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OSTTIROLER

NUMMER 9/2017

8

HEIMATBLÄTTER

Firma Neuner beschäftigt. In dieser Firma

erfolgte die Verarbeitung der Tierhäute bis

zum hochglänzenden Leder. Das Fertig-

produkt wurde größtenteils zur Schuh-

fabrik Neuner nach Klagenfurt geliefert zur

dortigen Schuhherstellung. Meine Eltern

wohnten ab 1947/48 in einer später abge-

brannten Baracke. Ich kam dort im Jahre

1950 auf die Welt, wie auch meine Ge-

schwister Traudi und Fritzi. Wir bewohnten

die 9er-Baracke. Hier wohnten nur Fami-

lien, deren Väter bei der Firma Neuner

arbeiteten. Es wohnten sechs Familien in

dieser Baracke und jeder war für jeden da.

Es war eine tolle Gemeinschaft. Eine

Nachbarin lernte mir stricken und sticken,

wofür ich ihr heute noch dankbar bin. Wir

hatten einen großen Gemüsegarten,

Blumen, auch Hennen und Hasen. Zu

Weihnachten wurden wir Kinder von der

Firma Neuner großzügig beschenkt, was

für uns ein großes Ereignis war. In der

Schule merkte man aber, dass wir von der

Peggetz kamen, denn man wurde für alles

beschuldigt. Bis zum Jahr 1968 wohnten

wir in dieser Baracke, wo heute die Firma

Bundschuh angesiedelt ist. Danach zog ich

in einen nahen Wohnblock, in das soge-

nannte Ledigenheim. Seit meiner Heirat

wohne ich in der Debant und wenn ich mit

dem Rad unterwegs bin, fahre ich immer

durch die Peggetz, denn ich habe nur nette

und schöne Erinnerungen.“

20

Ehemaliger Barackenbewohner

Gott-

fried Semrajc

(geb. 1925):

„Ich habe mit meiner Gattin mit der Hei-

rat im Jahre 1947 in der 3er-Baracke ein

Jahr lang gewohnt. Wir hatten nur ein Zim-

mer zur Verfügung. Waschraum und Toilet-

ten waren gemeinsam mit den anderen Ba-

rackenbewohnern. Uns gegenüber wohnten

Russen. Die Zwischenwände bestanden nur

aus dünnen Pappendeckelwänden. Wir hat-

ten einen Holzofen zur Verfügung, um uns

vor der Kälte zu schützen. Die Baracke war

mit einfachem Blech gedeckt. Ich weiß,

dass sich die VW-Werke gerne in der Lien-

zer Peggetz niedergelassen hätten, sich

dann aber wegen der Unentschlossenheit

des Gemeinderates für Deutschland ent-

schieden haben. Da die früheren Grund-

besitzer finanziell nicht in der Lage waren,

ihren Grund zu den von der Deutschen

Wehrmacht Fiskus angebotenen Preis von

10 Schilling pro m

2

zurückzukaufen, wurde

ein Großteil des Areals von Herrn Neuner

im Jahre 1947 aufgekauft und darauf eine

Lederverarbeitungsfabrik errichtet. Die

Firma Neuner beschäftigte damals bis zu

1.000 Arbeiter, vor allem Jugoslawen. Ich

kann mich noch gut erinnern an die Eröff-

nung des Kindergartens mit dem Bundes-

präsidenten Theodor Körner. Beschäftigt

war ich bei der Stadtgemeinde Lienz und

danach am Arbeitsamt.“

21

Zeitzeuge

Walter Zimmert

(Faßlwirt,

geb. 1947):

„Mein Vater Wenzel Zimmert (1895-

2001) erlebte beide Weltkriege. Im Zweiten

Weltkrieg war er als Vizeleutnant bei einer

Fliegermannschaft eingeteilt in der Nähe

von Paris. Als er im Feber 1945 heimkam,

kam seine dritte Frau bei einem Bomben-

abwurf in der Hölzl-Villa in der Alleestraße

mit ihrer Tochter ums Leben. Insgesamt

wurden damals sechs Personen getötet. Zu-

nächst arbeitete er als Kellner in Heinrich

Schmid‘s Cafè am Hauptplatz, Ecke Kärnt-

ner Straße. Im Jahre 1968 übernahm er

eine Gastwirtschaft in der 19er-Baracke,

die er zwei Jahre lang führte. In diesem

Jahr kaufte er auch in der Nähe von Herrn

Franz Neumayr ein Grundstück im Ausmaß

von 1.500 m

2

. Dieser Grund war unpro-

duktiv, durchzogen von Bunkern und Grä-

ben. Auf diesem Grund errichtete er mit

dem Geld meiner Mutter, die dafür ihre

zwei LKWs verkaufte, ein Wohnhaus mit

Gastwirtschaft, den „Faßlwirt“. Ich ar-

beitete in dieser Gastwirtschaft mit meinen

Eltern mit und übernahm nach Vaters Tod

im Jahre 2001 diesen Betrieb. Seit meiner

Pensionierung im Jahre 2006 verpachte ich

den „Faßlwirt“. Seit Jahresanfang 2017

führt das Ehepaar Rotschopf sehr erfolg-

reich diesen Betrieb mit bis zu 90 Abo-

Essen zu Mittag mit Gästen aus den be-

nachbarten Betrieben und freuen sich auch

über Abendgäste.“

22

Der Dank des Autors geht an die Mit-

autoren Anni Gruber, Magdalena Star-

man mit ihrer Tochter Johanna Krona-

wetter, Herrn Franz Edlinger und an alle

Zeitzeugen, die er wieder befragen durfte

und die ihm in mehreren Gesprächen in-

teressante Details aus dieser Zeit erzähl-

ten, sowie an den Leiter des TAP Herrn

Dr. Martin Kofler mit seinen Mitarbeite-

rinnen für die fachliche Beratung und

Digitalisierung der Fotos.

