OSTTIROLER
NUMMER 9/2017
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HEIMATBLÄTTER
wurde die Stadtgemeinde Lienz mit der
Verwaltung dieses Lagers betraut.
Im Originalzustand befindet sich heute
nur mehr eine Baracke, die B16 zur Gänze
und von der B12 steht nur mehr die nord-
seitige Hälfte. In diesen Baracken wohnen
Familien und alleinstehende Männer.
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Das Lienzer Sozialamt betrachtet diese
Baracken als vorübergehende Lösung für
die Wohnprobleme einzelner Bürger und
hofft, diese in Zukunft in günstigen Ge-
meindewohnungen unterzubringen.
Jedenfalls wurde aus der Peggetz, in den
1940er-Jahren ein armseliger Vorort von
Lienz, der von vielen Bürgern gemieden
wurde, ein beachtlicher Industrievorort
von Lienz mit heute 98 Betrieben mit
eigenem Bahnanschluss.
Zeitzeuge Baumeister
Dipl.-Ing. Walter
Frey
(geb. 1940):
„Mein Vater Dipl.-Ing. Walter Frey starb
mit 56 Jahren im April 1964. Neun Monate
vorher hatte ich gerade mein Bauinge-
nieurstudium an der Technischen Hoch-
schule in Wien abgeschlossen. Ich über-
nahm seine Baufirma, die er im Jahr 1939
gegründet hatte. Auf dem damaligen
Standort, einem schmalen Pachtgrund-
stück der Stadtgemeinde Lienz an der
Tristacher Straße, befanden sich eine
Bürobaracke und ein kleines Lagerge-
bäude. Es gab keine Erweiterungsmög-
lichkeit und eine über den schienenglei-
chen Bahnübergang erschwerte Zufahrt.
Die Schranken wurden noch von Hand be-
dient. Vor allem der intensive Bahnver-
schub verursachte lange Wartezeiten. Der
damalige Stadtamtsleiter Fridolin Zanon
erkannte vorausschauend die Situation
und machte mir im Jahr 1966 den Vor-
schlag, in die Peggetz zu übersiedeln. Sei-
tens der Stadtgemeinde wurde ein 4.000
m
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großes Grundstück um Schilling 35,00
pro m
2
in der Aguntstraße zum Kauf ange-
boten. Vor 50 Jahren galt die Peggetz als
eher abgelegene und wenig attraktive Ge-
gend. Die Entfernung zum Stadtzentrum
war groß, und zahlreiche Baracken aus der
Kriegszeit prägten die Szene. Bei genauer
Betrachtung zeigten sich aber durchaus
Vorteile. Kurz entschlossen griff ich zu,
und bereits im drauffolgenden Jahr wurde
der neue Bauhof mit Büro und Lagerhalle
bezogen. Die Entscheidung erwies sich als
vollkommen richtig und bald konnten wir
uns nicht mehr vorstellen, wie wir mit den
beengten Verhältnissen an der Tristacher
Straße zurechtgekommen wären.
Das Erscheinungsbild der Peggetz än-
derte sich. Nach und nach verschwanden
die Baracken. Viele wurden ein Raub der
Flammen, teils wegen der leicht brennba-
ren Konstruktion, teils durch Unachtsam-
keit der Bewohner. Auch andere Gewerbe-
und Industriefirmen siedelten sich hier an.
Der in den folgenden Jahren steigende
Platzbedarf meiner sich allmählich ver-
größernden Baufirma konnte durch Zukauf
von Nachbargrundstücken gedeckt werden.
Eine zusätzliche Lagerhalle wurde im Jahr
1987 errichtet.
Der Generationswechsel in der Ge-
schäftsführung (Betriebsübergabe an
meine beiden Söhne) brachte neuen
Schwung. Im Jahr 2007 wurden die in die
Jahre gekommenen Firmengebäude grund-
legend saniert und den geänderten be-
trieblichen Anforderungen angepasst,
gleichzeitig erheblich erweitert. Mit dem
Ankauf angrenzender Liegenschaften
scheint man – zumindest was den Platzbe-
darf anlangt – für künftige Entwicklungen
gerüstet zu sein.
“
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Zeitzeuge und Barackenbewohner Bau-
meister
Dipl.-Ing. Hans Mayr
(geb. 1926):
„Ich kam im November 1949 als Baulei-
ter nach Lienz und wohnte zunächst ge-
meinsam mit dem Straßenmeister Siegfried
Rainer in der Schlossgasse Nr. 10. Ich ar-
beitete in der Hochbauabteilung des Bau-
bezirksamtes Lienz unter Dipl.-Ing. Hans
Buchrainer in der Baracke an der Dolo-
mitenstraße.
