OSTTIROLER
NUMMER 9/2017
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HEIMATBLÄTTER
– behielten die britischen Offiziere für
sich. Den Kosaken wurde ihr Geld abge-
nommen und dieses ging als Beutegut an
die britische Besatzung in Lienz über, die
dieses nach Klagenfurt ablieferte.
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Zwei Kosakenkinder, die diese Tragödie
überlebten und heute noch in Osttirol
leben, konnten bemerkenswerte Berichte
beisteuern:
Michael Rainer
, geb. 1940 in Odessa/
Ukraine, hat sich seit 1943 mit seinen
Eltern auf der Flucht befunden. Seine
Mutter starb am Plöckenpass, sein Vater
wurde am 2. Juni von den Briten im Peg-
getz-Lager bei der Auslieferung erschos-
sen. Der kleine Bub kam am gleichen Tag
mit Hilfe einer Osttiroler Bäuerin zu einer
Familie nach Tristach, wo er bleiben
konnte. Er ging dort in die Volksschule und
in die Landwirtschaftliche Schule, mit
17 Jahren als Melker in die Schweiz und
war nachher durch 40 Jahre bis zu seiner
Pensionierung in einem Pharmakonzern in
Deutschland tätig. Er kehrte dann mit
seiner Gattin nach Osttirol zurück und
kaufte in Stribach ein Eigenheim. Ihre drei
Kinder blieben in Deutschland.
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Sonja Walder
, geb. 1943, wurde von
ihrer Mutter vor der Deportation an eine
Frau übergeben, kam auf diese Weise nach
Kartitsch zu einer Ziehmutter, heiratete mit
22 Jahren den Nachbarsohn, hat drei
Söhne und lebt heute noch mit ihrer
Familie in Kartitsch.
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Am Kosakenfriedhof in der Peggetz lie-
gen, auf 28 Gräbern verteilt, etwa 300
Opfer. Aufgrund der Initiative von Frau
Erika Pätzold und Herrn Univ.-Prof. Dr.
Harald Stadler wurde östlich des Kosaken-
friedhofes im Frühjahr 2016 von ukraini-
schen Arbeitern eine orthodoxe Kapelle
als Gedenkort und Mahnmal zugleich er-
richtet. Im Herbst 2016 richtete man im
1. Stock des Gebäudes Hauptplatz Nr. 3 ein
aufschlussreiches Kosakenmuseum ein.
Die Slowenen in der Peggetz
(29. Juni 1945 – 13. November 1946)
Magdalena Starman
, geb. Šimenc (geb.
1937 bei Ljubljana):
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ent-
schieden ihre Großeltern, bei denen Mag-
dalena aufwuchs, dem Ansturm der kom-
munistischen Revolution auszuweichen
und gelangten über Viktring in das Lager
Peggetz, wo man einige Zeit bis zur Über-
siedlung in das Barackenlager Spittal ver-
brachte. Frau Starman erinnert sich:
„In den vier Kriegsjahren litten wir
besonders unter den bürgerkriegsähnlichen
Zuständen: Tito-Partisanen holten sich
Kleidung und Nahrung und rekrutierten
wehrfähige Männer, die nicht zur Wehr-
macht eingezogen worden waren. Wer sich
zu widersetzen wagte, wurde liquidiert.
So flohen zu Kriegsende lange Kolonnen
von Antikommunisten, Priestern und Gläu-
bigen, Bürgern und Bauern, allein oder mit
ihren Familien, Richtung Italien und Kärn-
ten, zu Fuß über die Passstraßen und be-
sonders durch den gerade durchgebroche-
nen Loibltunnel, meist nur mit einem Ruck-
sack am Rücken. Meine Großeltern hatten
ein Ochsengespann mit Lebensmitteln be-
laden; unterwegs trafen wir auch meinen
Vater, der mit dem Fahrrad unterwegs war.
Vor Klagenfurt lenkten die Briten den
Flüchtlingsstrom auf das freie Viktringer
Feld, wo sich an die 25.000 Flüchtlinge
vom Balkan ansammelten. Viele bauten sich
Hütten aus Ästen und Planen, wir hatten
zumindest unseren Wagen. Nach zwei Wo-
chen versprachen die Briten den Slowenen
den Weitertransport, doch die LKWs fuhren
Ende Mai innerhalb von fünf Tagen mit
etwa 12.000 jungen Männern und Familien
direkt zu den Zügen Richtung Jugoslawien
und damit in KZs und zur Hinrichtung in
Bergwerksstollen und Höhlen des Karstes.