Fotos auf den Seiten 2 (3), 4 (1), 5 (2)

und 6 (1) zur Verfügung gestellt von Frau

Johanna Kronawetter; Fotoquelle Rafae-

lova družba, Ljubljana, Slovenija).

Anmerkungen:

1

Vorwort von Wilfried B

EIMROHR

in: Roland S

ILA

(Hg.),

Kriegsende in Lienz. Das Wintertagebuch der Ila Egger-

Lienz 1944-1945, Innsbruck 2016, S. 21f.

2

Ingenieur Fritz Todt wurde 1933 Generalinspektor für

das deutsche Straßenwesen, leitete den Bau der Reichs-

autobahnen und des Westwalls und gründete die Orga-

nisation Todt. Er kam am 8. Feber 1942 bei einem Flug-

zeugabsturz ums Leben.

3

Gespräch mit Herrn Franz Edlinger in seinem Haus in

der Peggetz, 14. Jänner 2014. – Herr Edlinger, der in

dankenswerter Weise das Zustandekommen dieser Ar-

beit voll unterstützt hat, wuchs in Anras auf, übersiedelte

1939 mit seinen Eltern 1939 nach Völkermarkt, musste

zum Arbeitsdienst einrücken und ließ sich nach dem

Krieg in Lienz nieder. Ab 1950 arbeitete er in der Post-

garage. Im Jahr 1956 kaufte er von Frau Maria Erlacher

verh. Kozubowski 4.140 m

2

Grund inklusive der B24

(frühere Badbaracke), die er zu einem Wohnhaus um-

baute. Seit seiner Pensionierung 1987 befasst er sich mit

der Geschichte der Peggetz.

4

Telefonat mit Herrn Heinrich Karré am 7. Oktober 2016.

5

Gespräch mit Frau Anni Gruber am 14. Jänner 2014 in

ihrer Wohnung.

6

Die Engländer beriefen sich dabei auf das sogenannte

Jalta-Abkommen vom Feber 1945, das die Briten den

Sowjets gegenüber zur Auslieferung der Kosaken ver-

pflichtete.

7

Gespräch mit Herrn Franz Edlinger am 20. Jänner 2016

in seinem Eigenheim.

8

Auszug aus einem Interview von Martina Holzer mit

Herrn Michael Rainer, veröffentlicht im Osttiroler

Boten, 60. Jg., 2005, Nr. 27 (7. Juli), S. 36f.

9

Auszug aus einem Interview von Martina Holzer mit

Frau Sonja Walder, publiziert im Osttiroler Boten, 60.

Jg., 2005, Nr. 26 (30. Juni), S. 38f.

10

Diese interessante Schilderung wurde dem Autor dan-

kenswerterweise von Frau Johanna Kronawetter, Toch-

ter von Frau Magdalena Starman, am 9. Juli 2017 ge-

mailt.

11

Brodars Tagebuch, ein Skriptum in slowenischer Sprache,

wurde von Frau Johanna Kronawetter ausschließlich für

diesen Beitrag übersetzt und demAutor am 5. Juni 2017

gemailt. Dafür gebührt ihr ein herzlicher Dank!

12

Mitgeteilt von Herrn Franz Edlinger beim Gespräch am

27. März 2017 in seinem Eigenheim.

13

Gespräch mit Herrn Dipl.-Ing. Walter Frey am 4. Juli

2017 beim Autor.

14

Siehe OHBl 9-10/2016, S. 4f.

15

Gespräche mit Herrn Dipl.-Ing. Hans Mayr am 30. Juni

und 17. Juli 2017 beim Autor.

16

Gespräch mit Frau Erika Pätzold am 7. Juli 2017 in ihrer

Wohnung.

17

Mitteilung von Herrn Karl Petutschnigg mit E-Mail vom

23. Juli 2017.

18

Gespräche mit den Schwestern am 10. und 17. Juli 2017

beim Autor.

19

Gespräch mit Herrn Anton Pranter am 10. und 29. März

2017 in seiner Barackenwohnung.

20

Gespräch mit Frau Gertrude Salcher am 8. April 2017 in

ihrer Wohnung.

21

Telefonate mit Herrn Gottfried Semrajc am 3. und 21.

Juli 2017.

22

Gespräche mit Herrn Walter Zimmert am 27. Juni und

18. Juli 2017 beim Autor.

Flugaufnahme von Herrn Richard Edlinger vom Paragleiter aus; August 2000.

IMPRESSUM DER OHBL.:

Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren

verantwortlich.

Anschrift des Autors dieser Nummer: Dipl.-

Ing. Siegfried Papsch, Bründlangerweg 2,

A-9900 Lienz; E-Mail:

s.papsch@gmx.at

Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-

ter“ sind einzusenden an die Redaktion des

„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,

A-6176 Völs, Albertistraße 2 a; E-Mail:

meinrad.pizzinini@chello.at