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Als Frau Ghedina

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im Jahr

1936 für den Heimatforscher

Josef Oberforcher Informatio-

nen aus der Iseltaler Küche

zusammentrug, war sie nicht

gerade zimperlich in ihren

Ausführungen:

Gemüse liebt der Bauer

nicht besonders, und es wird

hievon in den Gärten sehr

wenig gebaut. Man sieht wohl

nur Kopfsalat, Schnittlauch,

rote Rüben und vielleicht noch

Rettiche. Selbst im Markt W.

Matrei war i. J. 1916 die

Gurke noch unbekannt und in

diesem Jahre habe ich hier die

ersten Gurken gepflanzt. Seit-

her sieht man sie hie und da in

den Gärten, aber sie gerät

nicht jedes Jahr.

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Zimperlich sein, das wäre

aber auch nicht die Aufgabe

von Heimatforschern, von Historikern und

Ethnologen, von Chronisten und enthu-

siastischen Laien. Ein solcher, ein vom

Bezirk Lienz beseelter Forscher, war Josef

Oberforcher, dessen Quellenmaterial in der

nach ihm benannten Sammlung im Mu-

seum Schloss Bruck die Region Osttirol zu

„dem geschichtlich und heimatkundlich

bestdurchforschten

[Bezirk]

des ganzen

Landes“

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macht. Das Urteil stammt von

1951, es ist aber wohl noch immer gültig.

Oberforchers Arbeit bildet Grundlage für

unzählige wissenschaftliche wie heimat-

kundliche Artikel, gibt Hinweis auf Quellen

und Fundorte von Informationen, und ist

selbst oft genug Quelle. Im Brotberuf Lan-

desbauinspektor und für unzählige Straßen-

und Wildbachverbauungsprojekte zustän-

dig, machte er 1923 vom Beamtenabbau-

gesetz Gebrauch, welches unter Bundes-

Nach der Mittagsruhe zu

Hause setzte er ab 15 Uhr

seine Forschungen fort und

verließ das Archiv erst, wenn

der Beschließer ungeduldig

mit dem Schlüsselbund klim-

perte. Den Abend verbrachte er

damit, die gesammelten Er-

gebnisse des Tages zu verzet-

teln und zuzuordnen. In den

wenigen freien Tagen, die er

sich und seiner Familie – Frau

und zwei Söhne – gönnte, fuhr

er gerne nach Osttirol, um dort

in den Pfarrarchiven die Matri-

kel zu exzerpieren.

Eine unglaubliche Fülle ar-

chivalischen Materials

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wurde

durch den Fleiß eines einzigen

Mannes verarbeitet:

56 Faszikel (meist in Brief-

ordnern) chronologischer

Auszüge aus den Verfachbü-

chern der Gerichte Lienz-Sillian bis 1814.

56 Karteischachteln sippenkundlicher Zet-

tel über Flur- und Hofnamen, Berufe,

Kunsthandwerker und Verwaltung aus den

Trauungsbüchern von Osttiroler Pfarräm-

tern (das waren damals zirka 100.000 Zet-

tel, deren Zahl sich heute auf 130.000 er-

höht hat). 25 Faszikel mit Abschriften und

Auszügen über Sagen, Hexenprozesse, Kul-

tur-, Wirtschafts-, Bergbau-, Vorgeschichte

und Defregger Emigration aus den Ge-

richten Lienzer Klause, Anras, Lengberg,

Virgen und Matrei. 1 Faszikel mit Karten

und Plänen aller Ortschaften Osttirols,

außer denen des Gerichtes Heinfels, vor

allem Lienzer Stadtpläne. 150 Matrizen-

blätter mit zirka 1350 gezeichneten Wap-

pen und Siegeln Osttiroler Bürger, Bauern,

Seelsorger und Beamter mit einem Exem-

plar kolorierter Abzüge dieser Blätter, die

NUMMER 5-6/2018

86. JAHRGANG

OSTTIROLER

HEIMATBLÄTTER

H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “

Stefan Weis

„Gemüse liebt der Bauer

nicht besonders“

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Josef Oberforcher und die Erdäpfel – Auszüge aus seiner heimatgeschichtlichen

Sammlung zu Verbreitung und Verwendung der Kartoffel in Osttirol

Die Erdäpfel (Kartoffel) sind in Tirol seit dem 18. Jahrhundert bekannt;

als Volksnahrungsmittel setzten sie sich erst im 19. Jahrhundert durch.

Foto: Meinrad Pizzinini

kanzler Ignaz Seipel offiziell zur Behebung

der Arbeitslosigkeit, eigentlich wohl zur

Reduktion des ehemaligen k. k. Beamten-

apparates eingeführt worden war. Die fol-

genden 27 Jahre arbeitete er mit unbändi-

gem Fleiß und eiserner Disziplin an dem,

was vorher nur in den wenigen freien Tagen

im Jahr möglich war. Zunächst in den Quel-

len des Museums Ferdinandeum, dann in

den Räumen des Tiroler Landesarchivs in

der Herrengasse und in ausgelagerten

Depots wie etwa der Dogana (heute Con-

gress) am Innsbrucker Rennweg suchte er

nach Namen, Ereignissen, Geschichte und

Geschichten des Bezirks Lienz, den er his-

torisch betrachtete und damit auch die ab-

getrennten Gemeinden bis zum Toblacher

Feld inkludierte. Sommer wie Winter

stand er nun Punkt 8 Uhr vor den Türen des

Landesarchivs, arbeitete bis 11.30 Uhr.