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Es können nicht nur die Namen und die

Zahl der Toten festgestellt werden. Es ließe

sich auch eine Statistik erarbeiten, die Auf-

schluss darüber gibt, welche Fronten, wel-

che Kriegsjahre die meisten Toten gefor-

dert, welche Tiroler Regimenter, welche

Jahrgänge, welche Berufe, welche Bezirke

und Gemeinden Tirols die meisten Toten

zu verzeichnen hatten. Man kann daraus

ableiten, wie viele Männer auf den

Schlachtfeldern gefallen, in Lazaretten

oder in der Heimat verstorben sind oder

wie viele vermisst gemeldet wurden. Eine

Aufbereitung dieser Daten steht allerdings

noch aus.

Die wichtigste Aufgabe des Ehrenbu-

ches liegt jedoch in seiner Funktion als Er-

innerungswerk und Mahnmal zugleich,

damit die tausenden Einzelschicksale, die

darin verewigt sind, auch hundert Jahre

nach den schicksalshaften Jahren 1914–

1918 nicht vergessen werden.

OSTTIROLER

NUMMER 1-2/2019

8

HEIMATBLÄTTER

Geht man davon aus, dass dies nun in etwa

zwei Drittel der Vermissten repräsentiert,

ließe sich eine Vermisstenzahl von 345 Per-

sonen ermitteln. Bei dem errechneten Drit-

tel von 115 Personen kann davon aus-

gegangen werden, dass es sich dabei um

Vermisste handelte, die aus der Kriegsge-

fangenschaft oder dem Lazarett wieder

heimgekehrt sind. Genaue Angaben können

dazu jedoch nicht gemacht werden.

Die besondere Bedeutung des Tiroler

Ehrenbuches, das als zeitgenössische

Quelle für eine Gefallenenstatistik eines

Landes einzigartig ist, liegt vor allem in

seiner Genauigkeit. Durch den Umstand,

dass die Erfassung der Daten weit über das

Kriegsende hinaus ging, konnten auch Per-

sonen berücksichtigt werden, die nach No-

vember 1918 an den Kriegsfolgen in der

Heimat verstorben sind. Ein Beispiel

dafür ist der junge Standschütze Johann

Jungmann, geboren 1898 in Panzendorf,

der ausgezehrt und krank aus dem Krieg

nach Hause zurückkehrte und in seinem

Heimatort im Jänner 1919 verstarb. Der

späteste Eintrag eines an den Kriegsfolgen

verstorbenen Soldaten im Tiroler Ehren-

buch datiert in das Jahr 1934! Auch wenn

Karl Böhm angab, dass die Sammlung der

Daten bis 1923 weitestgehend abgeschlos-

sen war, lassen erfasste Todesfälle nach

1927 darauf schließen, dass auch nach der

offiziellen Präsentation des Ehrenbuches

unermüdlich an der Quellensammlung ge-

arbeitet wurde, um ein möglichst genaues

Bild der Gesamtverluste zu erhalten. Ins-

gesamt werden 268 Männer im Ehrenbuch

als an Kriegsfolgen verstorben gelistet.

Das Tiroler Ehrenbuch stellt für die For-

schung eine Quelle besonderer Güte dar:

Anmerkungen:

1

Kurt S

CHUSCHNIGG

, „Vergeßt die treuen Toten nicht“, in:

Die Leitung des Tiroler Ehrenbuches (Hg.), Festgabe zur

Ausstellung des Tiroler Ehrenbuches, o. O. [1927],

S. 21-22, hier S. 21.

2

Flächenmäßig war Tirol in seinem historischen Umfang

nach Galizien und Böhmen das drittgrößte Land Cislei-

thaniens. Vgl. K. k. Statistische Zentralkommission

(Hg.), Österreichisches statistisches Handbuch, 33. Jg.,

Wien 1916, S. 1.

3

Karl B

ÖHM

, Die Gefallenen Tirols 1914-1918 und 1939-

1945. Zur 150-Jahr-Feier 1809–1959, Bd. 1: Nord- und

Osttirol 1914–1918 (Schlern-Schriften 200), Innsbruck

1962, S. 7. – Die letzte Volkszählung fand in Österreich-

Ungarn im Jahre 1910 statt. Dabei wurden in Tirol bei

einer Gesamteinwohnerzahl von 928.787 Personen,

457.703 Männer gezählt. Für die Folgejahre wurden die

Zahlen anhand verschiedener Koeffizienten berechnet.

