Salzburg überlassen unter Vorbehalt der
landesfürstlichen Hoheitsrechte, seit 1645
verpachtete das Domkapitel die „Herr-
schaft“ Windisch-Matrei an den Landes-
fürsten, wodurch die direkte Unterstellung
unter die landesfürstliche Verwaltung wie-
der gegeben war. Vor Ort waren namens
des Landesfürsten zwei Männer tätig, der
Pfleger und der Landrichter. Wie die Funk-
tionsbezeichnungen verraten, war der Pfle-
ger in der Hauptsache für die Verwaltung
zuständig, und er hatte BurgWeißenstein in
seiner Obhut, dem Landrichter war die Jus-
tiz vorbehalten. Gegen Ende des 17. Jahr-
hunderts wurde die Funktion des Land-
richters mit der des Pflegers vereint. Aber
es gab nicht nur diese hierarchische
Ebene, es existierte auch ein kräftiges ge-
nossenschaftliches Element. Das Gericht,
dem der Landrichter, später der Pfleger
vorsaß, setzte sich aus zwölf Geschwore-
nen zusammen, Laienrichtern aus dem
Stand der Bauern und Gewerbetreibenden.
Alle Bauern, Handwerker und Händler,
also alle selbstständigen Wirtschaftstrei-
benden, denn nur sie zählten politisch,
waren als Gerichtsgemeinde oder „Land-
schaft“ organisiert. Zumindest einmal im
Jahr versammelte sich die Gerichtsge-
meinde zum Landtaiding. Auf dieser Ver-
sammlung wurde im Spätmittelalter noch
judiziert, späterhin wurden vor allem wich-
tige gemeinsame Anliegen besprochen und
obrigkeitliche Verordnungen verkündet.
(Im Gegensatz zu Salzburg waren die bäu-
erlich dominierten Gerichtsgemeinden in
Tirol in den Landständen vertreten, was
ihnen ein wesentlich größeres politisches
Gewicht verlieh.) Auf dem und für das
Landtaiding wurde um 1440 ein so ge-
nanntes Weistum verfasst, in dem die im
Pfleggericht Windisch-Matrei geltenden
Rechtsgewohnheiten schriftlich fixiert wur-
den. Neben einer Beschreibung der Ge-
richtsgrenzen und zahlreichen strafrechtli-
chen und wenigen zivilrechtlichen Be-
stimmungen sowie administrativen
Verordnungen hält dieses Weistum eine
zentrale Verpflichtung der auf dem Land-
taiding vertretenen Personen fest: Wenn bei
Feindesgefahr Landesnot herrscht und der
Pfleger auf Befehl des Erzbischofs das mi-
litärische Aufgebot ergehen lässt, dann
hatte jeder Mann, egal welchem
(Grund)herrn er unterworfen ist und nie-
mand ist ausgenommen, mit den bei der
Musterung vorgeschriebenen Waffen zu er-
scheinen
„zu berettung unsers gnedigisten
herrn von Salzburg land und leut“
.
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Das kleine, als einsamer Außenposten
inmitten görzischen Gebiets gelegene Ge-
richt Lengberg, war für Salzburg offen-
sichtlich weniger wichtig, denn es wurde
bis ins frühe 15. Jahrhundert Adeligen,
vorwiegend aus dem Einflussbereich der
Görzer Grafen, überlassen, was das Risiko
in sich barg, dass der Besitz entfremdet
werde. Erst dann entsandte Salzburg zu
Dienstrecht bestellte Pfleger nach Leng-
berg, die zugleich die Funktionen eines
Burghauptmanns und Richters wahrzu-
nehmen hatten.
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Auch in diesem Ge-
richtsbezirk wurde die Gerichtsgemeinde,
die Landschaft, jährlich zum Landtaiding
einberufen. Wie aus dem 1468 aufge-
zeichneten Lengberger Weistum hervor-
geht, hatte dieses Gericht nur die Kompe-
tenzen eines Niedergerichts.
