OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2017
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HEIMATBLÄTTER
Der Weg in die Fremde:
Studienzeit in München und die
ersten Jahre in Wien
Im Mai 1853 sagte Jakob Gliber seiner
Familie Lebewohl. Seine Eltern weinten,
und seine Geschwister wünschten ihm
Glück. Der Vater mutmaßte: „Wir sehn uns
nimmer!“
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So berichtet Jakob selbst kurz
und bündig von seiner Reise:
„Im Mai 1853 habe ich die Fußreise un-
ternommen. / Am ersten Tag von Ainet bis
untern Tauern, / den zweiten bis Mitter-
sel
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, den dritten bis Kitzbühl, / den vierten
über Kopfstein
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in die Thiersee, den / fünf-
ten über die Bäckeralpe
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nach Schliersee,
und / den sechstentag nach München.“
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Ein gewisser Herr Kleinlercher gab ihm
die Adresse des in München ansässigen
Brunecker Bildhauers Josef Gröbmer.
Dessen Frau bemühte sich sogleich darum,
ein billiges Quartier für den angehenden
Studenten zu finden. Auch eine Zeichen-
schule fand Gliber mithilfe von Gröbmer
sehr bald.
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Nach einiger Zeit bot ihm der Professor
Unterricht in der Bildhauerei an, denn
ein Kunsttischler sei
„nur ein halber
Mensch“
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. Also übte Jakob fleißig das
Modellieren und trat zur Aufnahmeprü-
fung an. Obwohl er sich als weitaus
schlechtester Prüfling beschreibt, gelang es
ihm, in die Bildhauerklasse aufgenommen
zu werden.
Am 29. Oktober 1853 wurde Jakob Gli-
ber im Matrikelbuch der Akademie der bil-
denden Künste in München als Studieren-
der mit der Nummer 1110 in der Bildhau-
erklasse vermerkt.
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Nach nur einem Jahr zog es Jakob Gli-
ber schließlich nach Wien. Er hatte gehört,
dass man dort aufgrund der vielen Bau-
maßnahmen als Bildhauer bereits neben
dem Studium gute Arbeit in einer der vie-
len Bildhauerwerkstätten finden könnte.
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In der Bildhauerklasse auf der Wiener
Akademie fand er sich von Beginn an sehr
gut zurecht und bekam imAugust 1854 ein
sehr gutes Zeugnis.
Im Jahre 1856 kam sein Bruder Gabriel
nach Wien, um zu studieren und später
Lehrer zu werden. Nach einiger Zeit, als
Gabriel endlich in die Lehrerbildungsan-
stalt aufgenommen wurde, kam auch die
Schwester der beiden nach Wien. Anasta-
sia wollte Kleidermacherin werden und
führte für ihre Brüder den Haushalt.
Meist musste Jakob in den Werkstätten
die Aufträge seiner Lehrmeister ausführen.
Als er dann aber durch Vermittlung von
Professor Kupelwieser, Lehrer an der Aka-
demie
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, den Auftrag zum Schnitzen einer
Madonna bekam, fand auch diese seine
eigenständige Arbeit Anerkennung und
brachte ihm weitere Aufträge.
Durch diese zusätzlichen Verdienste und
die Einnahmen, die die Schwester durch
das Schneidern hatte, konnten sich die drei
Geschwister bald eine größere Wohnung in
der Heugasse 133
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leisten. In diese zogen
auch zwei
„Zimerhern“
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ein, mit denen
die beiden Brüder Gliber ein Männerge-
sangsquartett bildeten.
Damit feierten die vier ansehnliche Er-
folge, und Jakob schreibt, dass ihm für
seine Jodler kein Saal zu groß gewesen sei.
Er besuchte auch drei Jahre hindurch eine
Gesangsschule, und er schreibt, dass er
erst dort richtig gelernt habe, was Singen
eigentlich bedeute.
