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OSTTIROLER

NUMMER 5/2019

7

HEIMATBLÄTTER

richtsbarkeit zustehe und es jede erdenk-

liche Todesstrafe aussprechen und vollzie-

hen dürfe: Es wird auf dem Landtaiding

verkündet,

„das ain landrichter zu Matrei

ze richten hat über alle malefitz

[…]

und

umb alle sach und händl, die ainem gericht

zuegehörn, nichts darinnen außgenomen,

und mag gerichten mit dem stock, mit dem

porten, mit dem strang, mit dem schwerdt,

mit dem prand, mit der gruebm und mit

dem stecken.“

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Ein Verurteilter konnte

somit durch Hängen, Enthaupten mit

Schwert und Beil, Verbrennen usw. hinge-

richtet werden. Offensichtlich wurden

diese hochgerichtlichen Befugnisse von

den Görzern bestritten, denn 1470 musste

Erzbischof Bernhard die Grafen daran er-

innern, dass die Hoch- oder Malefizge-

richtsbarkeit im Gericht Windisch-Matrei

ausschließlich dem Hochstift zustehe.

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Der Vertrag von 1409

Der Besitz und das Ausüben der Hoch-

gerichtsbarkeit und des Berg- und Forstre-

gals sowie der Streit über diese Hoheits-

und Territorialrechte berührten und be-

schäftigten vorwiegend die Fürsten und

ihre Verwaltungen, für ihre bäuerlichen

Untertanen war anderes wichtiger, was

„zwischenstaatlich“ geregelt werden sollte,

nämlich die Weide- und andere Nutzungs-

rechte in den Grenzregionen und die Zoll-

befreiungen in den nachbarschaftlichen

Territorien. 1409 bereinigte eine gemischte

Schiedskommission, die sich aus je drei

Vertrauensmännern des Grafen Heinrich

von Görz und des Salzburger Erzbischofs

Eberhard zusammensetzte, anstehende

Streitfragen und hielt ihre Entscheidungen

vertraglich fest:

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Die Schwaige im Bach,

grundherrlich dem Görzer unterworfen,

und die Schwaige in der Gruben, grund-

herrlich dem Erzbischof unterworfen,

dürfen auf die Alm Katal (im Frosnitztal)

jeweils 28 Rinder und 120 Stück Kleinvieh

auftreiben. Überzähliges Vieh kann die

Gegenpartei pfänden und einbehalten.

Hinsichtlich der benachbarten Alm Fros-

nitz war entschieden worden, dass sie aus-

schließlich von den Bauern aus Mitteldorf

(das im Gegensatz zum salzburgischen

Zedlach zum görzischen Gericht Virgen

gehörte) und Zedlach genutzt werden

dürfe. Ansonsten durfte jeder im Markt

Matrei ansässige Bürger auf dieser Alm

zwei Ochsen oder zwei Stiere aus eigener

Zucht sömmern. Die Entscheidung über

die von Ganzer und Guggenberger Bauern

beanspruchten Weiderechte in der Arnitz-

alm (schattseitig am Eingang des Virgen-

tals gelegen) wurde vertagt auf einen Ter-

min nach dem Augenschein, ebenso über

die Nutzungsrechte im Bereich Langnitz-

bach (heute der Bruggeralmbach im

Defereggental, der bei Außerrotte in die

Schwarzach mündet). Die görzischen Un-

tertanen mussten in Matrei für ihre dort ge-

kauften Güter Zoll entrichten. Nun wurde

bestimmt, dass sie für ihr angekauftes

Groß- und Kleinvieh sowie für alle Güter,

die für den Eigenbedarf vorgesehen waren,

keinen Zoll zu zahlen hatten. Lediglich

Güter, die für den Weiterverkauf bestimmt

waren, mussten verzollt werden. Das

Ganze beruhte auf Gegenseitigkeit, diese

Zollfreiheit genossen umgekehrt auch die

salzburgischen Untertanen des Gerichts

Windisch-Matrei auf den Märkten in den

görzischen Gerichten, namentlich in

Lienz. Auf dem Markt zu St. Jakob in De-

fereggen, das görzisches Gebiet war, durf-

ten die salzburgischen Untertanen weiter-

hin ungehindert Vieh ein- und verkaufen.

Auch Lengberger Streitfälle wurden 1409

angesprochen: Die (lengbergischen) Trat-

tenberger Bauern beanspruchten Nut-

zungsrechte an der Görtschacher Alm,

dem widersprachen die Bauern aus Gört-

schach und Gödnach und untermauerten

dies mit Zeugenaussagen. In diesem Zu-

sammenhang wurde auch die Grenze zwi-

schen dem görzischen Landgericht Lienz

und dem salzburgischen Gericht Lengberg

schriftlich festgehalten und eine markante

Eiche als Grenzbaum ausgewählt.

Die Grenzen

Bereits 1501, ein Jahr nachdem die Vor-

dere Grafschaft Görz, die im Drautal fast

bis zum Kärntner Tor reichte und große

Gebiete in der Iselregion und im Pustertal

umfasste, als Erbe an König Maximilian

gefallen und provisorisch der Grafschaft

Tirol zugeschlagen worden war, wurde

von Innsbruck aus eine Bestandsaufnahme

der Grenzen und Rechte gegenüber den

beiden salzburgischen Gerichten Win-

disch-Matrei und Lengberg veranlasst.