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Blutgerichtsbarkeit und
Berg- und Forstregal
Laut dem erwähnten Matreier Weistum
von ca. 1440 standen dem Salzburger Erz-
bischof als Landesfürst im Gericht Win-
disch-Matrei alle Hoheitsrechte zu, auch
solche, welche die Grafen von Görz dem
Erzbischof absprachen und für sich bean-
spruchten, nämlich einerseits das Berg-
und Forstregal, andererseits die Hoch-
oder Blutgerichtsbarkeit. Im Weistum
steht daher geschrieben:
„Item umb alle
grund und fund, vorst und schwarzwäld
und alle wildpaum und vischwaid gehört
ainem herrn von Salzburg zu der herligkait
Matrei.“
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Beim Bergregal, ursprünglich
dem König und Kaiser vorbehalten, ging
es um das Verfügungsrecht über die unge-
hobenen Bodenschätze und die Vergabe
von Abbaurechten, womit durch Abgaben
wie Fron und Wechsel reiche Einnahmen
verbunden waren. Das Forstregal, das Ver-
fügungsrecht über die Wälder, war eng mit
dem Bergbau verbunden, da die Berg-
werke und Schmelzhütten wegen ihres
enormen Holzbedarfs ganze Wälder ver-
schlangen und auf eine gesicherte Versor-
gung mit Holz angewiesen waren. Beim
Berg- und beim Forstregal, die beide zu
den landesfürstlichen Hoheitsrechten zähl-
ten, spielten vorwiegend finanzielle Inter-
essen herein, bei der Hoch- oder Blutge-
richtsbarkeit ging es allein um das Pres-
tige. Grundsätzlich wurde zwischen
Nieder- und Hochgerichtsbarkeit unter-
schieden, wobei die Grenze zwischen bei-
den vom Strafrecht gezogen wurde. Nie-
dergerichte übten die zivile Gerichtsbarkeit
und jene Strafgerichtsbarkeit aus, die auf
Vergehen und leichte Verbrechen be-
schränkt war und diese Straftaten mit
Geld- und Körperstrafen sanktionierte.
Hochgerichte hingegen waren berechtigt,
schwere Verbrechen, die mit der Todes-
strafe bedroht waren, zu ahnden und die
zum Tode Verurteilten hinrichten zu las-
sen. Äußeres Zeichen eines Hochgerichts
war der Galgen als Hinrichtungsstätte.
Niedergerichte, die auf ihrem Gebiet eine
Person aufgegriffen hatten, die verdächtig
wurde, ein schweres Verbrechen, ein Ma-
lefiz, begangen zu haben, hatten diese dem
zuständigen Hochgericht auszuliefern,
damit sie dort vor Gericht gestellt werden
konnte. Anhand eines naheliegenden Bei-
spiels soll das veranschaulicht werden:
Das Landgericht Lienz fungierte für seinen
Sprengel als Nieder- und Hochgericht, des
Weiteren als Hochgericht für die görzisch-
tirolischen Gerichte Stadt Lienz, Lienzer
Klause, Virgen und Kals sowie die salz-
burgischen Gerichte Lengberg und be-
strittener Weise Windisch-Matrei. Das
Matreier Weistum ließ keinen Zweifel zu,
dass diesem Pfleggericht die Hochge-
OSTTIROLER
NUMMER 5/2019
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HEIMATBLÄTTER
Das salzburgische Pfleggericht Windisch-Matrei im Atlas Tyrolensis von Peter Anich und
Blasius Hueber aus dem Jahre 1774. Gegen die dort bei den salzburgischen Pflegge-
richten Zell, Fügen, Windisch-Matrei und Lengberg verwendeten Signaturen für Lan-
desgrenzen protestierte das Reichsfürstentum Salzburg.
(tiris
Kartendienste des Amtes der Tiroler Landesregierung – Historische Kartenwerke;
https://maps.tirol.gv.at/HIK,mit Quellenangaben)
(Bearbeitung Josef Schönegger)