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OSTTIROLER

NUMMER 5-6/2018

3

HEIMATBLÄTTER

schichte, eine Abschrift aus der wissen-

schaftlichen Zeitschrift „Carinthia“ aus

dem Jahr 1905, in seiner Sammlung:

„Einführung der Kartoffeln. – Dr. Johann

von Wolf Vorsteher der Herrschaftsver-

waltung zu Viktring berichtet 1803/1804

an die Regierung u. a.:

Nach Aufhebung des Cisterzienserstiftes

Viktring am 19. Mai 1786 hatten die Brü-

der Christoph und Johann Moro einen Teil

der Räume des ausgedehnten Stiftsgebäu-

des nebst erforderlichen Grundstücken zur

Einrichtung und zum Betriebe einer Tuch-

fabrik in Viktring gepachtet. Sie waren

auch die ersten, wie Dr. Wolf berichtet, die

den Erdäpfelbau dort einführten. Anfangs

bauten sie diese nur für sich und ihre

Leute. Diese aber wollten durchaus keine

Erdäpfel essen, weil sie, wie sie meinten

und wie auch das Bauernvolk es sagte, nur

ein Futter für die Schweine seien. Nun

wurden ihnen keine mehr gegeben, aber

auf die Tafel der Herrn Pächter kamen sie

desungeachtet täglich. Dies erregte Auf-

sehen und bald kamen einige der Leute,

die da baten, man möchte doch auch auf

ihren Tisch dieselben geben. Dies wurde

ihnen anfangs rundweg abgeschlagen mit

dem Bedeuten, diese Speise gehöre nur für

Herren. – Als aber die Bitten täglich drin-

gender wurden, gab man endlich nach.

Nun fanden die Leute auch wirklich Ge-

schmack daran und aßen sie gern. Sie er-

hielten von den Herren Pächtern bald auch

unentgeltlich kleine Ackerstücke, worauf

sie ihre Erdäpfel selbst erbauen konnten.

Da sammelten sie mit der größten Emsig-

keit Dünger, um möglichst reichen Ertrag

zu erzielen. Ihrem Beispiele folgten nun

auch Nachbarn und 1804 gab es bereits

eine Fechsung

14

von 1180 Metzen.“

15

Eine alternative bzw. zusätzliche Ein-

führung der Erdäpfel in Kärnten bietet das-

selbe Blatt, zu finden im Faszikel 25 der

vierten Abteilung zu Materialien der Ge-

schichte Osttirols in der Sammlung Ober-

forcher:

„Die Familie von Thys, die aus Lüttich

stammt und von Kaiserin Maria Theresia

behufs Hebung der Industrie nach Öster-

reich berufen wurde, ließen sie in Kärnten

und Triest nieder und errichteten zu Kla-

genfurt in der Villacher Vorstadt N.1 eine

Tuchfabrik. Sie waren auch die ersten, die

Ende des 18. Jahrhunderts den Kartoffel-

bau, doch mit wenig Erfolg, einführten.

(Adler 1917, Seite 91)“

16

Diese Geschichte wird auch in der

„Landwirthschaflichen Statistik der deut-

schen Bundesstaaten“ von 1841 erwähnt:

„Auch in Tyrol ist der Kartoffelbau im

Großen erst 40 Jahre alt; noch immer pro-

ducirt man viel zu wenig Kartoffeln, obwohl

in neuerer Zeit, besonders im Vorarlbergi-

schen, bedeutend mehr wie früher. 1807

wurden 897.198 Metzen gewonnen. – In

Kärnten und Krain hat auch die Pflege der

Kartoffeln (in Krain Grundbirnen, Grumpir

genannt

17

), die schon zu Anfang der zweiten

Hälfte des 18ten Jahrhunderts von Herrn

von Thys nach Klagenfurt gebracht wurden,

beträchtlich zugenommen. Im Reisnitzer

Thale gedeihen sie sehr gut und geben, 10,

12 bis 14ältigen

[sic!]

Ertrag.“

18

„Tag für Tag Kartoffeln“

19

Die Einfuhr und der Anbau der Erdäpfel

ist eine Sache, deren Verwendung stand

jedoch deutlich stärker im Fokus des Hei-

matforschers. Josef Oberforcher rückte in

seinen Untersuchungen nur selten davon

ab, auf bestehende Quellen zurückzugrei-

fen – im Bereich Ernährung tat er es aber.

