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Lieber Tatte!
Menschen deiner Generation
hatten wahrlich schwere Zeiten
zu überstehen. Kleinbäuerliche
Strukturen mit anstrengender
körperlicher Arbeit, Kriegs- und
Nachkriegsjahre, die auch an dir
nicht spurlos vorübergegangen
sind.
Eines meiner Lieblingsbilder von
dir ist das des Jägers mit großem
Weitblick, das jetzt auch dein
Trauerbild ziert.
Dieser Blick in die — für mich Zukunft und
über Grenzen hinaus — zieht sich wie ein
roter Faden durch dein Leben.
Ein Blick in die Zukunft fiel bei einem Platz-
konzert in Lienz auf deine Rosa, der Eintrag
in deinem Taschenkalender zu diesem Tag
lautete: „Das ist sie!“ Neun Monate später
wurde geheiratet und in den nächsten sieben
Jahren kamen die ersten sechs Kinder, bei
einem Bauern kein Problem.
Das Zusammenleben als Großfamilie mit dei-
nen Eltern und teilweise auch noch den Ge-
schwistern gestaltete sich nicht immer leicht.
Vielleicht hat dir das später auch als Bürger-
meister in der Gemeinde geholfen: Verschie-
dene Standpunkte anhören und respektieren
und besonnen auf die Bedürfnisse aller zu
schauen.
Auch viele Verluste prägten dein Leben:
1971 starb, erst 14 Tage alt, unsere Schwes-
ter Margit. Bald darauf musste unser Bauern-
hof der Straßenverbreiterung weichen. Die
Entscheidung, wie es weitergehen soll, hat
dir sicherlich viele schlaflose Nächte bereitet
... bis der Entschluss zum Bau einer Früh-
stückspension reifte.
Wirklich visionär war dein Plan, sogenannte
Komfortzimmer und Ferienwohnungen zu
bauen.
1973 bezogen wir das neue Haus und im
Winter kamen schon die ersten Gäste, die
dem Gasslerhof bis heute treu geblieben sind.
Noch während der Bauphase für den neuen
Stall hattest du einen schweren Unfall. Der
Sturz in den Silo bescherte dir ein steifes
Knie, das dir ein Leben lang Beschwerden
bereitet hat. Mit viel Willenskraft gelang es
dir aber, deinen vielen Verpflichtungen auf
dem Hof und in allen deinen
Ämtern nachzukommen. Auch
die Jagerei kam nicht zu kurz.
Mittlerweile war die Kinderschar
noch angewachsen und 1975
kam als letzter Stefan zur Welt.
Zu dieser Zeit gerade Bürger-
meister geworden, sah dein
Tagesablauf in etwa so aus: Auf-
stehen zwischen fünf und halb
sechs, Stall gehen, frühstücken,
duschen und umziehen, in die
Gemeinde, heim zum Mittagessen, umziehen
und aufs Feld, duschen und umziehen für
eine Besprechung, heim in den Stall, danach
wieder duschen und dann Musikprobe, Sing-
probe, Sitzung oder Jagan gehen oder den
Urlaubsgästen zeigen, wie lange man durch-
halten kann.
Immer schon gerne hast du dich mit Holz be-
schäftigt. Das fing klein beim Krippenbau mit
alten Wurzeln an und fand seinen Höhepunkt
im Bau von Möbeln für uns Kinder, in der
Ausgestaltung deiner wohnlichen Stube und
in der Anfertigung von wunderschönen Holz-
balkonen. Wenn man etwas von dir brauchte
— du warst zur Stelle!
Für Jung und Alt hattest du immer ein offenes
Ohr und scheinbar Unmögliches wurde mög-
lich gemacht. Den meisten unserer Ideen stan-
dest du wohlwollend gegenüber und so
entstand die Waschkuchl als Jugendtreff oder
der erste Eishockeyplatz hinterm Haus. Du
warst bekannt für deine Gastfreundschaft und
Geselligkeit und zusammen mit Mame und
uns wurde die viele Arbeit bewältigt.
In einer Zeit, wo sogenannte höhere Bildung
für Mädchen am Land nicht selbstverständlich
war, ermutigtest du uns eine höhere Schule
zu besuchen, wofür ich dir heute noch unend-
lich dankbar bin.
Einem alten Spruch zu Folge sollte ein Mann
in seinem Leben einen Baum pflanzen, ein
Haus bauen und einen Sohn zeugen. Nun:
Bäume und Söhne hattest du genug, mit Mitte
60 begannst du noch einmal ein Haus zu
bauen und übergabst den Gasslerhof an
Hannes und seine Familie.
Das Loslassen war für dich nicht einfach, wurde
aber dadurch erleichtert, dass du noch viele
Jahre tagtäglich im Stall mitarbeiten konntest.
Im GeDenKen An SIeGmunD SenFter