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skizzierte kurz der frühere Pfarrer Herwig

Sturm:

„Erst mit dem Bau der Eisenbahn

durch das Drautal im Jahre 1870 kamen

wieder Evangelische nach Lienz, vor-

nehmlich aus Kärnten. 1913 wurde eine

Predigtstelle gegründet, die von Gries bei

Bozen aus versorgt wurde. Die Gemeinde

zählte damals 50 bis 60 Mitglieder und

hielt ihre Gottesdienste in einem Gastlokal

ab. Nach der Abtrennung Südtirols von

Österreich im Jahre 1918 wurde Lienz von

Spittal an der Drau aus versorgt.

Durch das Anwachsen der Stadt und viele

Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg hat

sich die evangelische Gemeinde vergrößert.

1947 erhielt sie mit Robert Johne ihren ers-

ten ‚eigenen‘ Pfarrer. Im selben Jahr wurde

eine Barackenkirche aufgestellt. … 1954

wurde Lienz Tochtergemeinde von Spittal,

1957 selbständige Pfarrgemeinde.“

2

1960 erfolgte die Grundsteinlegung

und 1962 die Einweihung der „Martin-Lu-

ther-Kirche“ in Lienz.

Das Einzugsgebiet der „Evangelischen

Pfarrgemeinde A. B.

3

Lienz“ umfasst ganz

Osttirol, das Mölltal von Heiligenblut bis

hinunter nach Stall und das Drautal bis vor

Kleblach-Lind. Hier leben ca. 1.000

Evangelische; das entspricht etwa 1 % der

Bevölkerung. Wir sprechen von einer

„Diaspora-Situation“.

Gottesdienste feiern wir 14-tägig und an

den Feiertagen in Lienz, jeweils einmal im

Monat im Kultursaal in Steinfeld, im

Altersheim Steinfeld, im Sitzungssaal in

Greifenburg, in Dellach/Drau im Mehr-

zweckraum im Volksschulgebäude und in

der Kapelle des Altersheimes in Winklern.

Um dem Schlagwort der Reformation

„Sola scriptura“ gerecht zu werden, ist es

mir wichtig, dass es zahlreiche Bibel-/Ge-

sprächskreise gibt: Zwei Gruppen in

Lienz, jeweils eine in Außervillgraten,

Steinfeld, Heiligenblut, Döllach. Alle

diese Angebote sind offen für alle Interes-

sierten, nicht nur für Evangelische.

Manchmal sind mehr Katholiken anwe-

send als Evangelische.

Es gibt kaum Evangelische, deren Fa-

milien schon seit mehreren Generationen

in Osttirol leben. Die meisten sind einer

dieser Gruppen zuzuordnen:

– Nachkommen von Kriegsflüchtlingen,

– Frauen (meist aus Kärnten), die einen

Osttiroler geheiratet haben,

– Menschen aus anderen Teilen Öster-

reichs oder aus dem Ausland (meist

Deutschland), die hier ihren Beruf aus-

üben können,

– Urlauber, die hier „hängengeblieben“

sind,

– Menschen, denen es hier so gut gefällt,

dass sie einen Ort in Osttirol als ihren

„Alterssitz“ gewählt haben.

Für manche von ihnen wird unsere

Pfarrgemeinde zu einer Art Heimat. Eltern,

die in konfessionsverbindenden Ehen

(früher sagte man meist „Mischehen“)

leben, haben oft die Sorge, ihre Kinder

könnten Außenseiter sein, wenn sie nicht

katholisch getauft werden.

Es ist uns wichtig, dass jedes evangeli-

sche Kind auch einen evangelischen Reli-

gionsunterricht bekommt. Dieser Unter-

richt erfolgt in Kleinstgruppen, manchmal

auch im Einzelunterricht, was bei entspre-

chendem Interesse des Schülers eine ex-

zellente Bildung ermöglicht.

Ein wichtiges Element in unserer Kirche

ist die „Urlauber-Seelsorge“. Sie wird

durchgeführt von Pfarrern oder Pfarrerin-

nen, die meist aus Deutschland (immer

wieder aber auch aus Österreich) kommen

und im Idealfall für einen ganzen Monat in

Lienz bleiben. Für diese Seelsorger ist

diese Zeit halb Urlaub und halb Dienst.

Dadurch wird es möglich, dass wir im

Sommer zusätzliche Gottesdienste anbie-

ten: in Matrei, Heiligenblut und St. Jakob

i. D. Dadurch bekommen Urlauber, die

diese Gottesdienste besuchen, die Mög-

lichkeit mit Evangelischen hier in Kontakt

zu kommen und etwas zu erfahren über

unsere besondere kirchliche Situation. Für

unsere Gemeindemitglieder ist es die

Chance, auch einmal einen anderen Pfarrer

oder auch Pfarrerin zu erleben und nicht

nur immer den eigenen Seelsorger.

Die Pfarrer in Lienz:

Robert Johne:

1947 bis 1966

Herwig Sturm

(später Superintendent

für die Superintendenz Kärnten/Osttirol,

dann Bischof der Evangelischen Kirche

A. B. in Österreich): 1967 bis 1980

Dieter Arnold:

1980 bis 1986

Hans Hecht:

seit 1986

Anmerkungen:

1

Erwin M

ADRUTTER

, Die Deferegger Protestanten,

Diplomarbeit, Wien 2002, S. 70; siehe auch Alois D

IS

-

SERTORI

, Die Auswanderung der Deferegger Protestanten

1666-1725 (Schlern-Schriften 235), 3. Aufl., Innsbruck

2008.

2

Herwig S

TURM

, Die evangelische Kirche in Kärnten einst

und heute, hrsg. von der Superintendentur Kärnten, Kla-

genfurt 1981, S. 152-154. – Siehe weiters: Herwig

S

TURM

, Die evangelische Pfarrgemeinde Lienz, in: Evan-

gelisch in Tirol. Festschrift zur 100-Jahr-Feier der evan-

gelischen Pfarrgemeinden Innsbruck und Meran, Inns-

bruck 1975, S. 60-62.

3

„A. B.“ ist die Abkürzung für „Augsburger Bekenntnis“ im

Gegensatz zu „evangel. H. B.“, was „Helvetisches Be-

kenntnis“ bedeutet. Erstere werden auch als „evangelisch

lutherisch“ bezeichnet, letztere als „evangelisch reformiert“.

OSTTIROLER

NUMMER 5-6/2017

8

HEIMATBLÄTTER

Martin-

Luther-

Kirche

in Lienz,

geplant

von DI

Alois

Unter-

stegga-

ber, ein-

geweiht

am

15. Juli

1962.

Foto:

Hans

Hecht

Gottesdienst mit Pfarrer Hans Hecht in der evangelischen Kirche in Lienz, Ostern 2017.

(Fotosammlung ev. Pfarre A. B. Lienz)

IMPRESSUM DER OHBL.:

Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren

verantwortlich.

Anschrift der Autoren dieser Nummer:

HR Dr. Wilfried Beimrohr, Direktor des Tiroler

Landesarchivs a. D., Korngasse 8, A-6063

Rum; E-Mail:

w.beimrohr@gmail.com

– Pfarrer

Dipl.-Ing. Mag. Hans Hecht, Amlacher Straße

14, A-9900 Lienz; E-Mail: ev.pfarramt.lienz@

aon.at

Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-

ter“ sind einzusenden an die Redaktion des

„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,

A-6176 Völs, Albertistraße 2 a; E-Mail:

meinrad.pizzinini@chello.at