Um ergänzend zu den Ernährungsge-

wohnheiten der Bevölkerung des Gerichtes

Lengberg, erhoben 1806 von Anton

Wernspacker, sowie den vereinzelten

Inventarien von Bauern- oder Mairhöfen

Informationen zu erhalten, ergänzte er

seine Abschriften und Exzerpte von Archiv-

materialien mit der Verschriftlichung von

Oral History. Zugetragen wurden ihm die

folgenden Speisepläne und Rezepte der

einfachen Bevölkerung von der bereits ein-

gangs erwähnten Rosa Ghedina-Perntner

aus Matrei sowie Maria Sartori aus Lienz,

welche wiederum auf Bekanntschaften in

den einzelnen Seitentälern zurückgriffen.

Mit diesen in vier Kuverts gesammelten

Zettelchen wurde nicht nur der Stand der

Ernährung der 1930er-Jahre festgehalten,

sondern auch ein Blick in die zumindest

jüngere Vergangenheit geworfen.

Ausgangspunkt dieser kleinen Samm-

lung innerhalb der Sammlung Oberforcher

bildet ein Auszug aus Anton Wernspackers

„Geographie u. Statistik der Herrschaft

Lengberg“ von 1806. Spielen Erdäpfel in

den 1930ern schon eine deutlich stärkere

Rolle, zeichnet die Wiedergabe der Situa-

tion gut 130 Jahre zuvor eine andere Lage.

Die Kartoffel wird im ausführlichen Be-

richt nur am Rande erwähnt, noch etwas

ältere Inventarverzeichnisse von Bauern-

höfen sowie des Pfarrhauses des Gerichtes

im östlichen Lienzer Talboden zeigen, dass

das Nachtschattengewächs in der Ernäh-

rung gar keine Rolle spielte bzw. völlig un-

bekannt war.

„Bauerkost im Ger[icht] Lengberg.

Der Bauer lebt hier sehr einfach, wenigst

viel einfacher als der wohlhabendere Pinz-

gauer. Er muß es auch, denn die Natur lie-

fert ihm selten Überfluss, ja häufig nicht ein-

mal die Notdurft. Seine Speisen die er des

Tages dreimal zu sich nimmt, bestehen am

Morgen oder in der Frühe in einer

Schottsuppe mit schwarzen, doch schmack-

haften Brote, oder statt dessen mit Bohnen

und einem Milchmuße, aus Türken= Rog-

gen= oder Gerstenmehl (auf 4 Personen

rechnet man ein dasiges oder 1 Maßl

salzb. Maß).

Zu Mittag:

Knödl oder statt diesen Milchnocken,

beide aus Gersten= und Haidenmehl und

Kraut oder Milchmusse und Kraut Sterz

oder Plenten aus Türkenmehl mit Milch=

oder Zuspeise. Im Mangel des Krautes

müssen Fisolen oder eine andere Zuspeise

seine Stelle vertreten. Bisweilen vertreten

auch Ofenplatteln, dünne wie Brot geba-

ckene Kuchen aus Brotteig mit Milch oder

ein bischen Schmalz oder mit darauf ge-

streuten Birnenmehl oder Mohn die Stelle

des Mittagmahles.

Auf die Nacht

Ist Kraut und Gerste oder statt letzterer

Milch, Käse oder Brenn= Einbrennmuss,

d. i. ein aus Türken= Roggen= oder Gers-

tenmehl mit Wasser angemachtes und mit

Schmalz oder Speck eingebranntes Muss

die gewöhnliche Nahrung.

Alle Sonn= u. Feierabende

Aber muss auf die Nacht eine Schott-

suppe oder statt dieser gesottene Erdäpfel

mit Salz und sogenannte Schlipfkrapfen –

eine Lieblingsspeise der Bewohner dieser

Gegenden – aufgetischt werden. Diese

Schlipfkrapfen bestehen aus Roggen= und

Haidenmehl, haben die Größe eines star-

ken Talers, sind mit sauren Rüben, Äpfel

oder Birnen, auch Kirschen, die samt den

Kernen gestoßen werden, oder Schotten

und Breu untereinander vermischt, manch-

mal auch mit Bieseln u. etwas Spinat ge-

füllt, im Wasser gesotten und mit etwas

Schmalz abgeschmälzt; sie haben eine

äußerliche, aber auch nur eine äußerliche

Ähnlichkeit mit den sogenannten Revellen.

Erdäpfel-Anbau als Trennstreifen zwischen

zwei Kornfeldern. In der kargen Tiroler

Landschaft wird jeder fruchtbare Fleck

optimal genützt, wie hier im Vinschgau.

(Bildarchiv Gianni Bodini, Schlanders)

Kartoffelblüte der Sorte KLS 22.

(Bildarchiv Kaspar Holaus)