OSTTIROLER
NUMMER 5/2019
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HEIMATBLÄTTER
lage für die Herrschaft Salzburgs bildete
da wie dort dichter grundherrlicher Besitz,
und die Immunitätsrechte, die Salzburg als
kirchliche Institution genoss, bewahrten
Land und Leute vor dem Zugriff der gräf-
lichen Gewalt in Person des regierenden
Grafen von Görz. Noch im späten 18. Jahr-
hundert hatte das Hochstift Salzburg in sei-
nen Gerichten Windisch-Matrei und Leng-
berg eine übermächtige Stellung als
Grundherrschaft, gut jeder zweite Hof oder
landwirtschaftliche Betrieb war ihm
grund- oder lehenherrschaftlich unterwor-
fen. Nach den Grundsteuerkatastern von
1778 bzw. 1775 waren es im Gericht Win-
disch-Matrei 135 von 234 Höfen, im Ge-
richt Lengberg 34 von 68 Höfen insgesamt
bzw. 13 von 17 Kleinhäuslern.
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Als Ver-
waltungseinheit etablierte Salzburg ein
„Gericht“, das, weil an seiner Spitze ein
Pfleger stand, als Pfleggericht bezeichnet
wurde. Der Sprengel des Pfleggerichts
Windisch-Matrei umfasste das heutige Ge-
meindegebiet von Matrei in Osttirol mit
dem Weiler Huben und der Kienburg als
östliche Ausläufer und einen großen Teil
des Defereggentals. Das hintere Defereg-
gental (das heutige Gemeindegebiet von
St. Jakob ohne Großrotte und Tegisch) war
görzisches, ab 1500 tirolisches Territo-
rium, das zum Gericht Virgen gehörte, mit
Feistritz und Görtschach musste Salzburg
inmitten seines Territoriums zwei gör-
zisch-tirolische Exklaven hinnehmen. (Der
vorrömische Name Matrei, der wahr-
scheinlich „Siedlung beimWald“ bedeutet,
übertrug sich von der Siedlung auf die
Burg und von der Burg auf das Gericht.
Der Vorsatz „Windisch“ bei Matrei im
Sinne von „slawisch“ ist erstmals 1335 be-
zeugt, durchgesetzt hat sich die Bezeich-
nung Windisch-Matrei erst seit dem 16.
Jahrhundert.)
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Der Sprengel des Pflegge-
richts Lengberg entsprach dem heutigen
Gemeindegebiet von Nikolsdorf. Nach Lo-
renz Hübner, der in den 1790er-Jahren
eine Beschreibung des Erzstifts und
Reichsfürstentums Salzburg publizierte,
zählte das Gericht Windisch-Matrei 22
Rotten oder Gemeinden rings um Matrei
(Bichl; Waier; Ganz; Zedlach; Hinteregg;
Berg; Gruben; Raneburg; Prosegg; Stein;
Kaltenhaus; Hinterburg; Glanz; Klaunz;
Schweinach; Seblas; Klausen; Matters-
berg; Huben; Moos; Dölach; Ratzel,
Ober- und Unterpatergassen mit Markt-
Matrei); 12 im Defereggental (Hopfgarten;
Rajach; Hof; Plon; Lerch; Moos und
Bergl; Gsaritzen; Gritzen; Stemberg; Gas-
sen; Bruggen, Feld und Raut; Großrotte).
Das Pfleggericht Windisch-Matrei zählte
im späten 18. Jahrhundert rund 4.700 Ein-
wohner, davon lebten bei 500 Einwohner
im Markt Windisch-Matrei. Im Gegensatz
zum weitläufigen Windisch-Matrei mit sei-
nen vielen Kleinsiedlungen umfasste das
kleine Pfleggericht Lengberg sieben Rot-
ten (Lengberg; Trattenberg; Lindsberg;
Michelsberg; Plone oder Damer; Nörsach;
Nikolsdorf) mit 64 Höfen und 28 Klein-
häuslern; 795 Einwohner waren in diesem
Gericht beheimatet.
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Da wie dort prägten
Bauern das wirtschaftliche und soziale Ge-
schehen, die Menschen lebten in der
Hauptsache von der Landwirtschaft, wobei
die Viehzucht den Ackerbau überwog. Im
Gericht Windisch-Matrei arbeiteten im
späten 18. Jahrhundert an die 90 Gewer-
betreibenden, vornehmlich Handwerker
wie Schneider, Schuhmacher, Weber,
Zimmerer und Tischler, die auf die lokale
Kundschaft angewiesen waren. Im über-
bevölkerten Defereggental reichte im 18.
Jahrhundert die Landwirtschaft nicht mehr
aus, die Männer suchten zunehmend Zu-
flucht imWander- und Hausierhandel, der
in Gruppen organisiert war und weitab in
die Fremde führte. – Mit 20 Gewerbetrei-
benden war das Gewerbe in Lengberg ver-
gleichsweise stärker vertreten, was vor
allem daran lag, dass die Landstraße als
Durchzugsstraße durch sein Gebiet
führte.
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Der Bergbau war im ausgehenden
18. Jahrhundert erloschen. Die wichtigsten
Bergbaugebiete hatten im Defereggental
gelegen, besonders im Troyer Almbachtal
entlang des Almbachs fanden sich die er-
giebigsten Gruben, vorwiegend war Silber
und Kupfer abgebaut worden.
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Das Pfleggericht Windisch-Matrei, von
seiner unmittelbaren salzburgischen Nach-
barschaft in Gestalt des Pfleggerichts Mit-
tersill durch den Höhenkamm der Hohen
Tauern getrennt, war seit dem späten Mit-
telalter fest integriert in das Hochstift und
Land Salzburg und der landesfürstlichen
Gewalt des Salzburger Erzbischofs unter-
worfen. Die Ortschaft Windisch-Matrei,
die den Status eines Marktes hatte, war seit
dem 15. Jahrhundert wiederholt in den
Salzburger Landständen vertreten, was als
deutliches Zeichen der „staatlichen“ oder
Landeszugehörigkeit zu werten ist. Ver-
kehrstechnisch war das salzburgische Win-
disch-Matrei mit dem Mutterland schwach
verbunden. Der nahegelegene Pinzgau war
lediglich im Sommer über einen Saumweg
zu erreichen, der einen 2.500 m hohen Ge-
birgspass, den Felbertauern, überwinden
musste. Das Gericht Windisch-Matrei
wurde, abgesehen von einer kurzen Unter-
brechung, stets direkt vom Erzbischof als
Landesfürsten und seinen Zentralbehörden
verwaltet. 1524 wurde es dem Domkapitel
„Schloss Lengberg“ bei Nikolsdorf von Südwesten, kolorierter Kupferstich von Johann
Nep. Tinkhauser, 1829.
(Fotoarchiv Meinrad Pizzinini)
Blick auf den Markt „Windischmatray“, weiter links Schloss Weißenstein, kolorierter
Kupferstich von Johann Nep. Tinkhauser, 1829.
(Fotoarchiv Meinrad Pizzinini)