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Im Jahre 1955 wechselte
Dipl.-Ing. Buchrainer zum Architekturbüro
Gruber und Furtschegger und ich ein Jahr
lang zur Baufirma Gustav Hotter in Imst. Im
Jahre 1956 übersiedelte ich wieder nach
Lienz, wohnte zunächst beim späteren Bür-
germeister Hubert Huber, heiratete und
gründete meine Baufirma. Im Jahre 1957
erhielten wir durch ein Inserat im Osttiroler
Boten eine einfache Wohnung in der Peggetz
in der 4er-Baracke. Der Tischlermeister
Marko besaß diese Baracke, hatte hier seine
Werkstätte und auch seine Wohnung und
vermietete mir in der Barackenmitte eine
Zweizimmerwohnung mit Mietvorauszah-
lung für drei Jahre. Hier kamen auch unsere
Töchter Susanna (geb. 1958) und Regina
(geb. 1959) zur Welt. Im Jahre 1958 bot ich
dem damaligen Grundbesitzer, dem Finanz-
ministerium, S 15,00/m
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für einen landwirt-
schaftlich genutzten Grund nördlich der
Bürgeraustraße im Ausmaß von 2.000 m
2
.
Dies wurde von diesem auch akzeptiert, so
dass ich dort mein Wohnhaus und ein Be-
triebsgebäude errichten konnte. 1960 über-
siedelten wir in unseren Neubau in die Bür-
geraustraße 27. Hier kamen auch unsere
Tochter Gertrud (geb. 1963) zur Welt und
unser Sohn Hans (geb. 1964). In späteren
Jahren kaufte der Malermeister Lindsberger
die 4er-Baracke von Herrn Marko, trug
diese Baracke ab und errichtete dort sein
Wohnhaus mit Betriebsgebäude.
Ich führte bis Mitte der 1980er-Jahre
etliche Bauvorhaben in Osttirol durch, kurz
vor der Pension noch die Kanalisations-
und Straßenbauarbeiten in der Agunt- und
Peggetzstraße. In der Pension führte ich
noch statische Berechnungen und Baulei-
tungen durch (Hotel Jesacher in St. Jakob
in Defereggen und im Hotel Taurerwirt in
Kals).“
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Zeitzeugin
Erika Pätzold
(geb. 1940):
„Ich wohnte mit meinen Eltern in der
Peggetz in den ehemaligen Unteroffiziers-
häusern Auenweg 12. Südlich davon, im
Haus Auenweg 14 war im Erdgeschoß in
einem früheren Wohnzimmer ein Lebens-
mittelgeschäft, das in späteren Jahren in
den Neubau Auenweg 8 übersiedelte. Ich
habe zwölf Jahre lang in diesem Geschäft
bedient und auch die Kassa übernommen.
Mein Vater war der allseits bekannte Zieh-
harmonikalehrer Erich Pätzold, der zahl-
reichen Osttirolern dieses Instrument
spielen lehrte. Ich kann mich noch gut
erinnern wie ich öfters zum englischen
Wachtposten am Neuner-Areal ging und
von diesem stets Schokolade und Kekse ge-
schenkt bekam. Die Engländer hatten ihre
Küche im Wohnzimmer des Hauses Auen-
weg 10, mit einer Überdachung zum Haus
Auenweg 12, wo sich auch die Kantine be-
fand. Ich bekam dort auch heimlich Essen
und Getränke. Mein Vater hat bei den Eng-
ländern bei feierlichen Anlässen (Weih-
nachtsfeiern) Klavier gespielt mit dem
Herrn Leibetseder an der Gitarre, Herrn
Müller und Kopeinig auf der Geige. Mein
Vater hat sogar sein geliebtes Klavier für
einige Zeit an die Engländer auf deren Bit-
ten verliehen. Ich kann mich auch noch gut
an die Darbietungen der Schottenkapelle
mit ihren Dudelsäcken im Hof der Franz-
Josef-Kaserne erinnern. Ich erlebte die
Tragödie der Kosaken mit, sah den Zug,
der zwischen Lienz und der Peggetz stehen
blieb, hörte das Gebet der Kosaken, ihre
Schreie bei der Verladung in die Viehwag-
gons und das Anrücken der Panzer zur
Verstärkung für den Abtransport.
Im Jahre 1971 übersiedelte ich mit mei-
nem Sohn nach Salzburg, der an der HTL
Elektrotechnik studierte. Im Jahre 2005
kam ich wieder zurück nach Lienz und be-
schäftige mich seit dieser Zeit mit der Ge-
schichte der Kosaken.“
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Frau Pätzold ist die gute Seele der Ko-
saken, betreut den Friedhof und iniziierte
auch den Bau der Kosakenkapelle und die
Errichtung des Kosakenmuseums auf dem
Lienzer Hauptplatz.
Karl Petutschnigg
(geb. 1938) über sei-
nen Vater Karl:
„Mein Vater Karl Petutschnigg (1912 bis
2005) erlernte in den Jahren 1926 bis 1929
Abbau des Lagers um das Jahr 1948.