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OSTTIROLER

NUMMER 1-2/2017

6

HEIMATBLÄTTER

Am 1. Feber 1917 verstarb der akade-

mische Bildhauer und „Nationalsänger“

Jakob Gliber in Ainet in seinem Elternhaus

beim „Kircher“, einem bereits im Jahr

1385 nachgewiesenen stattlichen Anwesen

unterhalb der Kirche, wo er 1825 zur Welt

gekommen war.

Sein Wirken als Bildhauer und Sänger

sowie sein bemerkenswerter Lebensweg

insgesamt wurden mehrfach beschrieben.

1

Zahlreiche interessante Details sind in den

von ihm selbst niedergeschriebenen „Le-

benserinnerungen“

2

festgehalten, die 43

Seiten umfassen und sich im Nachlass des

Künstlers befinden.

Das künstlerische Schaffen Jakob Gli-

bers, das sich auf Wien und Stift Admont

in der Steiermark konzentriert, ist sehr gut

erfasst. Wenn auch mit Presseberichten

über seine Entstehung belegt, ist aber eines

seiner Werke in unseren Breiten nie

beachtet worden und soll deshalb hier

herausgegriffen werden. – Es darf für die

Jahre vor 1900, als von „ökumenischem

Geist“, der Verständigung der christlichen

Kirchen, noch lange keine Rede war, fast

als Kuriosität gelten, wenn ein katholi-

scher Künstler in Tirol den Auftrag zu

einem Altarkreuz für eine evangelische

Kirche in Mitteldeutschland erhielt. Ge-

rade im „Luther-Jahr“ 2017 ein interes-

santer Aspekt.

Bereits zwei Jahre wieder in seiner

engeren Heimat, wurde 1894 an Gliber der

Wunsch herangetragen, ein Kruzifix in

Holz für die Kirche in Neutz in Sachsen-

Anhalt zu schaffen. Darüber berichtet

Jakob Gliber aus dem an ihn gerichteten

Schreiben wörtlich, jedoch grammatika-

lisch und orthographisch nicht ganz kor-

rekt und teils in indirekter Redewieder-

gabe, in seinen Lebenserinnerungen:

3

„Im 94. Jahr erhilt ich ein Schreiben aus

Neutz in Sachsen von / einer Dame, sie

möchte einen Christus am Kreuz einen /

Meter groß in Holzton, nicht bemahlen so

wie ihre / Arbeiten in Admont. Ich habe

200 für den Christus und für / das Kreuz

mit einem Sokel, und Kisten samt Verpa-

cken / 40 Gulden, zusammen 240 fl.“

Gliber vermerkte in seinen Aufzeichnun-

gen, dass bereits nach acht Tagen die Ant-

wort auf seinen Brief gekommen und die

Frau mit dem Preis einverstanden gewesen

sei. Sie habe bereits 20 Gulden als Anzah-

lung geschickt und sich ausbedungen, dass

das Kreuz in sechs Monaten fertig sein

müsse, da ein großes Fest abgehalten werde,

bei dem das Kruzifix bereits aufgestellt sein

müsse. Er habe ihr den Erhalt des Geldes

bestätigt und versichert,

„die Statue“

in

sechs Monaten gewiss zu liefern.

Es drängt sich die Frage auf, wie es zum

Auftrag an einen Tiroler Künstler kommen

konnte. – Am 8. Dezember 1891 war

Marie, Frau des Pastors Hermann Hun-

dertmark in Neutz, im Alter von nur 32

Jahren gestorben, nachdem ihr schon zwei

ihrer vier Kinder im Tod vorausgegangen

waren. Ihre Tante, Agnes Köppner aus

Brünn im österreichischen Mähren, Tauf-

patin des 1880 im Alter von nur wenigen

Monaten verstorbenen Sohnes Hermann,

stiftete zum Andenken an die früh Ver-

storbene das bei Jakob Gliber schriftlich in

Klaus Lukasser

Ein Tiroler Christus in Deutschland

Zum Altarkreuz von Jakob Gliber in der evangelischen Kirche zu Neutz in Sachsen-Anhalt

Ausschnitt aus den handschriftlichen „Lebenserinnerungen“ Jakob Glibers, in denen er den Auftrag für ein Kruzifix für die Kirche in

Neutz in Deutschland im Jahr 1894 festhielt.

(Nachlass Jakob Gliber, Ainet) Rep.: Klaus Lukasser

Heutige Außenansicht der Kirche von Neutz im evangelischen Pfarrsprengel Wettin (l.). – Ortskern von Neutz, um 1900, mit der Schule im

Vordergrund, die bis 1964 in Betrieb war; dahinter das Kantorhaus, das Wohnhaus des Lehrers. Das Haus mit Krüppelwalmdach ist das

Pfarrhaus, in dem Pastor Hundertmark mit Familie wohnte; weiter hinten die Pfarrscheune. Pfarrhaus und Pfarrscheune werden heute von

der Kirchengemeinde als Wohnhaus verpachtet.

Foto links: Evangelischer Pfarrsprengel Wettin; Foto rechts: Ansichtskarte in der Sammlung Klaus Lukasser