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Das Leben des Gerhard Josef
Mair hat mit seiner Hausgeburt
am 5. Juni 1939 in Leisach 57
begonnen. Er brachte – wenige
Monate vor Ausbruch des Zwei-
ten Weltkriegs – wohl noch ein-
mal ein kurzes Glück in den
Alltag seiner Eltern Katharina und
Josef Mair, und man kann sich
gut vorstellen, dass sich seine
drei Schwestern Marga, Fini und
Maridl – 15, 10 und 5 Jahre
älter als er – um den kleinen „Bubi“, wie er
gerufen wurde, gerissen haben. Die Zeiten
waren naturgemäß hart und seine Erziehung
äußerst streng und autoritär. Das tägliche Kir-
chengehen hat er in Erzählungen immer als
willkommene Auszeit beschrieben, die ihm
bescheidene kleine Freiheiten ermöglicht
hatte, auch wenn diese ihm manchmal zu-
hause Schelte und die damals üblichen erzie-
herischen Konsequenzen eingebracht hatten.
Nach den Schuljahren in Leisach wurde der
elfjährige, einzig männliche Sprössling nach
Kärnten auf das Gymnasium in Lieserbrücke
geschickt, wo er sechs Jahre ausharrte, bevor
er endlich wieder heim durfte. Pfarrer hätte er
nach der Vorstellung seiner Mutter werden sol-
len und auch ihn selbst begleitete diese nicht
realisierte Option ein Leben lang. In Lienz trat
er dann im Mai 1956 die Schlos-
serlehre bei Hermann Pedit an.
Mit dem Winter 1957 kam für
den achtzehnjährigen Gerhard
eine aufregende Zeit, in der er
fern vom Elternhaus ein verhältnis-
mäßig selbstbestimmtes und unbe-
schwertes Leben genoss. Er folgte
einem damaligen Freund und Kol-
legen nach Vorarlberg, wo er in
der Kunstschlosserei Franz Steurer
in Bezau seine Lehre beendete
und als Geselle sein künstlerisches Talent ein-
brachte. Außerdem durchlief er in diesen
Monaten eine harte Sprachschule und musste
sich nicht selten über die Bedeutung alemanni-
scher Ausdrücke den Kopf zerbrechen. So
manche Anekdote von damals hat später bei
geselligen familiären Zusammenkünften ihren
fixen Platz eingenommen.
In Vorarlberg hörte dann auch sein latentes
Liebäugeln mit dem Priesterberuf schlagartig
auf, nachdem er dort eine hübsche, tempera-
mentvolle und selbstbewusste Schmelle aus
dem Bregenzerwald gesichtet und nicht mehr
aus seinen Gedanken gebracht hatte. Die
Mätzler Annelies war laut seinen und auch
ihren Erzählungen ganz und gar nicht leicht
zu erobern und es bedurfte schon einiger An-
strengungen, bis ihr Liebesglück erreicht war.
eIn rücKBLIcK AuF DAS LeBen vOn GerhArD mAIr
Und überhaupt: Ein Bauer kennt keinen
Müßiggang und geht schon gar nicht
spazieren, weshalb du mit dem Auto
Richtung Drau gefahren bist, um dort mit
Mame unbeobachtet eine Runde zu drehen.
Dein steifes Knie hat dich auch nie daran
gehindert, auf steilen Hängen einem Gams
nachzujagen und die Jagd und das
Zusammensein mit deinen Jagdkollegen hast
du bis zuletzt genossen.
In deiner sogenannten „Pension“ hattest du
auch endlich einmal mehr Zeit für deine vie-
len Enkelkinder, die dich sehr verehrt haben.
Deine ältesten Enkelinnen haben dich ja be-
reits zu einem vierfachen Uropa gemacht —
auch nicht selbstverständlich und dem Um-
stand geschuldet, dass ich als Älteste dich
relativ früh und etwas gegen den damaligen
Zeitgeist in Tirol Anfang der 80er-Jahre, zum
Großvater gemacht habe.
Du warst ein begnadeter Helfer beim Baum-
haus- und Lagerbau, hast Dachschindel fürs
Puppenhaus geschnitzt oder ein Rechenspiel
gebastelt. Für alle Fälle hattest du immer
einen Schmäh parat, Eiszuckerln im Hosen-
sack und für die älteren Enkelinnen gabs
auch schon einmal ein Schnapsl.
Die Gasslerenkelkinder haben sich bei einem
deiner Geburtstage einmal so bedankt:
Lieber Opa danke sehr für unsa Loga — es
freut uns sehr. Und für die ganze Mühe,
schenken wir dir jetzt zwei Kühe! Die waren
zwar aus Plüsch — aber immerhin.
Du und Mame haben uns — und vor allem
uns „Auswärtigen“ in einzigartiger Weise
spüren lassen, wie sich „Dahoam“ anfühlt.
Wir hatten immer ein offenes Haus und alle
unsere Freunde, Partner und Ehepartner
waren ohne Vorbehalte willkommen.
Danke für alles und Ruhe in Frieden!
Helene Lexer, geb. Senfter
August 2018