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OSTTIROLER

NUMMER 9/2017

5

HEIMATBLÄTTER

Anfangs waren wir etwa 6.000 im Lager,

heute sind wir noch etwa 3.000. Viele kehr-

ten wieder heim, besonders die Oberkrai-

ner, und noch immer gehen jede Woche

einige heim, weil sich die Verhältnisse

etwas entspannt haben. … Mir und meiner

Frau ist aber die Rückkehr nicht möglich,

weil ich ein kirchentreuer antikommunis-

tisch orientierter Politiker war, deshalb

würden sie mich nicht in Ruhe lassen. Ich

muss wohl noch warten, dass sich das Re-

gime in Jugoslawien ändert oder zumin-

dest beruhigt.

Neben dem Lager sind große Lager-

hallen des Heeres. Einige wurden schon zu

Werkstätten umgebaut, in ihnen arbeiten

die Lagerbewohner der verschiedensten

Fachrichtungen und Gewerbe, zum Bei-

spiel Tischler, Schuster, Schmiede, Schlos-

ser, Schneider, Nagelschmiede, Näherin-

nen, Puppenmacher (Spielzeug), Klöppler

und Spitzenfertiger, Stricker, Fassbinder

für Schaffeln und Kübel, Korbflechter,

mechanische Werkstätten und Seifenküche,

... in ihnen sind an die 500 Personen

beschäftigt. Viele sind auch bei anderen

Tätigkeiten im Lager, reinigen die Wege,

reparieren die Dächer, kümmern sich um

Strom und Wasser, transportieren das Holz

aus dem Wald ins Lager, beim Sägen und

Spalten des Holzes, beim Transport zu den

Küchen, beim Transport der Lebensmittel,

beim Abtransport des Mülls usw. Es stehen

etwa 30 Fahrzeuge zur Verfügung.

Andere sind in Büros beschäftigt, Pro-

fessoren, Lehrer und Lehrerinnen in der

Schule, Priester in der Kirche und in der

Schule. Die schulpflichtigen Kinder sind

mehr als 300. Es arbeiten also 1.500 Per-

sonen im Lager, etwa 500 gehen zur Arbeit

außerhalb des Lagers. Der Rest ist ar-

beitsunfähig, meistens Mütter mit Kindern

und ältere Leute.

Wie ist das Leben im Lager allgemein?

Wie in einer Stadt, wo es viel Industrie

gibt, Schulen und Gewerbebetriebe. Man

arbeitet nach der Uhr, also 7 Stunden pro

Tag. Die Arbeiter und Arbeiterinnen

gehen pünktlich in die Werkstätten und

verlassen sie ebenso pünktlich. Ebenso

gibt es morgens, mittags und abends re-

gelmäßig ein Essen. Im Lager haben wir

einen großen Garten mit Gemüse, dreiein-

halb Hektar groß. Neben dem Lager sind

noch gute sechs Hektar Felder. Auch bei

der Feld- und Gartenarbeit sind ständige

Arbeitsplätze.

Die Werkstätten kamen erst diesen Som-

mer unter meiner Leitung ins Laufen. Frü-

her arbeiteten sie für den Bedarf im Lager

und das ohne Bezahlung; die Arbeiter be-

kamen lediglich zusätzliches Essen. Jetzt

arbeiten die Werkstätten auch für den Ver-

kauf außerhalb des Lagers, und jetzt be-

kommen die Arbeiter und Arbeiterinnen

auch einen Lohn, und zwar 50 bis 400

Schilling pro Monat, je nach der Art der

Arbeit. …

Ganz allgemein kann ich sagen, dass wir

ein angenehmes Leben haben. Die UNRRA

[United Nations Relief and Rehabilitation

Administration = Hilfe zur Wiederherstel-

lung]

versorgt uns mit kostenlosem Essen,

mit Kleidung, Schuhen, Zigaretten, Streich-

hölzern, Möbel und anderem.

Am 25. Oktober kam der Auftrag der

englischen Kommandantur, daß wir das

Lager bis 1. Dezember 1946 räumen müs-

sen. Die Slowenen, Kroaten und Serben

sollen ins Lager Spittal umgesiedelt wer-

den, die Russen kommen ins Lager St.

