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OSTTIROLER

NUMMER 5-6/2018

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HEIMATBLÄTTER

im Juli 1936. Hier wird der Wert der Erd-

äpfel für den winterlichen Speiseplan deut-

lich gemacht, gab es doch durch die gute

Haltbarkeit der Frucht im kalten Halbjahr

Tag für Tag abends heiße Kartoffeln:

„Bauernkost in Villgraten.

Am Morgen: Brennsuppe, Milch= oder

Wassermus abgeschmalzen.

Vormittag: meist nichts, Milch und Brot,

wenn im Feld streng gearbeitet wird.

Mittag: gibt es meist Knödel aus Gers-

tenmehl, wird Wurst oder Speck hineinge-

schnitten, und im Sommer Schnittlauch.

Dazu im Winter Rübenkraut, im Sommer

Salat mit Ruebesuppe angemacht.

Abends gibt es meist Polenta, Gerste

grob geschrotet (gerendelt), vermengt mit

Polentamehl, wenn man es hat, und Milch

dazu. Dazwischen gibt es auch [...] Salz

mit Ruebensuppe abgemacht u. salzen u.

heiße Butter darüber gegossen.

Freitag: abgeschmalzte Nudel mit Kas u.

Schnittlauch, oder Schlipfkrapfen mit ge-

waschenem Ruebenkraut gefüllt.

Sonntag: gibt es ebenfalls Knödel, vor-

her Gerstensuppe.

Suppe wird gekocht: im Wasser in wel-

chem die Knödel oder die Krapfen gesot-

ten, wird Zieger oder Schotten eingekocht,

gesalzen u. Brot hineingeschnitten. Früher

kochten die Villgrater aus Hafermehl ein

Hafermus (Rodelmus genannt), auch Po-

lenta von Hafermehl.

Am Kirchtag gibt es Niggelen, Blattlen

u. Hasenörlen.

Zu Weihnachten: Fleischsuppe, geselch-

tes u. frisches Fleisch. Ein ganzes Schaf

wurde geselcht, sogar der Kopf, die Füße

u. Kuttelflechte (die Wampe), dies soll

dann roh gegessen, sehr gut sein. Die

Würste machen sie selbst, die Innereien

werden heute nicht mehr geselcht, sondern

zu den Würsten verwendet, ebenso das

mindere Fleisch. An Festtagen gibt es

heute Reismus mit Weinberlen darauf.

Beim Heuziehen imWinter von den Alm-

hütten gibt man als besonders Gutes: Ge-

richte Kartoffel. Ein Einbrenn mit Zwibel

wird mit Suppe oder Milch angegossen,

blättrig geschnittene Kartoffel hineinge-

geben, verrührt, abgeschmolzen u. Mohn

darauf gestreut.

Saubohnen werden weich gekocht, ab-

geschmalzen, Mohn darauf gegeben und

Zuckerwasser darüber gegossen.

Wasser= oder Milchpfarfel: Gerstemehl

gesalzen wird mit Wasser zu einem Teig ver-

arbeitet mit den Händen abgetrieben, da-

runter gibt man Graupen oder ein bischen

Speck u. kocht in Wasser oder Milch ein.

Milchnudeln, Zettelnudeln genannt, wer-

den aus Gerstenmehl u. wenig Weizenmehl

gemacht, in Milch eingekocht und abge-

schmalzen.

Schutznudeln. Aus Gersten= u. wenig

Roggenmehl in Wasser sieden, seihen, in

kaltes Kühlwasser legen u. abrösten.

Im Herbst werden Bohnen gekocht u. so

mit blossem Salz gegessen.

Im Winter hat man Tag für Tag Abends

heissgesottene Kartoffel in der Montur,

dazu Wasser= oder Milchsuppe.

Krautsuppe: gewaschenes Ruebenkraut

wird in dickem Einbrenn gekocht, ein Kno-

chen mit wenig Fleisch hineingegeben um

den Geschmack zu verbessern.

Bratl gibt es bei den Villgratern nur

wenn sie wildern, aber dies ,bekimt‘ ihnen

gewöhnlich nicht gut.

Die Villgrater sagen: ,Ruebensuppe, Ha-

weremuese und beim Moane liegen, ist die

beste Guetigkeit.‘“

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„Mit der Zubereitung vergeht der

halbe Nachmittag“

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Schon mehrfach erwähnt, aber noch nicht

beschrieben ist eine Speise geblieben, ohne

welche kein Text über Osttiroler Essge-

wohnheiten abgeschlossen werden kann: die

Schlipfkrapfen. Auch heute noch nehmen

Schüler und Studenten am Sonntag bei ihrer

Fahrt in den Studienort gerne ein Sackerl

eingefrorener Leibspeise mit, prahlen Kinder

(und manchmal auch kindlich gebliebene Er-

wachsene), wie viele der köstlichen kleinen

Teigtaschen man beim Essen verdrückt habe,

diskutieren Generationen von Osttirolern, ob

jetzt Topfen oder Sauerrahm dazugehöre

oder man gar etwas Minze dazumische, wie

man es im benachbarten Mölltal kennt. Noch

heute versucht man Kärntnern zu erklären,

dass ihre Kasnudeln aber so gar nichts mit

dem beinahe sakrosankten Schlipfkrapfen zu

tun haben und die Größe ihres Krapfens völ-

lig übertrieben sei. Dem Schlipfkrapfen wird

in Schlaiten einmal im Jahr ein ganzes

Wochenende gewidmet und seine Existenz

gefeiert, private Köchinnen und Köche ver-

dienen sich ein Zubrot mit heimischem Pit-

schen für Geschäfte und Restaurants. Der

Schlipfkrapfen wird exportiert oder, im Exil

Die Kartof-

fel diente

durch ihre

einfache und

schnelle Zu-

bereitung

auch als

Nahrung für

unterwegs

wie z. B. bei

der Holzar-

beit im Gsie-

sertal, um

1960.

(TAP –

Sammlung

Johann

Kahn, Gsies)

Ob Schlipf-

krapfen,

Petersil-

kartoffeln oder

Schupfnudeln,

auch heute

noch findet das

„Arme-Leute-

Essen“ den

Weg auf den

Osttiroler

Mittagstisch.

(Bildarchiv

Museum

Brunnenburg.

Dorf Tirol)

So viele Köche es gibt, so viele Rezepte

und Serviervorschläge findet man. Bei

Julian werden die Schlipfkrapfen mit war-

mer Butter übergossen sowie mit Parme-

san und Schnittlauch bestreut; dazu grüner

Salat und ein Glas Milch. Mahlzeit!

Foto: Stefan Weis