OSTTIROLER
NUMMER 5-6/2017
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HEIMATBLÄTTER
Damit ist Luther im Urteil des Kaisers
Karl V. eindeutig zum Ketzer geworden.
Martin Luther muss von der Bildfläche
verschwinden.
Die Bibelübersetzung
Auf der Wartburg über der Stadt Eisen-
ach in Thüringen beginnt Martin Luther
sein Übersetzungswerk der Bibel, nicht
ausgehend von der Vulgata, der verbreite-
ten lateinischen Bibel, sondern ausgehend
vom Urtext (im Neuen Testament grie-
chisch, im Alten Testament hebräisch). In
„Ein Sendbrief vom Dolmetschen“
von
1530 legt Luther Leitlinien für seine Über-
setzung dar:
„
[…]
man muss die Mutter im
Hause, die Kinder auf der Gasse, den ein-
fachen Mann auf dem Markt danach fra-
gen, und denselben auf das Maul sehen,
wie sie reden, und danach übersetzen, so
verstehen sie es denn, und merken, dass
man deutsch mit ihnen redet.“
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Luther heiratet 1525
Aus der Bibel ist zu entnehmen, dass der
Zölibat nicht gerechtfertigt ist:
„Ein Bi-
schof aber soll untadelig sein, Mann einer
einzigen Frau
[…]“
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Luther, der ehemalige Mönch, heiratet
eine frühere Nonne. Klostergelübde sind
nichtig, wenn sie unter falschen Voraus-
setzungen abgelegt werden, nämlich in der
irrigen Meinung, sich damit den Himmel
verdienen zu können.
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Die 4 „Allein“ und die
Heilsgewissheit
Das zentrale Anliegen der Reformation
kann auf den Punkt gebracht werden mit
den vier „Allein“:
1.
Solus Christus
– allein Christus, nicht
die Heiligen vermitteln uns das Heil Gottes.
2.
Sola gratia
– allein die Gnade Gottes
ist das Tor zum Himmel, nicht die religiö-
sen Leistungen des frommen Menschen.
3.
Sola fide
– allein durch den Glauben er-
greift der Christ sein Heil. Der Glaube ver-
wandelt den Menschen in einen guten Baum,
der nicht gezwungenermaßen gute Früchte
bringt, sondern weil es seine Natur ist.
4.
Sola scriptura
– allein die heilige
Schrift ist die Grundlage für die Lehre der
Kirche und für den Glauben.
Manchmal kommt noch ein 5. „Allein“
dazu:
Soli Deo Gloria
– Allein Gott die
Ehre!
Heilsgewissheit bedeutet, dass der
Mensch nicht leidet unter der Ungewiss-
heit, ob er in den Himmel kommt, sondern
er ist dessen gewiss, weil es letztlich nicht
auf sein Tun ankommt, das nie genügen
kann, sondern auf Christus, auf den sich
der Glaube verlässt.
Das allgemeine Priestertum
: „Was aus
der Taufe gekrochen ist, das kann sich rüh-
men, schon zum Priester, Bischof und Papst
geweiht zu sein, obwohl es nicht einem
jedem ziemt, solch Amt zu üben.
[…]
Wir
sind allesamt Priester, so viele wir Christen
sind.“
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Dies hebt den himmelhohen Un-
terschied zwischen Klerus und Laien auf,
hat in weiterer Folge die Tür dafür geöff-
net, dass Frauen Pfarrerinnen und Bischö-
finnen sein können und ermöglicht demo-
kratische Strukturen in der Kirche.
Von Luther lernen wir, dass der Christ
einzig seinem Gewissen verpflichtet ist,
dem Gewissen, das durch die Bibel ge-
prägt ist. Das schafft mündige Christen.
In der Kirche stehen Gottes Gebote
höher als Menschengebote. Wenn wir
Menschengebote einhalten, z. B. Fasten-
gebote, dann um der Liebe willen, aber
nicht, weil sie zum Heil notwendig wären.
Der Gottesdienst
Dabei handelt es sich nicht um ein
Messopfer, das Menschen Gott darbringen,
sondern umgekehrt: Gott beschenkt uns.
Großes Gewicht hat die Predigt, die
Auslegung der Bibel und der Zuspruch des
Wortes Gottes an die Hörer.
Beim Hl. Abendmahl wird nicht nur das
Brot ausgeteilt, sondern auch der Kelch
gereicht, entsprechend dem Wort Jesu:
„Trinket alle daraus“
.
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Wichtig ist die Musik. Statt lateinischer
Messgesänge, von Mönchen gesungen, Lie-
der mit deutschen Texten, von der Gemeinde
gesungen. Dazu hat Luther selber Lieder ge-
dichtet und entweder bekannte Melodien
verwendet oder selber Melodien komponiert
für ein erstes kleines Gesangsbuch.
Heute ist den Evangelischen wichtig,
dass Luther nicht als unfehlbar angesehen
wird.
Ein wichtiges Prinzip ist „ecclesia sem-
per reformanda“ – d. h., die Kirche muss
immer reformiert werden, wo sich Miss-
bräuche einstellen.
Im Jubiläumsjahr muss Martin Luther
für vieles herhalten: für Luther-Bier und
Luther-Nudeln und als Gewährsmann für
manch sonderbare Ansichten.
Bei all dem darf sein zentrales Anliegen
nicht in den Hintergrund geraten: Wie
kann ich vor Gott bestehen? Die Antwort
darauf, die Rechtfertigungslehre ist blei-
bend wichtig.
Über diese Rechtfertigungslehre ist es zu
einer Übereinstimmung zwischen der
Lutherischen und der Römisch katholi-
schen Kirche gekommen. Die
„Gemeinsame
Erklärung zur Rechtfertigungslehre“
wurde am 31. Oktober 1999 in Augsburg
unterzeichnet vom Lutherischen Weltbund
und vom „Päpstlichen Rat zur Förderung
der Einheit der Christen“. Dort heißt es (15):
„Gemeinsam bekennen wir: Allein aus
Gnade im Glauben an die Heilstat Christi,
nicht aufgrund unseres Verdienstes, wer-
den wir von Gott angenommen
[…]
“
Anmerkungen:
1
Römer 3, 23f, 28 nach der gebräuchlichen Luther-Revi-
sion von 2017.
2
Heinrich F
AUSEL
, D. Martin Luther. Leben und Werk
1483 bis 1521, 3. Aufl. der Taschenbuchausgabe, Stuttgart
1977, S. 57.
3
Die 95 Thesen sind zitiert nach
https://evang.at/glaube-leben/die-95-thesen/ (10.04.2017).
4
Wie Anm. 2, S. 198.
5
Luther Deutsch hrsg. von Kurt A
LAND
, Bd. 5, 2. Aufl.,
Stuttgart 1963, S. 85.
6
1. Timotheus 3, 2.
7
Vgl. Augsburger Bekenntnis, Artikel 27.
8
Luther-Lexikon, hrsg. von Kurt A
LAND
, Göttingen 1974,
S. 265.
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Matthäus 26, 27.
Blick auf die Wartburg in Thüringen, auf die Kurfürst Friedrich der Weise Martin Luther
in Sicherheit brachte. Dort widmete er sich der Übersetzung des Neuen Testaments in die
deutsche Sprache.
Foto: Marco Uschmann, Evangelischer Presseverband
Tor der Schlosskirche von Wittenberg, auf
deren Türflügeln die 95 Thesen Martin
Luthers in Bronzeguss zu lesen sind.
(Fotosammlung Meinrad Pizzinini)