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Dezember 2015

‘s Blatt‘l

Seite 29

Chronik

David Holzer - ein Zeitzeuge lebt nicht mehr

Rotarmisten nachahmte.

Nach seiner Heimkehr stürzte sich

David Holzer in die Arbeit auf dem el-

terlichen Bauernhof und in der Forst-

wirtschaft. Mit seiner Frau Thekla

zog er zehn Kinder groß. Viele Som-

mer lang bewirtschaftete er seine ge-

liebte Alm.

Die Erlebnisse in der Gestapo-Haft,

in Börgermoor und in den Fängen

der Wehrmachtsjustiz blieben un-

aussprechbar, ließen ihn jedoch nie

los:

„Man sinniert da manchmal

so leer..., weil man es einfach in

einem drinnen hat, das lässt sich

nicht wegstecken,“

erklärte er uns.

1981 sah er sich verpflichtet, sich öf-

fentlich zu äußern. In einem Nachruf

auf seinen Nachbarn Florian Pedar-

nig im „Osttiroler Boten“ schilderte

er die Geschichte der Desertion

und bedankte sich bei ihm für seine

schützende Hand: Als Ortsbauern-

führer hatte sich Pedarnig für die

Aufhebung der Todesstrafe gegen

David eingesetzt und die Verhaftung

der Eltern verhindert.

Uns bleibt nicht Vergleichbares aber

Ähnliches zu tun: Wir danken David

Holzer für sein Vertrauen, für seine

Bereitschaft und die Kraft, die Bür-

de des persönlichen Erinnerns auf

sich zu nehmen, um die gesellschaft-

lichen Blockaden des Erinnerns zu

überwinden und Gerechtigkeit für

die Wehrmachtsdeserteure zu errei-

chen – was nichts anderes heißt, als

ein Stück weit dem Anspruch einer

demokratischen Republik und einer

humanen Gesellschaft gerecht zu

werden, für die David, Alois Holzer

und Franz Stolzlechner ihr Leben

eingesetzt haben.

Peter Pirker und Hannes Metzler

für das Personenkomitee Gerechtigkeit

für die Opfer der NS-Militärjustiz

Schon in jun-

gen Jahren ver-

brachte David

viel Zeit auf der

geliebten Alm.

Das karge Le-

ben dort oben

hat ihn stark ge-

macht und viel-

leicht ein Stück

weit auch dafür

gerüstet, eine

unbeschreibli-

che Odyssee im

Krieg zu überle-

ben. Nach dem

Krieg fand er

wieder im Almle-

ben seine Erfül-

lung.

Das Interview mit David Holzer und

ein längerer Text, publiziert im Ost-

tiroler Boten im Jahr 2002, findet

sich auf:

http://www.aegide.at/

de/69/Videos/

Buchtipp zum Thema:

Wie kann man die Ungeheu-

erlichkeit eines Weltkrieges be-

greifen? Welches menschliche

Leid hat er verursacht und wie viel

Mut und Zuversicht brauchte es, um

mit den widrigen Umständen fertig zu

werden?

Anhand von 44 Einzelschick-

salen erzählen Michael Forcher

und Bernhard Mertelseder, wie

Menschen aus Tirol und dem

Trentino die Kriegsjahre 1914

bis 1918 und die Zeit danach

erlebten. Ihre Geschichten und

Erinnerungen geben erschüt-

ternde, aber auch menschlich

berührende Einblicke in jene

Katastrophenjahre.

Zwei Beiträge betreffen un-

sere Gemeinde:

Schilderung aus dem Tage-

buch des Peter Paul Grein-

hofer (vlg. Kasperer) Anfang

Mai 1915 in Galizien. Es sind

wohl die schlimmsten Tage, die ein

Mensch je erleben kann. Diese Ta-

gebuch ist deshalb so wichtig für

die Nachwelt, weil es keine

nachträgliche Erinnerung ist,

sondern eine Dokumentation

direkt an der Front.

Der zweite Beitrag stammt aus den

Lebenserinnerungen des Ignaz In-

gruber, Gruberbauer, Gemein-

devorsteher und Bauernbund-

sekretär. Den Kriegsausbruch

Ende Juli 1914 erlebte er auf

dem Weg von Innsbruck nach

Lienz. Am 31. Juli fand er in

St. Lorenzen bei Bruneck sei-

ne Söhne Josef und Paul ab-

marschbereit. „Anfangs Sep-

tember erhielt ich schon zwei

Feldpostkarten mit der Mittei-

lung, dass mein lieber Sohn

Paul auf dem Schlachtfelde bei

Uhnów in Galizien an den Fol-

gen eines Halsschusses verblu-

tet sei, während der Seppl aus

einem Wiener Spitale schrieb,

dass er verwundet dort liege.“

Gesichter der Geschichte

Schicksale aus Tirol 1914 - 1918

(beim Haymon-Verlag beim Buchhandel)

Drei Brüder der Familie Ingruber vlg. Gruber in Schlaiten

Opfer im 1. Weltkrieg

Hubert Ingruber

, geb. am 16.05.1894 - gefallen am

04.09.1918 an der Südwestfront in Caldonazzo;

Matthias Ingruber

, geb. am 20.01.1893 – gestorben am

14.04.1919 in ital. Gefangenschaft zu Mira bei Venedig;

Paul Ingruber

, geb. am 19.05.1888 – gefallen am

28.08.1914 in Uhnow in Galizien