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Dezember 2015

‘s Blatt‘l

Seite 31

hat, ist mir unbekannt. Jedenfalls

war die Projektierung des Vorhabens

abgeschlossen, aber von einem

Baubeginn wurde gar nicht mehr ge-

sprochen. Bei der Besichtigung im

Kraßgraben für das geplante E-Werk

standen die zwei Herren auf unserer

getarnten Behausung.

Und dann kommt der 11. Jänner

1944. Franz Stolzlechner wird von

einem Gendarmen gestellt, als er

vom Haus seines Vaters mit frischer

Verpflegung in den Bunker zurück-

kehren will. Der Gendarm schießt ihn

an. Zwanzig Jahre nach dem Krieg

habe ich erfahren, dass da Verrat im

Spiel war, dass es nicht zufällig war.

Rundherum hat man schon Kenntnis

von uns gehabt. Als der Gendarm

den Rucksack durchsucht, findet er

den Namen Alois Holzer an der In-

nenseite eingeschrieben. Das Rät-

sel um die verschwundenen Holzer-

Söhne ist für die Gendarmerie damit

gelöst.

Am nächsten Tag steht die Ge-

stapo bereits bei uns zuhause. „Wo

habt ihr eure Buben?“ Mein Vater

hat gesagt, er wisse nichts. Die Ge-

stapo erwiderte: „Wir wissen schon,

wo sie sind, die sind da oben in einer

Höhle!“. Die Beamten zwingen den

Vater, sich an der Suche nach dem

Versteck zu beteiligen, die aber er-

gebnislos abgebrochen wird. Da ha-

ben sie zu meinem Vater gesagt: „Du

bringst uns die Buben, sonst fahren

wir mit euch ab!“

Am folgenden Tag hat uns der Va-

ter im Kraßgraben aufgesucht und

uns gebeten, dass wir uns stellen.

Über die dramatischen Ereignisse

wurden wir bereits von dem Jäger

informiert.

Für den Vater war es hart, er mus-

ste uns praktisch freigeben. Wir ha-

ben das sofort eingesehen. Wir ha-

ben noch alle Gegenstände aus dem

Bunker geräumt, die eine Unterstüt-

zung durch die Eltern beweisen hät-

ten können. Dann gingen wir hinunter

auf den Hof. Dort haben wir uns mit

der Familie für die zu erwartenden

Verhöre abgesprochen. Gegangen

ist es ja darum, dass man den Eltern

nicht beweisen konnte, dass sie uns

zur Fahnenflucht verholfen haben,

oder dass sie uns sonst irgendwie

behilflich waren.

Dann stellten wir uns gemeinsam

mit dem Vater der Gendarmerie in

Ainet.

Ich bin damals von zu Hause

weggegangen und habe genau ge-

wusst, dass ich nicht mehr komme,

das habe ich genau gewusst. Am

nächsten Tag werden Alois und ich

nach Lienz gebracht und den Nazi-

Behörden übergeben. Ich habe kei-

ne Chance gehabt zum Weiterleben.

Ich habe auf der Welt keine Aussicht

mehr gehabt, außer dem Bruder ir-

gendwie noch einmal behilflich zu

sein, dass er davon kommt. Ich habe

gesagt, der Bruder wäre eingerückt,

wenn er nicht mein Vorbild gehabt

hätte. Da haben sie mir zur Fahnen-

flucht noch Zersetzung der Wehrkraft

vorgeworfen. Ich habe mich damit

abgefunden, ich stelle mein Leben

zur Verfügung, wenn der Bruder und

die Eltern davon kommen.

Die nächste Station: Gestapo-Haft

in Klagenfurt. Mehrmals werden wir

einvernommen. Bei der Hauptver-

handlung vor dem Divisionsgericht

werden wir von einem Verteidiger

vertreten. Er überbringt uns auch die

Urteile. Sie lauten: Für Alois sieben

Jahre Zuchthaus mit Frontbewäh-

rung und die Todesstrafe für mich.

In den folgenden zwei Monaten saß

ich als Todeskandidat in der Gefäng-

niszelle. In die Früh haben draußen

am Gang die Schlüssel geklappert.

Du hast nie gewusst, ob sie nicht dei-

ne Türe aufsperren. Das waren harte

Zeiten. Aber ich habe sie gemeistert.

Anfang Mai 1944 holt mich dann

ein Justizbeamter aus der Zelle und

führt mich hinauf in die Schreibstube.

Dort hat er mir die Begnadigung vor-

gelesen: „Wegen Ihrer Führung beim

Militär und auch in Zivil kann von der

Todesstrafe abgesehen werden.“ Die

Strafe wurde in 22 Jahre Zuchthaus

mit Frontbewährung umgewandelt.

Bis Ende Juli sitzen Alois und ich

im Gefängnis in Klagenfurt. Wieder-

holt werde ich Zeuge von Folter und

Misshandlungen. Im zweiten Stock

war die Gestapo, da war auch das

Verhörzimmer. Man hat Schreie ge-

hört von Gefangenen, von denen

sie Geständnisse herauszwingen

wollten. Die haben geschrien und

selbst ist man dann in so eine Verfas-

sung gekommen, da hätte ich alles

niedergeschossen rundherum, wenn

die Gelegenheit gewesen wäre, so

ein Widerstandswillen ist in einem

heraufgewachsen.

Anfang August werden Alois und ich

in Ketten gelegt und mit dem Zug nach

Wien transportiert. In Wien sehen wir

einen Judentransport. Die haben die

Juden so miserabel behandelt, das

war so scheußlich, das hat man nicht

ausgehalten. Nach einem elftägigen

Transport über Prag erreicht der Häft-

lingstransport seinen Zielbahnhof an

der Grenze zwischen Deutschland

und den Niederlanden. Börgermoor im

Emsland – dort haben die Nationalsozi-

alisten schon im Jahre 1933 begonnen,

ein ganzes Lagersystem einzurichten.

Chronik

„Da machen wir nicht mehr mit...“ Erinnerungen eines Deserteurs

Verrat?

Die Fahndung läuft

Abschied

Aufgabe

Haft und Urteil

Überstellung

Alois Holzer

geb. 29. Jänner 1919

gest. im März 1945

Sein Bruder David nahm für die Deser-

tion die Schuld auf sich. Alois erhielt

sechs Jahre Zuchthaus mit Frontbe-

währung. Das Bewährungsbataillon war

ein Himmelfahrtskommando mit äußerst

hohen Verlusten. Alois Holzer starb im

März 1945 bei Brünn.