SCHICKSAL
PUSTERTALER VOLLTREFFER
MAI/JUNI 2016
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war „und so gar nicht hübsch.“
Doch sie kam dann für ihr Alter
sehr früh in die Pubertät und ent-
wickelte sich zu einem beson-
ders hübschen Mädchen.
Parkplatz
Die Fahrten mit dem Vater
über die Grenze machte sie
aber weiterhin gerne mit. Als
sie wieder einmal – während
der Vater seine Geschäfte erle-
digte – die Gegend erkundigte,
lernte sie auf einem Parkplatz
einen italienischen Lkw-Fahrer
kennen. „Er war um die 20
Jahre alt, groß, muskulös und
außergewöhnlich hübsch. Ich
war von ihm sehr beeindruckt.
Er lud mich in seinen Lkw ein.
Ich war damals zwölf Jahre alt.
Mein junges Alter kannte man
mir aber nicht an.“ Als Sonja
kurze Zeit später wieder aus
dem Lkw ausstieg, war sie völ-
lig verstört und den Tränen
nahe. „Der Lkw-Fahrer war
einfach über mich hergefallen.
Ich hatte keine Chance.“ Wäh-
rend sich der Fahrer schnell aus
dem Staub machte, blieb Sonja
noch eine halbe Stunde wie
versteinert auf dem Parkplatz
stehen, ehe sie wieder halbwegs
klar denken konnte. Nach zwei
Stunden saß sie wieder imAuto
des Vaters und beschloss, kei-
ner Menschenseele von ihrer
Vergewaltigung zu erzählen.
„Ich hatte mich furchtbar dafür
geschämt.“ Und die Lire, die
der Lkw-Fahrer ihr nach seiner
Tat in ihre Jackentasche ge-
steckt hatte, traute sie sich nicht
anzusehen.
„Viel Geld“
Erst daheim, als sie alleine im
Zimmer saß, das sie sich mit
ihrer Schwester teilte, holte sie
das Geld aus der Tasche. „Ich
staunte nicht schlecht. Das war
für mich zu jener Zeit viel Geld.
Der Job als Prostituierte begann Sonja innerlich zu zerstören.
Ängste und Panikattacken machten es ihr dann auch immer schwe-
rer ihre Wohnung zu verlassen.
Sonja ist heute über 50. Sie
hat keine Kinder aber einen Le-
benspartner und einen kleinen
Hund, den sie liebt wie ein
Kind. Sonja ist eine zierliche
Frau, hübsch und dunkelhaarig.
Ihr Geld verdient sie als Alten-
pflegerin in Innsbruck. „Der
Job ist nicht ganz leicht, aber
ich mag ihn“, erklärt Sonja, die
mit ihrem Partner Franz in
einer kleinen Wohnung etwas
außerhalb der Landeshaupt-
stadt lebt. „Zu meiner alten
Heimat habe ich nur mehr
wenig Kontakt. Wahrschein-
lich, weil ich dort keine Ver-
wandten mehr habe“, meint
Sonja, die mit mehreren Ge-
schwistern auf einem Bauern-
hof groß wurde. „Das Auf-
wachsen war recht schön“, er-
innert sie sich zurück. Die
Eltern sind mittlerweile ver-
storben, ihre Geschwister schon
lange aus Osttirol fort.
„Ich war sehr
abenteuerlustig“
Sonja erinnert sich auch
daran, dass sie mit Abstand das
„wildeste“ der Geschwister war.
„Meine Mutter hatte alle Hände
voll damit zu tun, mich zu bän-
digen. Ich war zudem sehr
abenteuerlustig, wollte immer
etwas erleben, brauchte immer
einen Kick.“ Deshalb kämpfte
sie auch stets darum, mit dem
Vater, sobald er wieder einmal
für Geschäfte über die Grenze
musste, mitfahren zu dürfen.
„Während sich mein Vater dann
mit anderen Leuten traf, streunte
ich mit Vorliebe in der Gegend
herum“, lacht Sonja, die damals
noch ein recht burschikoser Typ
Sonja H. ist heute Altenpflegerin in Innsbruck.
Sonja H. verbrachte ihre Kindheit in einem Osttiroler Ort nahe der Staats-
grenze Arnbach-Winnebach. Die Grenznähe verschaffte ihr die „Gelegen-
heit“ zur Prostitution, die sie schon als Minderjährige ausübte und die in
einen Selbstmordversuch gipfelte.
Als Minderjährige rutsc