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Dazu wurden angesehene Gewährsleute

aus den nun tirolischen Gerichten Lienz

(Landgericht) und Virgen ausgewählt, die

mit den örtlichen Verhältnissen vertraut

waren. Die westliche Grenze des Land-

gerichts Lienz im Bereich Iseltal dem salz-

burgischen Territorium gegenüber be-

schrieb Hans Mayr imWald, wobei er sich

auf Aussagen seines Vaters berief. Dieser

Bauer aus St. Johann im Walde wusste

auch zu berichten, „

so offt sich begibt, das

Matrayer gericht ainen übeltäter vänckh-

lich hat, so sollen sy den über drey tag nit

halten, sunder sy sollen den herab hinz an

das Deubpachl andtworten mit wissen des

gerichts zu Lünz.“

Alles weitere habe das

Landgericht Lienz zu veranlassen. Hans

Mayr hatte auch von einem in Matrei an-

gesessenen Mann gehört, dass bei der Aus-

lieferung des Delinquenten am Diebsbach

die Matreier den Lienzern 32 Pfund Pfen-

nig zu übergeben hatten. Eine gleichlau-

tende Aussage hinsichtlich des Gefan-

genenschubs am Gießen- oder Diebs-

bach machte einer der Deferegger

Gewährsleute, Joachim Brugger. Be-

sagter Brugger, Jakob Troyer und Bal-

thasar an der Leiten bezeugten auch,

„das der vonn Görz an gemelten

marckhen wald, flus und vischwaid

gehabt und gewaltig gewesen sey.“

Forst-, Wasser- samt Fischereirechte im

Grenzbereich hatten dem Grafen von

Görz zugestanden, so die Aussage.

Gewährsmann für den Verlauf der

Grenzen des Landgerichts Lienz im Osten

war Jakob hinter Walchenstein. Er be-

hauptete auch, und berief sich dabei dar-

auf, was im Landtaiding des Landgerichts

Lienz verkündet worden war, dass das

Landgericht im Gericht Lengberg das

Recht der Nacheile habe. In Verfolgung

eines Flüchtigen durften die Organe des

Landgerichts Lienz bis zu einer festgeleg-

ten Linie Lengberger Gebiet betreten.

Jakob Walchensteiner bezeugte auch,

„sovil malefiz berürt, mues Lengberger ge-

richt herauf dem gericht Lünz andtworten

hunz an Gödnacherbach.“

Umstrittene Hoheitsrechte

Durch die Eingliederung der Vorderen

Grafschaft Görz 1500 und der drei ober-

bayerischen Gerichte Kufstein, Kitzbühel

und Rattenberg 1504/1506 in die Graf-

schaft Tirol rückte diese als Grenznachbar

an die salzburgischen Gerichte Itter im

Leukental, Kropfsberg oder Zell im Zil-

lertal, Windisch-Matrei im Iseltal und

Lengberg im Drautal heran. Unter neuem

Vorzeichen lebte die alte Streitfrage mun-

ter fort, ob und welche Hoheitsrechte den

Tiroler Landesfürsten in Nachfolge der

Grafen von Görz bzw. der Herzöge von

Bayern in den besagten salzburgischen Ge-

richten zustünden. Zank und Streit drehten

sich allerorts in der Hauptsache um drei

Angelegenheiten: Hoch- oder Malefizge-

richtsbarkeit, Bergregal und Forstregal.

Seit den frühen 1520er-Jahren liefen des-

wegen intensive Verhandlungen zwischen

Tirol und Salzburg, wobei das Zillertal im

Fokus stand. Währenddessen protestierte

Salzburg immer wieder gegen Übergriffe

des Bergrichters von Lienz, der auf Ma-

treier Gebiet Grubenverleihungen vornahm

und Holzschlägerungen bewilligte. Höhe-

punkt dieser mitunter von den Beteiligten

rabiat geführten Auseinandersetzungen

war, als 1521 der Lienzer Bergrichter Paul

Aigner den Matreier Landrichter Hans

Stroll, der herbeigeeilt war, um den Holz-

knechten aus Lienz das Holzfällen abzu-

stellen, kurzerhand festnahm, nach Lienz

überführte und ihn dort ins Gefängnis

warf.

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Innsbruck beorderte kurz nachei-

nander drei Untersuchungskommissionen

nach Lienz. 1518 wurden gut zwei Dut-

zend Zeugen befragt, 1521 waren es über

110. Bis auf wenige Ausnahmen waren

diese Gewährsleute, die darüber aussagten,

wie es sich zu Zeiten der Görzer mit deren

Rechten auf Matreier Gebiet verhalten

Das salzburgische Pfleggericht Lengberg auf

der Tirol-Karte von Peter Anich und Blasius

Hueber, 1774.

(tiris

Kartendienste;

Bearbeitung Josef Schönegger)