Dadurch ergab sich etwa bis 1913 ein Zuwachs von ca.

10.000 Personen bei der männlichen Bevölkerung. Vgl.

K. k. Statistische Zentralkommission (Hg.), Handbuch,

S. 4.

4

Vgl. Brigitte B

IWALD

, Von Helden und Krüppeln. Das

österreichische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg

(Militärgeschichtliche Dissertationen österreichischer

Universitäten 14/2), Wien 2002, S. 627.

5

Vgl. WilhelmW

INKLER

, Die Totenverluste der öst.-ung.

Monarchie nach Nationalitäten. Die Altersgliederung der

Toten. Ausblicke in die Zukunft, Wien 1919, S. 37.

6

Winkler verweist bereits in seiner Einleitung auf die Pro-

blematik. Er berechnete seine Zahlen zu den Totenver-

lusten anhand der damals offiziell gemeldeten Gefalle-

nen bis Ende 1917 und zwei Drittel der Vermissten. Die

Kriegsgefangenen konnten in seiner Statistik noch nicht

berücksichtigt werden. Vgl. ebd. S. 1f.

7

Siehe dazu ausführlicher das letzte Kapitel des Artikels.

8

Der Name „Tummelplatz“ stammt vermutlich von seiner

ursprünglichen Nutzung als Reitplatz für Schloss Am-

bras. Nachdem das Schloss in den Kriegsjahren 1796–

1814 sowie 1848, 1859 und 1866 als Militär-Lazarett

verwendet worden war, wurde der Tummelplatz für die

im Schloss verstorbenen Soldaten zu einem Militär-

Friedhof umgestaltet. In der Folge entstanden dort einige

größere und kleinere Kapellen und Bildstöcke, die zum

Teil auch künstlerisch gestaltet wurden. Zur Zeit des

Ersten Weltkrieges entwickelte sich dann der Brauch, für

die fern der Heimat gefallenen und bestatteten Tiroler

hier Gedenkkreuze zu errichten. Auf diese Weise wurde

der Tummelplatz zu einem Ort stillen Gedenkens. Vgl.

Ehrenbuches unter

http://www.tiroler-landesmuseen.at/

page.cfm?vpath=tiroler-landesmuseen/online-kata-

loge&genericpageid=2324 (Zugriff am 11.04.2017) be-

trachtet werden.

19

Vgl. B

ADER

/B

RANDAUER

, Sterben (wie Anm. 9), S. 40.

Für jene gefallenen Tiroler, für welche kein Sterbebild

vorhanden war, sollte von den von den Gemeinden be-

auftragten Sammlungstätigen eine kurze Lebensbe-

schreibung mit folgenden Angaben eingesandt werden:

1. Name (Vor- und Zuname, Vulgo- eventuell Hofname),

2. Geburtsjahr, Monat, Tag und Ort, 3. Beruf, 4. Stand

(ledig oder verheiratet), 5. Zuständig oder aus welcher

Gemeinde ausgerückt, 6. Truppenkörper und Charge, 7.

Gefallen oder gestorben, wo und wann, 8. Auszeich-

nungen und Kriegserlebnisse. Vgl. B

ÖHM

, Ehrenbuch

(wie Anm. 10), S. 11.

20

Karl B

ÖHM

, „Das Tiroler Ehrenbuch, sein Werden und

seine Anlage“, in: Die Leitung des Tiroler Ehrenbuches

(Hg.), Festgabe zur Ausstellung des Tiroler Ehren-

buches, o. O. [1927], S. 39-41, hier S. 40.

21

Ebd.

22

Vgl. Isabelle B

RANDAUER

, „Der Krieg kennt kein Er-

barmen.“ Die Tagebücher des Kaiserschützen Erich

Mayr 1913–1920 (Erfahren – Erinnern – Bewahren 2),

Innsbruck 2013, S. 18. Erich Mayr fertigte außerdem

einen weiteren Titelblatt-Entwurf für die Gemeinden

Afers, Albeins, Brixen, Lüsen, Meransen, Milland,

Sarns, Mühlbach, Natz, Niedervintl, Neustift, Pfunders,

Pfeffersberg, Rodeneck, Schabs-Aicha, Schalders,

Spinges, St. Andrä, Vahrn, Vals und Weitental an, der je-

doch nicht zur Ausführung kam. Vgl. ebd. S. 509.

