Reformation bedeutet Erneuerung der
Kirche. Wenn wir im Jahr 2017 „500 Jahre
Reformation“ feiern, dann denken wir an
Martin Luthers 95 Thesen aus dem Jahr
1517. Wir dürfen dabei aber nicht über-
sehen, dass es in der Kirche auch davor und
danach immer wieder Reformen gegeben
hat. Es sei nur erinnert an Jan Hus, Huldrych
Zwingli, das Zweite Vatikanische Konzil.
Martin Luther (1483-1546)
Martin Luther war Mönch im strengen
Orden der Augustiner Eremiten in Erfurt
im heutigen Freistaat Thüringen. Sein gan-
zes Streben war es, sein Leben so zu füh-
ren, wie es vor Gott in Ordnung ist. Sein
Bild von Gott war das eines strengen Rich-
ters, vor dessen Gericht er, Luther, als sün-
diger Mensch nicht bestehen kann.
Luthers Entdeckung
Beim Lesen der Bibel bekam Luther
eine neue Sicht geschenkt. Dort steht:
„Sie
sind allesamt Sünder
[…]
und werden
ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade
durch die Erlösung, die durch Christus
Jesus geschehen ist.
[…]
Der Mensch wird
gerecht ohne des Gesetzes Werke, allein
durch den Glauben.“
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Als Sünder, die wir alle sind, können wir
vor Gott bestehen nicht aufgrund irgend-
welcher frommen religiösen Leistungen.
Die Annahme durch Gott ist sein Geschenk.
Dass Gott einen Menschen annimmt, ist der
Erlösung durch Jesus Christus zu verdan-
ken. Der Mensch ist aufgerufen, dieses
Geschenk Gottes im Glauben anzunehmen.
Wir nennen das die Rechtfertigungs-
lehre. Über diese Entdeckung schreibt
Luther:
„Hier fühlte ich mich völlig neu-
geboren und als wäre ich durch die geöff-
neten Pforten des Paradieses eingetreten.“
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Die 95 Thesen von 1517
Der Verkauf von Ablassbriefen war zur
Zeit Luthers eine Geldquelle für Rom
geworden. Als Priester war Luther auch
Beichthörer. Dabei merkte er, dass der Ab-
lass vielfach als Freibrief zu jeder Sünde
aufgefasst wurde. Luther verfasste 95 The-
sen in lateinischer Sprache als Grundlage
für eine Disputation. Die 95 Thesen bein-
halten kein Reformationsprogramm und
wollen den Ablass nicht abschaffen. Es geht
um ein gottesfürchtiges Leben in Nächs-
tenliebe. Einen Missbrauch des Ablasses
sieht Luther dann, wenn man davon eine
falsche Sicherheit ableitet:
„27. Men-
schenlehre verkündigen die, die sagen, dass
die Seele [aus dem Fegefeuer] emporfliege,
sobald das Geld im Kasten klingt.“
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Die Ablasspredigt darf die Predigt des
Wortes Gottes nicht in den Hintergrund
drängen (54), denn das Evangelium von
der Herrlichkeit und Gnade Gottes ist der
wahre Schatz der Kirche (62).
Luthers Kritik gilt aber auch dem Geld-
geschäft, das aus demAblass geworden ist.
„28. Gewiss, sobald das Geld im Kasten
klingt, können Gewinn und Habgier wach-
sen
[…]
“
Der entscheidende Satz, der das Ablass-
geschäft zum Erliegen bringt, ist wohl
These 36:
„Jeder Christ, der wirklich be-
reut, hat Anspruch auf völligen Erlass von
Strafe und Schuld, auch ohne Ablassbrief.“
Zu der von Luther beabsichtigten Dis-
putation kam es nicht, aber die Thesen
wurden zu seiner Bestürzung deutsch ge-
druckt und in Windeseile überall verbreitet.
Reichstag in Worms, 1521
Es kommt zum Streit mit Rom und zur
Aufforderung, Luther soll seine Schriften
widerrufen. Seine Antwort:
„
[…]
Werde ich nicht durch Zeugnisse
der Schrift oder durch klare Vernunft-
gründe überwunden – denn ich glaube
weder dem Papst noch den Konzilien allein,
da es am Tage ist, dass sie des öfteren
geirrt und sich selbst widersprochen
haben –, so bleibe ich überwunden durch
die von mir angeführten Stellen der Schrift
und mein Gewissen gefangen durch Gottes
Wort. Widerrufen kann und will ich
nichts, denn es ist weder sicher noch heil-
sam, gegen das Gewissen zu handeln. Gott
helfe mir, Amen.“
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NUMMER 5-6/2017
85. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Titelseite des von Martin Luther in die
deutsche Sprache übertragenen Alten und
Neuen Testaments, Erstausgabe, gedruckt
von Hans Luft in Wittenberg, 1534.
(Fotosammlung ev. Pfarre A. B. Lienz)
Hans Hecht
500 Jahre Reformation 1517-2017
Porträt Martin Luther, Kupferstich, 1520.
(Fotosammlung ev. Pfarre A. B. Lienz)