OSTTIROLER
NUMMER 5-6/2018
8
HEIMATBLÄTTER
fern der heimatlichen Berge, für andere exi-
lierte Osttiroler und sonstige Liebhaber der
Küche produziert. Man freut sich auf den fri-
schen, mit etwas geschmolzener Butter und
Schnittlauch (und gerne auch Parmesan)
überdeckten Schlipfkrapfen ebenso sehr wie
über die schlecht gepitschten, beim Kochen
aufgegangenen Exemplare, die mit den (sel-
ten) übriggebliebenen Teigtaschen angerös-
tet und mit Ei serviert werden. Und man-
cherorts heißt es auch, dass man als „Git-
sche“ erst dann heiratsfähig sei, wenn man
Schlipfkrapfen richtig krendeln, also mit
einer kunstvollen Drehung des Teiges zwi-
schen Zeigefinger und Daumen pitschen
könne. Kein Wunder, dass auch Oberforcher
drei Rezepte zu Schlipfkrapfen – in der
„klassischen“ Erdäpfel-Variante oder auch
süß – wiedergibt:
Aus dem Iseltal via Rosa Ghedina-Perntner:
„Schlüpfkrapfen.
Mit lauwarmen Wasser, Mehl und Salz
wird ein weicher Teig geknetet, ¼ Stund
rasten lassen, ausgetrieben, mit dem
Model die Krapfenform, herausgesto-
chen, gefüllt, fest zugepitscht und im Salz-
wasser kurz gekocht, abgeseiht mit Käs
und Butter abgeschmälzt.
Füllen: a) gesottene Eräpfel werden ge-
rieben, Schotten, feingehackte Zwiebel
oder Schnittlauch dazu. b) Ein paar frische
ganze Kirschen, Spinat und andere Füllen
sind hier unbekannt.“
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Die Deferegger Version via Maria Sartori:
„Schlipfkrapfen.
Halbs Gersten= halb Weizenmehl ge-
salzen wird mit Wasser zu einem nicht zu
festen Teig verarbeitet. Daraus schneidet
abgeseiht, und die Krapfen mit Käse be-
streut und mit heißer Butter übergossen,
oder in Butter braun gebraten.“
39
Die Lienzer Variante via Maria Sartori:
„Schlipfkrapfen
Halb Weizen= halb Haidenmehl gibt man
auf das Nudelbrett, salzt es und macht mit
Wasser einen zimlich weichen Teig, wie Nu-
delteig. Dann treibt man ein Blattl aus, sticht
mit dem „Krapfenstecher“ Blattlen heraus.
Diese werden nun gefüllt: Weiße Kartoffeln
werden zerdrückt gesalzen, gepfeffert, gibt
fein geschnittene Zwiebel, die in Fett ange-
laufen sind, dazu, dann ein wenig sauren
Rahm falls man hat u. grüne Zwiebelrohr
fein gewiegt, mengt alles zusammen u. gibt
kleine Häufchen davon auf jedes Blattl und
,pitscht‘ die Blattlen zu zu kleinen Krapfen.
Diese Krapfen kommen nun in siedendes
Wasser, lässt kochen, seiht sie ab, gibt sie in
ein Kühlwasser. Nachdem sie abgekühlt
sind, werden die Krapfen in einer Pfanne
oder Schüssel mit Butter u. Semmelbrosen
abgeschmalzt u. kommen so auf den Tisch.
Eine andere Fülle besteht nur aus Top-
fen u. Kartoffel.
Schlipfkrapfen kommen regelmäßig nur
Samstag Abend auf den Tisch.“
40
Aber passen Sie beim nächsten Besuch
im Bezirk Lienz lieber auf, wenn Sie zum
Essen der Osttiroler Leibspeise eingeladen
werden, denn schon Josef Oberforcher
wusste:
„Mit der Zubereitung vergeht der halbe
Nachmittag u. alle Anwesenden werden
zum ,Krapfenpitschen‘ eingespannt.“
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Dann bleibt nur noch eines zu sagen:
Guten Appetit!
