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ZEITGESCHICHTE

PUSTERTALER VOLLTREFFER

SEPTEMBER/OKTOBER 2018

10

Sechs Jahre bevor Franz

Schwemberger in St. Lorenzen

zur Welt kam, wurde Tirol süd-

lich des Brenners zu Italien ge-

schlagen – auf Basis des end-

gültigen Friedensvertrages von

St. Saint Germain. Der heute

bald 93-Jährige erzählt: „Im Ok-

tober 1922 traten die Faschisten

dann den Marsch auf Rom an.

Am nächsten Tag übertrug der

damalige König Mussolini die

Regierung. Dann wurde mit der

Italianisierung von Südtirol be-

gonnen, mit dem Versuch, die

deutsche Minderheit in den ein-

verleibten Gebieten ihrer sprach-

lichen, kulturellen und histori-

schen Identität zu berauben und

mit italienischer Bevölkerung zu

ersetzen.“

30.000 Schüler betroffen

Auch in St. Lorenzen wurde

daraufhin ein Kommissar von

Italien als Bürgermeister einge-

stellt. „Wahl gab es ja keine

mehr. Ebenso wurden alle ande-

ren Posten mit Italienern besetzt.

Deutsch an den Schulen wurde

verboten“, erinnert Schwember-

ger. Rund 30.000 Schüler in ganz

Südtirol waren betroffen. „Die

bisherigen Lehrer unterrichteten

heimlich Deutsch in den soge-

nannten ‚Katakombenschulen‘.

Es wurde alles Deutsche aus dem

öffentlichen Leben verbannt. Das

war auch für meine Eltern Paul

und Maria unglaublich schwer.

Sie verstanden natürlich kein Ita-

lienisch und mussten sich dann

irgendwie ‚durchwursteln‘. Geld

war deshalb auch kaum mehr

da.“

Schwere Entscheidung

Der Vater war gelernter Fass-

maler und strich, um die Familie

ernähren zu können, bei den

Bauern die Heuwägen an.

„Dafür gab es dann nur Ware

wie Milch, aber kein Geld.“

Franz Schwemberger ist heute fast 93 Jahre alt.

1939 mussten die Eltern die

schwere Entscheidung fällen:

Entweder für Deutschland optie-

ren und die Heimat verlassen

oder in Südtirol bleiben und wei-

terer sprachlicher und kultureller

Unterdrückung und Italianisie-

rung ausgesetzt sein. Die Eltern

entschieden sich für Deutsch-

land. Man blieb aber vorerst in

Südtirol. Schwemberger erinnert

sich an den Grund: „Ein Wein-

händler aus St. Lorenzen, der

auch für Deutschland optiert

hatte, wurde mit seiner Frau und

den drei Kindern in der Klagen-

furter Gegend angesiedelt. Zuvor

verjagte man dort Partisanen. Sie

waren die eigentlichen Besitzer

der Anwesen. Das wusste die

Weinhändlerfamilie aber nicht.

Eines Tages Ende 1939/Anfang

1940 flüchtete die Frau mit den

Kindern zurück nach St. Loren-

zen. Denn es war ein großes Un-

glück passiert.“

Kurzer Prozess

Die Partisanen waren zu-

rückgekehrt, hatten den Ehe-

mann lebend an ein Ross ange-

bunden, das ihn dann solange

durch die Gegend schliff, bis er

tot war. „Somit traute sich bei

uns vorerst niemand mehr frei-

willig auszuwandern“, erinnert

sich Schwemberger. Der Vater

machte sich dann alleine auf

den Weg nach Lienz, um die

Lage zu erkunden. „Es wurde

die Südtirolersiedlung gebaut,

Franz Schwemberger

erblickte am

28. September 1925 in

St. Lorenzen im Puster-

tal das Licht der Welt.

Seine Eltern optierten

später für Deutschland

und landeten letztend-

lich mit den Kindern

in Lienz.

Ein Weg mit vielen H

Unterricht an einer Katakombenschule in einem Südtiroler

Bauernhof, ca. 1927.

Franz Schwemberger wurde am 28. September 1925 in St. Lorenzen

geboren.