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OSTTIROLER

NUMMER 5-6/2018

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HEIMATBLÄTTER

Dies ist die gewöhnliche Kost des dasi-

gen Bewohners. Es versteht sich aber dass

er sich

an Festtagen

und besonders an den sogenannten

Kirchtagen

auch besser zu Gute tut und es lohnt sich

der Mühe auch seine Kirchtags=Lecker-

bissen kennen zu lernen. Diese bestehen

wo man sichs am besten geschehen lässt,

in einer Fleischsuppe mit gebackenen

Nigeln, d.i. kleine in der Größe welscher

Nüsse von Weizenmehl gebackene Krap-

fen, einer sauren Suppe – Voressen – Kraut

mit Speck und geselchtem Fleische, grü-

nem Rind= oder Schaf= etz. Fleische,

Nudlmuss, d. h. geschnittenen in Milch ge-

sottenen Nudeln mit Weinbeeren, Knödel

in einer mit Speck und Schmalz abge-

schmalzenen Fleischsuppe, Schlipfkrapfen

mit Schotten gefüllt und mit gestoßenen

Mohn oder Birnmehl abgeschmolzen, in

Schmalz gebackenen Nigelen, eben wieder

mit Mohn oder Birnmehl abgeschmolzen,

Braten von Kalb= oder Schaffleisch, end-

lich Krapfen, die auf den Tisch geschüttet

werden, mit einer Schüssel guter Milch

und einem Topf zerlassenen Schmalzes.

Ebenso wird auch bei den sogenannten

Kindlmählern aufgetragen.“

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Dieser Bericht aus Lengberg dürfte

Oberforchers Interesse und Eifer geweckt

haben. In den Jahren 1936 und 1937 in-

formiert er sich, damals noch in Innsbruck

wohnhaft, über die Speisepläne und Er-

nährungsgewohnheiten in den anderen Tal-

schaften des Bezirkes, um ein vollständi-

ges Bild für Osttirol zu erhalten. Die Lis-

ten, die an ihn zurückgingen, zeigen im

Detail durchaus Unterschiede, deren Ur-

sprung in der sozialen und (land)wirt-

schaftlichen Situation, aber auch in der tra-

ditionellen Überlieferung innerhalb einer

Talschaft oder eines Gerichts verhaftet sein

dürften.

Wo kaum noch

Nutzpflanzen

anzubauen

waren, fand

sich der Erd-

äpfelacker. Mit

Bugglkraxen

wurde die

Nahrung für

die kalten Mo-

nate in den

Hof gebracht.

(Bildarchiv

Museum

Brunnenburg,

Dorf Tirol)

Auch in weniger steilem Gelände ist die Erdäpfelernte noch heute viel-

fach Handarbeit, wie auf diesem Foto aus Thurn zu sehen, um 1977.

(TAP – Sammlung Lisl Gaggl-Meirer)

Foto: Lisl Gaggl-Meirer

Über das Defereggental wird ihm 1937

von Maria Sartori gemeldet:

„Bauernkost in Defregg.

Speisezettel:

Frühstück, Abendessen und die Jause am

Vor= u. Nachmittag ist im ganzen Jahr

immer fast gleich.

Frühstück: Mus, Milch oder Kaffee mit

Brot.

Abendessen: Brennsuppe oder Pfarfel-

suppe, oder Erdäpfel mit Salz u. Butter;

aber am Samstag Schlipfkrapfen.

Vormittagsjause: Butterbrot oder Milch

u. Brot.

Nachmittagsjause: Kaffee mit Brot, bei

schwerer Arbeit auch Butterbrot oder

Krapfen dazu.

Mittagessen wechselt nach den Wochen-

tagen u. zw.

Montag: Gerstensuppe und Nockerln

oder Nudeln.

Dienstag: Knödel mit Kraut.

Mittwoch: Schlipfkrapfen.

Donnerstag: Knödel mit Kraut.

Freitag: Polenta mit Krautsuppe

Samstag: Käseknödel mit Kraut

Sonntag: Knödel mit Kraut, Abends Erd-

äpfelschmarrn.

Zur Erntezeit, am Kirchtag u. sonstigen

festlichen Anlassen werden die sogenann-

ten ‚langen Krapfen‘ gebacken.

Bei Verlobungen u. Kindstaufen gibt es

‚Werberstrauben‘.

Zu Ostern gibt es ‚Gugelhupf‘,

zu Allerheiligen Mohnkrapfen.

Im Herbst oder Winter wird gewöhnlich

ein Schwein oder Schaf geschlachtet, und

aus dem größern Teil Geselchtes gemacht.

Bei dieser Gelegenheit kommt dann auch

einmal ein Braten auf den Mittagstisch.

Von Blut, Leber, Herz und Lunge wird die

sogen. ‚Krösse‘ gekocht.“

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Oberforcher belässt es aber nicht beim

Überblick über den Jahres-, Wochen- und

Feiertagsspeiseplan, wie auch in anderen

Bereichen vertieft er sich weiter in Ein-

zelheiten und sammelt auch überblickshaft

gestaltete Rezepte. Diese kommen zumeist

ohne Maßangaben aus und sind nicht als

Koch- und Backanleitung gedacht, sie

geben lediglich einen kleinen Blick in die

heimische Küche wieder. Eine mit Maria

Sartori befreundete Defereggerin lieferte

zu den oben erwähnten Blutnudeln fol-

gende Hintergrundinformation:

„Eine Defregger Spezialität sind die

Blutnudeln. Beim Schlachten des Schwei-

nes oder Schafs im Herbst wird das Blut

gesammelt, durch Zugabe von Weizenmehl

ein Teig gemacht und daraus Nudeln ge-

formt. Diese Nudeln werden ungekocht ge-

trocknet u. so aufbewahrt u. bilden für

lange Zeit eine Abwechslung des sonst

üblichen Speisezettels. Sie werden beim

Verbrauch in Salzwasser weich gekocht

und mit klein geschnittenen Erdäpfeln u.

Zwiebel dann in heißem Fett geröstet.“

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Auch Rosa Ghedina-Perntner war diese

Speise bekannt, bereits 1936 schrieb sie

darüber – etwas zweifelnd über den kuli-

narischen Genuss – in einem Brief an

Oberforcher:

„Hausnudeln.

In Defreggen soll man anläßlich einer

Schlachtung das flüssige Blut statt Wasser

Eine sogenannte Herzlhaue vom ehe-

maligen Schlossmoarhof unterhalb von

Schloss Bruck. Sie wurde zum Ziehen der

Kartoffelfurche bzw. zum Ausheben von

Setzlöchern verwendet.

(Museum Schloss Bruck, Inv.-Nr. 2915)

Foto: Stefan Weis