieg
hinaus behaupten konnte. Um
1900 war ungefähr ein Drittel
der Ärzte in Meran Juden. Die
jüdischen Ärzte waren unter-
nehmungslustig, gründeten Sa-
natorien und entwickelten neue
Heilungsmethoden.
Juden
waren von Anfang an von gro-
ßer Bedeutung, wenn es darum
ging, Meran in der Welt be-
kannt zu machen.“
Welche bekannten Personen
ließen sich unter anderen von
jüdischen Ärzten in Südtirol
behandeln?
Mayr:
„Franz Kafka ist wohl
einer der bekanntesten Juden,
die in Meran eine Zeitlang ge-
kurt haben. Aber es war auch
Staatsbegräbnis erneut feierlich
bestattet. Auch der erste Präsi-
dent Israels, Chaim Weizmann,
kam öfters nach Meran. Artur
Schnitzler, Siegmund Freud
oder Stefan Zweig waren
ebenso in Meran. Josef Kohn
war einer der Ärzte, die Franz
Kafka während des Meran-Auf-
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armherzig beraubt
Langers in Kalch.
Alfonso und Aziade beim
Schlittschuhlaufen in Meran.
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