Im Jahre 1861 trat Gliber dann auch dem
Wiener Sängerbund bei, bei dem er 14
Jahre aktives und bis zu seinem Lebens-
ende
„auswertiges Mitglid“
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war. Im
Jahre 1860 kam der Bildhauer Josef Gas-
ser nach einemAuftrag im Dom zu Speyer
wieder nach Wien zurück. Gasser stammte
ja auch aus Osttirol, nämlich aus Prägra-
ten, und vermutlich hat Jakob Gliber nicht
zuletzt deshalb auch die Verbindung zu
dem angesehenen Mann gesucht. Gasser
nahm ihn als Gehilfe auf. Gliber schreibt:
„[…]
und da / habe ich ihn ersucht er
möge mich nehmen als / Gehülfe er
[hat]
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mirs nicht abgeschlagen hat mich sehr /
freundlich behandelt und auch gut ge-
zahlt.
“
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Erste Aufträge als
eigenständiger Künstler und der
erste Aufenthalt in Admont
So verging wieder einige Zeit. Die nächs-
ten vier Jahre scheinen relativ ereignislos
gewesen zu sein, denn Jakob setzt seine
Aufzeichnungen erst mit dem Jahre 1864
fort. In diesem Jahr packte ihn das Verlan-
gen, eine Studienreise nach Italien zu ma-
chen. So schnitzte er eine Madonnenstatue
aus Birnbaumholz und schickte diese ins
Unterrichtsministerium mit der Bitte um
ein Reisestipendium. Doch anstelle eines
solchen bekam er den ehrenvollen Auftrag,
eine Blasius-Statue in Stein für das Stift
Admont, das nach einer verheerenden
Brandkatastrophe im Jahre 1865 wieder
aufgebaut wurde, anzufertigen. Voll Freude
machte er sich ans Werk.
Als er hörte, dass auch noch ein Kreuz-
altar mit einigen Statuen geplant sei, be-
warb er sich ebenfalls um diesen Auftrag.
Im Frühjahr 1867 übersiedelte Jakob
Gliber nach Admont in die Steiermark.
Dort musste er schnell erfahren, dass er
nicht bei jedermann beliebt war. Gliber be-
richtet, Baumeister Wilhelm Bücher, der
für die Arbeiten am Stift verantwortlich
war, habe die Aufträge eigentlich einem
anderen Bildhauer zuschanzen wollen.
Außer von seinen Bildhauerarbeiten be-
richtet Jakob Gliber auch von einem regen
musikalischen Leben in Admont.
Als die Aufträge im Stift ausgeführt
waren, musste Jakob Gliber schweren Her-
zens wieder die Heimreise nach Wien an-
treten. Er hatte sich in Admont trotz der
Reibereien mit dem Baumeister sehr
wohl gefühlt und dort viele gute Freunde
gefunden. Vom recht rührseligen Ab-
schied, bei dem wiederum viel gesungen
wurde, schreibt er:
„[…]
am Abend haben die Bürger einen
Abschied zusammengestellt / der recht
herzlich war, und da haben wir im Keller
unsere / Lieblingslieder gesungen, und es
war so gemütlich daß mir fast Leid / war,
von so liebe Freunde scheiden zu müs-
sen
“.
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Durch die Aufträge in Admont hatte sich
Jakob eine recht ansehnliche Barschaft von
900 Gulden zusammengespart. Mit diesem
Kapital konnte er nun seinen großen
Traum, Italien, verwirklichen.
Studienreise nach Italien
Die ersten Stationen des Bildhauers auf
seiner im Dezember 1869 angetretenen
Reise waren Triest und Venedig. Von dort
aus ging es über Padua nach Florenz, dann
weiter nach Rom. Dort blieb er ca. ein hal-
bes Jahr. Eifrig studierte er die Kunstwerke
der Stadt. Er besuchte Neapel und Pompei.
Zu den Osterfeierlichkeiten, die er aus-
führlich beschreibt, war er wieder in der
Ewigen Stadt.
Im September 1870 erlebte er die eintä-
gige Belagerung Roms durch italienische
Truppen und die anschließende Integration
der Stadt in das seit 1861 bestehende Kö-
nigreich Italien. Bis Mitte November blieb
Gliber noch in Rom und trat dann wieder
seine Reise nordwärts an. Über Perugia,
Florenz, Pisa, Bologna und Venedig
kehrte er gegen Jahresende nach Wien zu-
rück.
Der alte, im Jahr 1385 erstmals urkundlich erwähnte „Kircher“-Hof in Ainet.
Foto: Innsbruck, Tiroler Landesarchiv