Die in Viktring verbliebenen 6.000 Slowe-
nen wurden zu Peter und Paul auf vier ehe-
malige Lager verteilt.
Der Güterzug – Viehwaggons – blieb
einfach vor Lienz auf offener Strecke ste-
hen, so dass wir direkt auf die Peggetzer
Baracken zugehen konnten, in denen zu
diesem Zeitpunkt etliche Osteuropäer, spe-
ziell Kosaken, wohnten. Nun kamen zu-
sätzlich an die 2.400 Slowenen, in erster
Linie aus der Oberkrain, aber auch das ge-
samte achtklassige Gymnasium, das Prof.
Marko Bajuk schon Mitte Mai in Viktring
auf die Beine gestellt hatte. … Unter den
Flüchtlingen fand er genügend Professo-
ren, die alle Fächer abdecken konnten.
[Anmerkung des Autors: Somit gab es in
Lienz zu dieser Zeit zwei Gymnasien.]
Viele Jugendliche hatten wegen Wehrdienst
oder abgebrannter Schulen den Unterricht
abgebrochen. Jetzt gab es ganztägigen Un-
terricht, und nach der 1. Matura am 6. Sep-
tember 1945 konnten die Absolventen so-
fort auf die Uni in Graz wechseln. Ebenso
hochkarätig besetzt waren die Lehrerpos-
ten an der Volksschule und in zahlreichen
berufsbildenden Kursen. Bildung war das
Einzige, was sie uns in dieser Situation
weitergeben konnten.
In unserer Baracke Nr. 28 waren über 100
Flüchtlinge, alle aus der Pfarre Moravce,
man kannte sich von zu Hause und war teil-
weise verwandt. Das erleichterte das Zu-
sammenleben, weil wir zwei bis drei Fami-
lien, also etwa 15 Personen, in einem Raum
schliefen. Wir hatten nur Pritschen in zwei
Etagen und jeder eine Decke. Gleich wurde
Farnkraut in der Umgebung gesammelt,
damit wir weicher liegen konnten. Im
Herbst sammelten wir Türkenfedern für die
Liegestatt.
Doch das größte Problem war der Hun-
ger, meist bekamen wir nur 1 kg Brot für
20 Personen, in der Schule bekamen wir
ab und zu englische Kekse. Die Mahlzeiten
aus der Gemeinschaftsküche waren regel-
mäßig, aber spartanisch. Noch hatten wir
Vorräte aus der Heimat, die auf selbstge-
bauten Feuerstellen im Freien gekocht
wurden. Es war Sommer und Herbst, die
Flüchtlinge ersetzten bei den umliegenden
Bauern die (noch) nicht heimgekehrten
Männer und Söhne und die inzwischen
heimgekehrten Zwangsarbeiter; als Lohn
bekamen sie Lebensmittel, die die Kost im
Lager aufbesserten.
Das viele Holz zum Kochen und Heizen
wurde auf genaue Anweisung der Briten in
den umliegenden Wäldern geschlägert, in
erster Linie sammelten wir aber viel Brenn-
holz selbst. Einige verstanden sich auch auf
das Köhlern, so wurde die Holzkohle für die
Schmiede im Lager selbst erzeugt.
Wir Kinder waren immer unter Aufsicht,
erstmals hatte ich auch gleichaltrige Spiel-
kameraden. Die Schulbaracke Nr. 17 stand
in der heutigen Aguntstraße. Ich wurde erst
hier eingeschult und lernte schreiben und
lesen. Eine der Lehrerinnen war Frau Ma-
rija Ziherl, sie heiratete später den Schul-
inspektor Valentin Inzko in Suetschach. In
nur sieben Wochen wurden wir auf die Erst-
kommunion vorbereitet (19. August 1945).
Die Schneiderinnen hatten für uns 53 Erst-
kommunionkinder einheitliche Blusen und
Röcke bzw. Hemden und Hosen genäht.
Jeder hatte seine Aufgabe im Lager:
Meine Großeltern und Tanten waren als
Tagelöhner unterwegs oder sammelten
Brennholz, Pilze und Beeren. Mein Vater
und meine Tante besuchten den Kranken-
pflegekurs und versahen ihren Dienst auf
der Krankenstation. Mehrere Ärzte be-
treuten die Kranken im Lager (Baracke 4)
Kosakenfriedhof in der Peggetz mit Kapelle.
Foto: Erika Pätzold
Im Kosakenmuseum Kosake Dr. Georg
Kobro mit Frau Erika Pätzold.
Foto: Roland Birschl
(Sammlung Erika Pätzold)
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