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SCHICKSAL

PUSTERTALER VOLLTREFFER

MAI/JUNI 2016

24

war „und so gar nicht hübsch.“

Doch sie kam dann für ihr Alter

sehr früh in die Pubertät und ent-

wickelte sich zu einem beson-

ders hübschen Mädchen.

Parkplatz

Die Fahrten mit dem Vater

über die Grenze machte sie

aber weiterhin gerne mit. Als

sie wieder einmal – während

der Vater seine Geschäfte erle-

digte – die Gegend erkundigte,

lernte sie auf einem Parkplatz

einen italienischen Lkw-Fahrer

kennen. „Er war um die 20

Jahre alt, groß, muskulös und

außergewöhnlich hübsch. Ich

war von ihm sehr beeindruckt.

Er lud mich in seinen Lkw ein.

Ich war damals zwölf Jahre alt.

Mein junges Alter kannte man

mir aber nicht an.“ Als Sonja

kurze Zeit später wieder aus

dem Lkw ausstieg, war sie völ-

lig verstört und den Tränen

nahe. „Der Lkw-Fahrer war

einfach über mich hergefallen.

Ich hatte keine Chance.“ Wäh-

rend sich der Fahrer schnell aus

dem Staub machte, blieb Sonja

noch eine halbe Stunde wie

versteinert auf dem Parkplatz

stehen, ehe sie wieder halbwegs

klar denken konnte. Nach zwei

Stunden saß sie wieder imAuto

des Vaters und beschloss, kei-

ner Menschenseele von ihrer

Vergewaltigung zu erzählen.

„Ich hatte mich furchtbar dafür

geschämt.“ Und die Lire, die

der Lkw-Fahrer ihr nach seiner

Tat in ihre Jackentasche ge-

steckt hatte, traute sie sich nicht

anzusehen.

„Viel Geld“

Erst daheim, als sie alleine im

Zimmer saß, das sie sich mit

ihrer Schwester teilte, holte sie

das Geld aus der Tasche. „Ich

staunte nicht schlecht. Das war

für mich zu jener Zeit viel Geld.

Der Job als Prostituierte begann Sonja innerlich zu zerstören.

Ängste und Panikattacken machten es ihr dann auch immer schwe-

rer ihre Wohnung zu verlassen.

Sonja ist heute über 50. Sie

hat keine Kinder aber einen Le-

benspartner und einen kleinen

Hund, den sie liebt wie ein

Kind. Sonja ist eine zierliche

Frau, hübsch und dunkelhaarig.

Ihr Geld verdient sie als Alten-

pflegerin in Innsbruck. „Der

Job ist nicht ganz leicht, aber

ich mag ihn“, erklärt Sonja, die

mit ihrem Partner Franz in

einer kleinen Wohnung etwas

außerhalb der Landeshaupt-

stadt lebt. „Zu meiner alten

Heimat habe ich nur mehr

wenig Kontakt. Wahrschein-

lich, weil ich dort keine Ver-

wandten mehr habe“, meint

Sonja, die mit mehreren Ge-

schwistern auf einem Bauern-

hof groß wurde. „Das Auf-

wachsen war recht schön“, er-

innert sie sich zurück. Die

Eltern sind mittlerweile ver-

storben, ihre Geschwister schon

lange aus Osttirol fort.

„Ich war sehr

abenteuerlustig“

Sonja erinnert sich auch

daran, dass sie mit Abstand das

„wildeste“ der Geschwister war.

„Meine Mutter hatte alle Hände

voll damit zu tun, mich zu bän-

digen. Ich war zudem sehr

abenteuerlustig, wollte immer

etwas erleben, brauchte immer

einen Kick.“ Deshalb kämpfte

sie auch stets darum, mit dem

Vater, sobald er wieder einmal

für Geschäfte über die Grenze

musste, mitfahren zu dürfen.

„Während sich mein Vater dann

mit anderen Leuten traf, streunte

ich mit Vorliebe in der Gegend

herum“, lacht Sonja, die damals

noch ein recht burschikoser Typ

Sonja H. ist heute Altenpflegerin in Innsbruck.

Sonja H. verbrachte ihre Kindheit in einem Osttiroler Ort nahe der Staats-

grenze Arnbach-Winnebach. Die Grenznähe verschaffte ihr die „Gelegen-

heit“ zur Prostitution, die sie schon als Minderjährige ausübte und die in

einen Selbstmordversuch gipfelte.

Als Minderjährige rutsc