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Dezember 2015

‘s Blatt‘l

Seite 33

Bei einem Gefecht wurde ich ver-

wundet. Ich wollte mich auf einem

Bauernhof verstecken. Die Rote Ar-

mee findet mich und hält mich für ei-

nen SS-Mann. Ich wurde verprügelt.

Doch das Soldbuch weist mich

als Angehörigen eines Strafbatail-

lons aus und ich erkläre, dass ich

Deserteur und Nazi-Gegner bin.

Dann werde ich von der Roten Armee

gut aufgenommen. Ende April erlebe

ich gemeinsam mit den sowjetischen

Soldaten das Kriegsende. Wir sind

im Stroh gelegen in der Nacht, in der

Früh dann Geschrei: Davide! Mich

haben sie immer Davide genannt.

„Wojna kaputt, Hitler Kaputt, Goeb-

bels kaputt, Ribbentrop kaputt, ne-

mecka kapitulira!“

Die haben auch alle irgendwie eine

Freude gehabt, es haben alle die

Schnauze voll gehabt vom Krieg.

Ich bin noch eine Zeitlang bei der

Einheit geblieben, bis ich mich stark

genug fühlte, den Heimweg nach

Osttirol anzutreten. Ich breche mit

sowjetischen Entlassungspapieren

auf. An der tschechischen Grenze

werde ich festgenommen und zur

Zwangsarbeit verpflichtet.

Zu Weihnachten 1945 gelingt mir

die Flucht und im Jänner 1946 bin ich

endlich heim gekommen.

Seinen Bruder Alois trifft David

nicht wieder, er ist im Bewährungs-

bataillon im März 1945 bei Brünn ge-

fallen.

Franz Stolzlechner wurde Ende

Februar in das Wehrmachtsunter-

suchungsgefängnis Wien-Favoriten

überstellt und am 4. März 1944 von

einem Militärgericht zum Tode we-

gen Desertion und Mordversuch

an einem Gendarmen verurteilt. Er

starb am 8. Juli 1944 im Kugelhagel

eines Erschießungskommandos der

Wehrmacht am Militärschießplatz

Wien-Kagran und wurde am Wiener

Zentralfriedhof bestattet. Auf dem

Grabstein im Nothelfergang der Pfar-

re Schlaiten findet sich kein Hinweis

auf die Umstände seines Todes.

Anton Stolzlechner, Schlaitner

Wirt, der seinen Sohn Franz und die

Brüder Alois und David Holzer mit

Lebensmitteln versorgte, tauchte bis

Kriegsende unter, um dem Zugriff der

Gestapo zu entgehen. Die restliche

Familie wurde vom Hof vertrieben,

bzw. in das Kriegsgefangenenlager

nach Wolfsberg interniert.

Der von David Holzer bezeich-

nete Jäger war Vinzenz Tabernig

vlg. Zischger (geb. am 24.08.1900

- gest. am 22.09.1993). Auch er ver-

sorgte die Deserteure mit Lebens-

mittel. Als Verständigung zwischen

ihnen diente eine Klingel. Nur er

wusste die Stelle, an der die Klingel

zu betätigen war - an der Heuriese

auf der anderen Bachseite. Im Ver-

zeichnis der von der Gendarmerie

Ainet im Bunker beschlagnahmten

Lebensmittel und Gegenstände sind

an die sechzig Positionen aufgeli-

stet. Neben zahlreichen Lebensmit-

teln finden sich darauf auch Kabel,

Schellen, Weckeruhr, Schwedenrei-

terdraht, Autobirnen, etc. Genügend

Materialien also, um für die Absiche-

rung und Verständigung zu sorgen.

Der Bunker war in zwei Räume un-

terteilt. Im ersten empfing den Jäger

immer ein bewaffneter Vorposten.

Nach seiner Heimkehr hat David

mit seinen Eltern nie ein Wort über

die Kriegsvergangenheit geredet –

um das jeweilige Leid nicht zu ver-

größern. Die Eltern, David und Stefa-

nie Holzer, beide damals fast sechzig

Jahre alt, wurden im Juni 1944 vom

Landgericht Klagenfurt wegen Unter-

stützung ihrer Söhne zu zehn bzw.

sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

In dem Verfahren hatten auch David

und Alois ausgesagt, und stritten jeg-

liche Unterstützung durch die Eltern

ab.

Von verschiedenen Personen und

Institutionen wie z.B. den Ortsbau-

ernführern von Schlaiten und Glanz,

Florian Pedarnig und Josef Egartner,

dem Forstamt in Lienz usw. wurde

die Unabkömmlichkeit der Eheleute

Holzer bestätigt. Sie mussten den

Hof glücklicherweise nie verlassen.

Chronik

„Da machen wir nicht mehr mit...“ - Erinnerungen eines Deserteurs

Verwundung und Kriegsende

Heimkehr

Ergänzende Bemerkungen

Auf einem Heimaturlaub aus der Wehrmacht zu desertieren, das bedeutete, sich

vergraben zu müssen, sich unsichtbar zu machen und als soziales Wesen zu ver-

schwinden. Tausende von der Militärjustiz verurteilte Männer wurden exekutiert. So

auch Franz Stolzlechner. Am Grabstein verzichtet man auf einen Hinweis auf die

Umstände seines Todes.