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Der Bürgermeister

inneren Auge, wo die Prominenz von Leisach, der Kanzler, der Bürgermeister, sein Vorgänger

und sein Nachfolger in der Hütte saßen, aßen, rauchten und Rotwein tranken …

Dann der unvergessene Tag, als ich den ersten und letzten weißen Kindersarg in Leisach sah,

mit eurer Schwester Margit, von der Gasser Moidl getragen. Es herrschte eine bedrückende

Stille unter den Begräbnisteilnehmern, eine Stecknadel hätte man fallen hören, und die Trau-

rigkeit hat sich wie Nebelschwaden nach einem Sommergewitter am Friedhof ausgebreitet.

Dann wurden wir reifer und man lernte sich anders kennen und übte und erfuhr Distanz.

Plötzlich gab es Regeln, Umgangsformen und Instanzen.

Die Unterstützung der Jugend vonseiten der Gemeinde unter Siegmund Senfter, die sich in

zahlreichen Vereinen, den Ministranten, den Jungschützen, der Union, der Musik – zusammen-

fand, setzte sich dadurch fort, dass man uns Junge einfach tun ließ. Die ohne Auflagen und Auf-

sicht sich formierende Jugend organisierte Faschingsfeiern und sonstige Veranstaltungen im

Untergeschoss der Volksschule. Etwas später – die Gemeinschaftswaschküche hatte aufgrund

des Wohlstands und der errungenen Erleichterung der Haushaltsarbeit ihre Notwendigkeit

verloren – gipfelte das Verständnis für uns junge Leisacher in der Bereitschaft der Gemeinde,

eben diese Waschkuchl der Jugend zu überlassen. Einmal fehlten Siegmund zwar kurz die

Worte – und das war nicht oft der Fall – als er sah, wie die eine und die andere Blockholzwand

im Mesnerhaus für die Adaptierung zum zweiten Waschkuchllokal fiel, da war es auch uns nicht

mehr gleich, aber letztendlich waren mit der selbst renovierten Waschkuchl alle zufrieden. Seine

Art, die Dinge zu entscheiden, und damit vieles, was neu war, zu ermöglichen, entsprang einer-

seits seinem Naturell und andererseits ohne Zweifel seiner Herkunft. Nie und nimmer kann ich

mir jemand anderen vorstellen, der zuerst im eigenen Feld und dann am Gemeindefeld

sozusagen, dem Sportplatz, so unbürokratisch und hilfsbereit alles, was möglich war, erlaubte

und zur Verfügung stellte. Gut, schließlich waren dadurch auch die fünf männlichen Mitglieder

seiner Familie beschäftigt und hatten wenigstens keine Zeit, Dummheiten zu machen.

Als Siegmund vierzig Jahre alt und im Dorfleben nicht nur voll integriert war, sondern es auch

aktiv mitgestaltete, verstarb sein Vater Peter. Damals gab es bereits die Intention, die Bundes-

straße an der Stelle des Gasslerhofes zu verbreitern, wo ja bereits in den 1930er-Jahren aus

ähnlichem Grund das der Familie Dapra gehörende Anwesen Miller hatte weichen müssen.

Dort hatten meine Großeltern gelebt, woher auch die enge, lebenslange Freundschaft meines

Vaters mit Siegmund herrührte. Als junger Bauer musste er die Entscheidung tragen, das alte

Haus ganz der Straße zu „opfern“. In vielerlei Hinsicht waren die 1970er-Jahre entscheidend:

Überlebensnotwendig – er hat dies auch immer wieder betont – war die Verlegung der Hof-

stelle und damit einhergehend die Errichtung einer Fremdenpension, als einzige Option zum

Zwecke der Erhaltung der Bauernschaft. Beim Bau des Stallgebäudes zog er sich die

lebenslang sichtbare Beeinträchtigung seines Bewegungsapparates zu.

Nach der Berufung meines Vaters in die Landesregierung im Jahr 1975 bekleidete Siegmund

Senfter das Amt des Bürgermeisters von Leisach und übte es über 22 Jahre lang aus. Diese,

Siegmunds Generation, erkannte die Notwendigkeit, dass nur aus der Gemeinschaft hervorge-

hende und von ihr getragene Investitionen und Entscheidungen sinnhaft und zukunftsträchtig für

das Gemeinwohl sind. Siegmund war nicht nur helfende Hand beim Bau der Volksschule, beim

Bau des Schwimmbads, des Schlepplifts, der Friedhofserweiterung und der Kirchenrenovierung,

der Wasserver- und der Abwasserentsorgung sowie einer geordneten Müllabfuhr, er befür-

wortete und unterstützte den Bau des neuen Feuerwehrhauses zum 100-Jahr-Jubiläum sowie der

Rodelbahn am Fuße des Rauchkofels. Früh schon erkannte er die Vorteile der gemeindeüber-

greifenden Zurverfügungstellung von Personal für die Waldpflege, so war er vier Jahrzehnte

Obmann des Waldwirtschaftsvereins und Gründungsmitglied des Maschinenrings Osttirol.

Dann gab es auch noch den Musikanten Siegmund. Nicht viele Jahre waren nach der Grün-

dung 1936 der Hauger Musikkapelle ins Land gezogen und schon war er mit seiner Klarinette

dabei. Aktiv und als Funktionär war er bis 1996 Obmannstellvertreter des Musikbezirks

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