23

Vgl. B

ÖHM

, Werden (wie Anm. 20), S. 40.

24

Herkunft, Eltern, Beruf, Kriegsdienst, Todesumstände,

Bestattungsort etc.

25

Vgl. B

ÖHM

, Werden (wie Anm. 20), S. 41.

26

Bei schlechter Witterung hätte die Gedächtnismesse in

der Hofkirche stattgefunden.

27

Vgl. „Einweihung des Tiroler Ehrenbuches“, in: Tiroler

Heimatblätter, 5. Jg. (1927), Heft 11, S. 321-323, hier

S. 321f.

28

Die Leitung des Tiroler Ehrenbuches (Hg.), Festgabe zur

Ausstellung des Tiroler Ehrenbuches, o. O. [1927], S. 13.

29

Ebd. S. 16.

30

Vgl. Oswald G

SCHLIESSER

et. al., Bergisel-Buch, Inns-

bruck 1964, S. 156.

31

Vgl. ebd. S. 156f.

32

Vgl. ebd. S. 166.

33

Vgl. Claudia S

PORER

-H

EIS

, Tiroler Ehrenbuch – digital.

In: Ferdinandea Nr. 29 (2014), S. 10.

http://www.amras.at/cms2/index.php/tummelplatz

(Zu-

griff am 21.03.2017).

9

Hansjörg B

ADER

/Isabelle B

RANDAUER

, „Doch klag ich

nicht muss ich so jung auch sterben / half ich dem Va-

terland doch Ruhm erwerben“. Sterben und Sterbebilder

von Tiroler Soldaten im Ersten Weltkrieg, in: Wolfgang

M

EIGHÖRNER

(Hg.), Wissenschaftliches Jahrbuch der

Tiroler Landesmuseen 2009, Bd. 2, Innsbruck-Wien-

Bozen 2009, S. 8-41.

10

Karl B

ÖHM

, Das Tiroler Ehrenbuch. Entstehung, Plan

und Anlage des Werkes, o. O. [1916], S. 6.

11

Vgl. B

ADER

/B

RANDAUER

, Sterben (wie Anm. 9), S. 16.

12

Die Methode des Klischeedruckes, der billiger und

leichter herzustellen war, begann sich erst mit der Dauer

des Krieges zu steigern. Vgl. B

ADER

/B

RANDAUER

, Ster-

ben (wie Anm. 9), S. 18.

13

Dem Tiroler Landesausschuss folgte in seiner Funktion

als Landesbehörde und oberstes Organ der Landesver-

waltung ab 1919 die Tiroler Landesregierung nach.

14

Vgl. B

ÖHM

, Ehrenbuch (wie Anm. 10), S. 7.

15

Verlautbarung des k. u. k. Kommandos der Südwestfront

vom 8. Jänner 1916, Nr. 2, Res. Nr. 918, zit. nach B

ÖHM

,

Ehrenbuch (wie Anm. 10), S. 8.

16

Vgl. B

ÖHM

, Ehrenbuch (wie Anm. 10).

17

B

ÖHM

, Ehrenbuch (wie Anm. 10), S. 13.

18

Eine seltene Ausnahme bildet hier beispielsweise das

Sterbebild des Knechtes Franz Stocker aus Burgfrieden.

Er wurde nach einem italienischen Angriff auf dem

Hochplateau der Sieben Gemeinden am 4. Dezember

1917 als vermisst gemeldet. Das Sterbebild von Franz

Stocker kann in der Online-Datenbank des Tiroler

IMPRESSUM DER OHBL.:

Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren

verantwortlich.

Anschrift der Autorin dieser Nummer: Dr.

Isabelle Brandauer, A-6380 St. Johann i. T.,

Lacknerweg 5; E-Mail: isabelle_brandauer@

gmx.at

.

Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-

ter“ sind einzusenden an die Redaktion des

„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,

A-6176 Völs, Albertistraße 2 a; E-Mail: meinrad.

pizzinini@chello.at

.

Blick in die Ehrenkapelle am Bergisel, Innsbruck, gegenwärtiger Aufstellungsort des

Tiroler Ehrenbuchs.

Foto: Isabelle Brandauer