Martin bei Villach, die Volksdeutschen

nach Treffling bei Spittal. Wir sind derzeit

1.890 Slowenen, 122 Kroaten, 64 Serben

und etwa 400 Russen.

Am 13. November 1946 sind wirklich

alle Slowenen, 1.894 an der Zahl, vom

Lager Peggetz bei Lienz nach Spittal über-

siedelt, wo schon bis jetzt etwa gleich viel

Slowenen waren wie in Peggetz, sodass wir

jetzt in Spittal etwa 4.000 sind. In einer

Baracke war auch die jugoslawische kom-

munistische Vertretung mit drei Offizieren.

Sie kamen, um die Leute zur Rückkehr zu

bewegen, aber auch, um Informationen für

ihre geheimen Ziele zu sammeln. Auch ich

wurde zu einem Gespräch eingeladen, wei-

tere Gespräche lehnte ich ab, da ich an

meiner Einstellung nichts ändern werde.

Ich betone, dass ich den Kommunismus

weniger wegen seiner Ideologie ablehne,

aber ich ertrage nicht ihre schrecklichen

Verbrechen an den anständigen, unschul-

digen Leuten und ihrem Vermögen.

Argentinien war bereit, 10.000 Slowenen

aus den Lagern in Kärnten und Italien auf-

zunehmen. Dorthin wanderten die meisten

Flüchtlinge aus. Wir fanden Bürgen in

Cleveland und verließen im Juni 1949 mit

55 anderen Slowenen das Lager Spittal.

Nach den Untersuchungen im Lager St.

Martin bei Villach kamen wir über Salz-

burg nach Bremen.“

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Nach einigen Arbeitsjahren kehrte das

Ehepaar Brodar nach Spittal zurück, um

seinen Ruhestand nahe der Heimat zu ge-

nießen. Sie liegen am Spittaler Friedhof

begraben.

Nachnutzung der Baracken in der

Peggetz (1947 – heute)

Die Nachnutzung des Barackengeländes

erfolgte sehr rasch. Die ehemaligen

Grundbesitzer kehrten zurück und stellten

Anträge auf Restitution. Manche mussten

sogar ihre Gründe zurückkaufen, obwohl

sie dafür nie ein Geld bekommen hatten.

Im Jahr 1947 wurden die fünf großen

Hallen von der Bezirkshauptmannschaft

Lienz an die Lederfabrik Neuner, die

Österreichische Post für die Kraftpost, die

Unterwäschefabrik Plihal (verkaufte die

Halle 1958 an die TIWAG) und die Kfz-

Werkstätte Thum vergeben. Diese Firmen

legten das wirtschaftliche Fundament für

die Peggetz. In den alten Werkshallen der

Lederfabrik Neuner befindet sich heute

Osttirols größter Gewerbepark.

Von den Holzbaracken wurden viele

nach dem Auszug der slowenischen

Flüchtlinge abgerissen, da sie mitten in

den Feldern standen bzw. neuen Betrieben

weichen mussten. Auch brannten zwischen

1951 und 1981 sieben Baracken ab (B2,

B3, B5, B9, B13, B14 und B15). Als Er-

satz für die abgebrannten Baracken wur-

den in den 1960er-Jahren von der Stadt-

gemeinde Lienz zwei gemauerte Wohn-

baracken nördlich des Kosakenfriedhofes

errichtet, die heute noch bewohnt sind. Die

Holzbaracken wurden von der Stadtge-

meinde Lienz an mittellose Personen, De-

logierte, Wohnungssuchende und Firmen

(u. a. Großtischlerei Forcher, Bundschuh

Reisen, Firmen Benedikt, Schindel und

Holz, Petutschnig, Frey, Streit) vergeben.

Auch zogen dort Personen von den Bara-

cken am Grafenanger ein, die teilweise

durch den Neubau des Bundesrealgymna-

siums abgetragen wurden. Das Baracken-

lager war aber immer noch bis zum Staats-

vertrag 1955 Deutsches Eigentum, und es

Übersiedlung ins Lager Spittal, Verladung des Mobilars und Be-

förderung der Flüchtlinge im Bereich der derzeitigen Peggetz-

Bahnhaltestelle im November 1946.

Sammeln für die Fronleichnamsprozession im Mai 1946, vorne die

Knaben und Mädchen, rechts warten die Pfadfinder, links die

Männer und im Hintergrund die Frauen.