EARDÊPFL
SONI
PATATE
ZUR KULTURGESCHICHTE
DER KARTOFFEL IM
HISTORISCHEN TIROL
UND SEINEN
NACHBARREGIONEN
SiegfriedDERACHEWILTZ
ChristianeGANNER
AndreasRAUCHEGGER (Hg.)
Mehr zum Thema Erdäpfel findet sich im
Katalog des Südtiroler Landwirtschafs-
museums Brunnenburg:
Siegfried
dE
R
achEwiLTz
/ christine G
an
-
nER
/ andreas R
auchEGGER
(hgg.), Eard-
epfl – Soni – Patate. zur Kulturgeschichte
der Kartoffel im historischen Tirol und sei-
nen nachbarregionen, Meran 2018.
Anmerkungen:
Abt. Abteilung – OHBl = Osttiroler Heimatblätter – SlgOb
= Sammlung Oberforcher
1
Archiv Museum Schloss Bruck (Lienz), OG1, SlgOb,
Schachtel „diverse“, Kuvert „Bauernkost im Iseltal“,
Zettel „Gemüse“.
2
Es handelt sich wohl um Rosa Ghedina-Perntner, welche
auch für die Osttiroler Heimatblätter als Autorin zu The-
men der Region Matrei tätig war und deren Sammlung
aus Volkskunst und Archäologie den Grundstock des
kleinen Matreier Heimatmuseums Medaria bildet.
(Siehe Museumsportal in der Kulturdatenbank des Lan-
des Tirol,
https://portal.tirol.gv.at/KultWeb/museenPu-
blicDetails.show?cmd=museenDetail&tmuseumseq=
170&cid=1, abgerufen am 20.01.2018.)
3
Archiv Museum Schloss Bruck (Lienz), OG1, SlgOb,
Schachtel „diverse“, Kuvert „Bauernkost im Iseltal“,
Zettel „Gemüse“.
4
Franz K
OLLREIDER
, Landes-Bauoberinspektor Josef
Oberforcher (1873-1950), in: OHBl, 19. Jg., 1951, Nr. 2.
5
Hans Kramer, von 1933 bis 1940 und 1945 bis 1947 Mit-
arbeiter des Tiroler Landesarchivs, schreibt dazu: „
In
jedem Archiv gibt es etwas interessantere und etwas
langweiligere Bestände. Oberforcher nahm alles Ein-
schlägige daran. Er hatte aber vor dem Langweiligen
und Trockenen keine Scheu. […] Weniger wichtige Ar-
chivalien mussten wegen Raummangels vor dem Zweiten
Weltkrieg im Inneren des alten Mauthauses am Rennweg
in Innsbruck verwahrt werden. Dies war nun ein düste-
rer, staubiger, unfreundlicher Riesenraum, in dem man
trübsinnig werden konnte, wenn man länger darin war.
[…] Oberforcher ließ sich nun auch nicht durch jenen
düsteren Raum abschrecken und hat … viele Wochen dort
gearbeitet.
“ Hans K
RAMER
, Persönliche Erinnerungen an
Inspektor Josef Oberforcher, in: OHBl, 19. Jg., 1951.
6
K
OLLREIDER
, Oberforcher (wie Anm. 4).
7
Archiv Museum Schloss Bruck (Lienz), OG1, SlgOb,
Abt. IV (Materialien Geschichte Osttirols), Faszikel 25
(Landwirtschaft, Handwerk, Industrie und Handel),
Mappe VII (Landwirtschaft), Blatt „Einführung der Kar-
toffeln.“.
8
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 7).
9
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 7): Otto
S
TOLZ
, „Der rechte Kreis“, eine dreijährige Fruchtfolge
mit Flurzwang im Pustertal nach Belegen des 16. bis 18.
Jahrhunderts, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirt-
schaftsgeschichte, Band XXV, Heft 4, Stuttgart 1932,
Seite 357.
10
Zu Metzen: „
Nicht nur die Arbeit, auch Saat und Ernte
konnten zum Kriterium einer Flächenbestimmung wer-
den. Bei Äckern war es die durch ein Hohlmaß (Metzen,
Star, Mutt) vorgegebene Menge an Saatgut...“.
