Seite 30
‘s Blatt‘l
Dezember 2015
Chronik
„Da machen wir nicht mehr mit“ - Erinnerungen eines Deserteurs
Dr. Peter Pirker und Hannes Metzler haben vor über 10 Jahren mit David Holzer ein ausführliches Gespräch
über die Kriegsjahre und die Ereignisse rund um die Desertion geführt. Die beiden Autoren planten eine Ra-
diosendung über Wehrmachtsdeserteure und fragten David Holzer ob sie das Interview aufnehmen dürfen.
Nach längerem Zögern stimmte der David der Aufnahme zu. Das Interview wurde darauf auszugweise in den
Osttiroler Heimatblättern Nummer 6/2003 unter dem Titel „Da machen wir nicht mehr mit…“ veröffentlicht.
Nachstehend zusammengefasst die wichtigsten Erinnerungen von David Holzer:
…..Und dann ist der Krieg ge-
kommen. Im April 1942 wurde ich
zur Wehrmacht verpflichtet. Bei der
Wehrmacht habe ich mich zunächst
verhalten, dass die Vorgesetzten zu-
frieden mit mir waren. Nach der Aus-
bildung bin ich nach Finnland versetzt
worden, als Kraftfahrer an die Eis-
meerfront. Mit der Politik [Pause] …
Da waren schon die Eltern so und ich
war gleichgesinnt wie meine Eltern,
wir waren christlich erzogen. Schon
vom Einmarsch haben wir nichts
wissen wollen, und dann haben die
Kreuze in der Schule keinen Platz
mehr gehabt. Da ist in einem ein ge-
wisser Widerstand gewachsen. Und
dann habe ich beim Militär allerhand
gesehen, das mir nicht gepasst hat,
der rabiate Umgang mit den Gefan-
genen, die Unmenschlichkeit. Da ist
man auf den Gedanken gekommen,
da machen wir nicht mehr mit. Wir
wollen noch einmal ein freies Öster-
reich, das war unser Ding.
Während eines Heimaturlaubes im
Juni 1943 treffe ich Franz Stolzlech-
ner. Er hat das gleiche vorgehabt wie
ich. Wir haben uns verabredet und
vereinbart, dass wir miteinander in
den Untergrund gehen. In den Näch-
ten beginnen wir dann unter einem
Felsvorsprung im Kraßgraben mit
dem Bau eines Unterschlupfes. Statt
wieder zur Wehrmacht zurückzukeh-
ren, beziehen wir nacheinander un-
ser Versteck. Die Eltern wissen zu
diesem Zeitpunkt nichts von der De-
sertion. Im Spätsommer kommt auch
mein Bruder Alois dazu. Die einzigen
Kontaktpersonen nach außen sind
zu dieser Zeit ein Jäger und der Va-
ter von Franz Stolzlechner. Von ihnen
werden wir über den Kriegsverlauf
und das politische Geschehen infor-
miert. Als Alois und ich hörten, dass
sich unsere Eltern Sorgen um uns
machten, weil wir nicht mehr bei der
Wehrmacht aufgetaucht sind, stat-
teten wir ihnen im Herbst einen Be-
such ab. Der Winter naht.
Wir haben uns verkalkuliert. Das
müssen wir einfach zugeben. Die
Amerikaner sind 1943 schon in Sizi-
lien gelandet und wir haben uns halt
vorgestellt, ein halbes Jahr noch und
dann sind sie da. Aber das hat sich
nicht bewahrheitet.
Wir beginnen daher mit dem Bau
eines winterfesten Bunkers. Franz
Stolzlechner hat ein kleines E-Werk
konstruiert, um das Lager mit elek-
trischem Licht zu versorgen. Gekocht
und geheizt haben wir mit einem
Sparherd, den wir mühevoll in den
Graben geschleppt haben.
Die Einrichtung des Bunkers war
„tadellos“, wie die Gendarmerie spä-
ter in der Anzeige geschrieben hat –
„ausgestattet mit allen erdenklichen
Bequemlichkeiten“. Das war bei
einem Erdloch sicher übertrieben.
Neben Lebensmittelreserven ver-
fügten wir über Werkzeug, Küchen-
gerätschaft und auch über eine Zieh-
harmonika.
Im Spätsommer 1943 befasste
sich mein Nachbar, der Kraßbauer
Florian Pedarnig mit dem Gedanken,
für seinen Hof ein eigenes E-Werk
zu bauen. Er besichtigte mit einem
Sachverständigen eine mögliche
Wasserfassung im Kraßgraben. Da-
bei fiel ihm etwas Ungewöhnliches
auf. Es gelang ihm den Ort wieder
zu verlassen, ohne dass sein Beglei-
ter es merkte, dass hier schon ein
E-Werk in Betrieb ist. Mit welchen
Ausreden er den Sachverständigen
wieder zurück auf den Hof begleitet
Einberufung und Einsatz
Das Gewissen meldet sich
Entschluss und Umsetzung
Es dauert länger
Beinahe entdeckt
David Holzer
geb. 9. Sept. 1923
gest. 17. Mai 2015
David konnte zu Lebzeiten nur durch
viel Müh‘ und Plag seinen Frieden fin-
den und die schrecklichen Ereignisse
des Krieges vergessen. Das Erinnern
musste er über Jahrzehnte sein lassen
– er war damit praktisch überfordert
Florian Pedarnig, Kraßbauer
geb. 14. Mai 1899 – gest. 6. Jänner 1981
Erst in einem Nachruf auf Florian Pedarnig
im Jänner 1981 im Osttiroler Bote konnte
sich David Holzer bei seinem Nachbarn für
die Hilfsbereitschaft und das mitmenschli-
che Verhalten in der damals so harten Zeit
bedanken. David erhielt damals noch eine
anonyme Zuschrift, die ihm zu schweigen
empfahl.