Vgl. Wil-
fried B
EIMROHR
, Alte Flächenmaße in Tirol und Vorarl-
berg, Innsbruck 2002, abgerufen unter:
https://www.tirol.
gv.at/fileadmin/themen/kunst-kultur/landesarchiv/downlo-ads/flaechenmasse1.PDF, 27.12.2017; seit dem 1. Juni
1752 umfasste ein Metzen 61,48682 Liter.
11
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 7), Blatt
„Bodenerträgnisse in Tirol 1835“, Staffler, Bd. I, S. 203.
12
1 Jauch = 1000 Quadratklafter. 1 Quadratklafter ent-
spricht 3,596652 m². Vgl. Wilfried B
EIMROHR
, Alte Flä-
chenmaße (wie Anm. 10).
13
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 7), Blatt
„Bodenerträgnisse in Tirol 1835“, Staffler, Bd. I, S. 203.
14
Ernte.
15
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 7), Blatt
„Einführung der Kartoffeln.“.
16
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 15).
17
Der Ausdruck „Grompra, Grompiera“ für Erdäpfel
taucht am anderen Ende Tirols, etwa im vorarlbergischen
Lustenau, wieder auf. Vgl. Sieglinde F
ITZ
-G
RABHER
/
Veronika H
OFER
, Lustenauer Mundart von A-Z, Luste-
nau 2002.
18
Alexander von L
ENGERKE
, Landwirthschaftliche Statistik
der deutschen Bundesstaaten. Zweiter Band, zweite Ab-
theilung, Braunschweig 1841, S. 316.
19
Archiv Museum Schloss Bruck (Lienz), OG1, SlgOb,
Schachtel „diverse“, Kuvert „Bauernkost um Lienz“,
Zettel „Bauernkost in Villgraten“, 1-3.
20
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 19), Schach-
tel „diverse“, Kuvert „Bauernkost in Lengberg“, Zettel
„Bauerkost im Ger. Lengberg“, 1-4.
21
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 19), Kuvert
„Bauernkost in Defreggen.“, Zettel „Bauerkost in De-
fregg.“, a-b.
22
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 21), Zettel
„Blutnudeln“.
23
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 21), Zettel
„Hausnudeln“.
24
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 21), Zettel
„Erdäpfel-Schmarrn“.
25
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 21), Zettel
„Brennsuppe“.
26
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 21), Zettel
„Kröße“.
27
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 19), Kuvert
„Bauernkost im Iseltal“, Zettel „Zuspeisen“.
28
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 27), Zettel
„Bauerkost im Iseltale.“, a-d.
29
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 27), Zettel
„Mehlspeisen“.
30
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 27), Zettel
„Zuspeisen“.
31
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 27), Zettel
„Erdäpfelbrosen“.
32
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 27), Zettel
„Brennsuppe“.
33
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 27), Zettel
„Schottsuppe“.
34
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 19), Kuvert
„Bauernkost um Lienz“, Zettel „Schottsuppe“.
35
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 34), Zettel
„Bauerkost in Obertilliach“, 1.
36
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 34), Zettel
„Bauernkost in Villgraten“, 1-3.
37
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 34), Zettel
„Schlipfkrapfen“.
38
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 27), Zettel
„Schlüpfkrapfen“.
39
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 21), Zettel
„Schlipfkrapfen.“.
40
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 34), Zettel
„Schlipfkrapfen“.
41
Archiv Museum Schloss Bruck (wie Anm. 34), Zettel
„Schlipfkrapfen“.
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini. Für den
Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: Mag. Stefan
Weis, Beda Weber-Gasse 33, A-9900 Lienz; E-Mail:
stefan.weis@gmx.atManuskripte für die „Osttiroler Heimatblätter“ sind
einzusenden an die Redaktion des „Osttiroler Bote“
oder an Dr. Meinrad Pizzinini, A-6176 Völs, Alberti-
straße 2 a; E-Mail:
meinrad.pizzinini@chello.atman kleine Würfel, walzt sie rund aus und
füllt sie mit einer Masse aus zerdrückten
gekochten Erdäpfeln mit süßen Topfen,
Salz u. Zwiebeln. Die gefüllten Teigblätt-
chen werden nun gefaltet und ,gepitscht‘
u. in Salzwasser gekocht, das Wasser dann