VP 2015 03 - page 33

CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
MÄRZ/APRIL 2015
33
Historiker Dr. Martin
Kofler, Leiter des „Tiro-
ler Archiv für photogra-
phische Dokumentation
und Kunst“ (TAP),
wurde von der Europa-
region Tirol-Südtirol-
Trentino zur „Persön-
lichkeit des Monats“
gewählt. Er wacht über
mittlerweile 115.000
historische Fotografien
aus dem Südtiroler
Pustertal und Osttirol.
Der 43-Jährige im
„PVT“-Interview.
Herr Dr. Kofler, wie kamen
die vielen Fotos ins TAP-Ar-
chiv?
Kofler:
„Durch Schenkungen
und Dauerleihgaben (also die
Originale) oder als Werknut-
zung. Das heißt, zum ‚zeitwei-
ligen Aufenthalt‘ bei uns im
TAP zwecks Digitalisierung
und dann Rückgabe mit verein-
barten geteilten Nutzungsrech-
ten.“
Wie viele der 115.000 Bilder
stammen aus dem Osttiroler
eck, 2014). Weiters ist es eine
Freude, dass besonders Privat-
personen uns zunehmend ihre
einzigartigen Sammlungen zu-
gänglich machen. Unter ande-
rem die Familie von Sternbach
in Bruneck.“
Welche beeindruckenden
Begegnungen macht man im
Zuge des Sammelns?
Christian Walder in Kartitsch
vorbeischaut, ebendort gewal-
tige Einzelporträts entdeckt –
und dann gleich zum herzhaf-
ten Tiroler Knödel-Mittagessen
eingeladen wird.“
Kofler:
„Erstens ist die per-
fekte Konservierung bzw. Auf-
bewahrung bei uns gewährlei-
stet, wenn sich eine Privatper-
son entschließt, uns etwas zu
schenken bzw. als Dauerleih-
gabe zu übergeben. Zweitens
können wir oft helfen, nähere
Informationen zu den über-
brachten Bildern herauszufin-
den, falls nicht vorhanden. Ich
meine hier das Dargestellte
und die Datierung. Zunehmend
gibt es auch Anfragen, ob wir
aus dieser oder jener Heimatge-
meinde andere Fotos im Be-
stand haben. Oder eine Auf-
nahme vom leider längst abge-
rissenen Hof im Weiler XY.
Wenn wir die Scans der dauer-
haft oder zeitweilig überlasse-
nen Lichtbilder dann erstellt
haben, bekommt der Besitzer
diese auch kostenlos zur eige-
nen weiteren Verfügung retour.
Das TAP möchte lediglich
gleichfalls die Nutzungsrechte.“
Warum sollten Fotobesitzer
die Bilder dem TAP überlassen?
Kofler:
„Es gibt einen dezi-
dierten Mehrwert, wenn uns je-
mand Fotos bringt und sie nicht
in der Schuhschachtel oder auf
dem Dachboden zurücklässt.
Nicht nur in konservatorischer
Hinsicht, sondern weil man zu-
sätzliche Informationen er-
schließen bzw. mitteilen kann.
Mitunter eignen sich gerade pri-
vate Aufnahme oder seltene
Postkarten zum Abdruck auf
großen Ausstellungsplanen, und
dies – wenn gewünscht – unter
namentlicher Nennung des Be-
sitzers. Leider ging schon viel
verloren. Deshalb sehen wir uns
auch als so zentrale Einrichtung
der interregionalen Bestands-
sicherung. Es muss uns ja nie-
mand etwas schenken. Darum
geht es überhaupt nicht – halt
nicht wegwerfen, uns kurzfristig
zeigen und dann erlaubter
Maßen im TAP digitalisieren
lassen. Das wäre schon perfekt.“
Interview: Martina Holzer
und wie viele aus dem Süd-
tiroler Pustertal?
Kofler:
„Es wird sich in etwa
die Waage halten. Besonders
interessant ist, dass gewisse
Orte aufgrund des regen Frem-
denverkehrs schon vor 1914
extrem oft fotografiert bzw.
zum Objekt von Postkarten-
Fotografen wurden – wie etwa
Toblach.“
Worauf zielt das TAP ab und
was waren Ihre bisherigen
Foto-Highlights?
Kofler:
„Wir möchten die
Lokalbevölkerung für den ide-
ellen historischen Wert des
Kulturschatzes Photographie
sensibilisieren sowie den Auf-
bau des digitalen Fotoarchivs
TAP zum Regionalraum Ost-
tirol und Südtiroler Pustertal
weiter vorantreiben. Highlights
gab es bereits viele. Etwa die
vielen positiven Reaktionen
auf unsere großen Ausstellun-
gen wie ‚Volldampf‘ über die
Pustertalbahn (Lienz-Toblach-
Bruneck, 2013) oder ‚Grenz-
gang‘ zum Ersten Weltkrieg
(Sillian-Kartitsch-Sexten-Brun-
Kofler:
„Eine Nachbarin von
mir – zuhause in Oberlienz –
kam eines Tages zu mir und er-
zählte sehr berührend, dass auf
einer unserer großen Planen bei
der Baustelle ‚Kaufhaus Lienz‘
ihr verstorbener Bruder abge-
bildet sei. Und jedes Mal,
wenn sie dort mit dem Rad vor-
beifährt, steige sie ab und
schaue ihren Bruder an. Auch
bin ich schon mehrmals kurz-
fristig zu Wohnungsauflösun-
gen mit dem Hinweis eingela-
den worden: ‚Martin, hier gibt
es einen riesigen Fotobestand.
Komm doch rasch und schau,
ob etwas für dich dabei ist.
Sonst wird alles weggeworfen.‘
Großes Vertrauen hat uns etwa
die Familie des Alt-Bürgermei-
sters von Bruneck, Haymo von
Grebmer, zukommen lassen,
wo wir im historischen Ansitz
in Dietenheim den riesigen
Fotobestand sichten durften –
mit sagenhaften Lichtbildern,
die bis in die 1880er-Jahre zu-
rückreichen. Oder wenn man
zwecks Fotosammlungskontakt
bei der Familie von Sonja und
Wird man nicht irgendwann
müde, ständig in der Vergan-
genheit des Pustertales zu for-
schen?
Kofler:
„Das bleibt stetig
aufregend, weil uns mittler-
weile fast jeden Tag jemand mit
seinen fotografischen ‚Schät-
zen‘ besucht – und da sind
wahrlich interessante Schnapp-
schüsse oder dokumentarische
Aufnahmen dabei.“
Wie kommen die Leute, die
interessante Fotos haben, zu
euch?
Kofler:
„Das ist unterschied-
lich. Manche spreche ich selbst
an. Viele sahen unsere Ausstel-
lungen oder haben über uns ge-
lesen. Und wenn etwa eine äl-
tere Dame bei uns war und
ihren Freundinnen beim näch-
sten privaten Treffen von uns
erzählt, dann kann es schon
passieren, dass vielleicht die
nächste Dame alsbald bei uns
vorbeischaut.“
Was hat der Bürger davon,
wenn im Archiv die Fotos auf-
bewahrt werden? Kann er
diese auch mitnützen?
Dr.
Mar-
tin
Kofler
leitet
seit
2011
das Ti-
roler
Photo-
archiv,
das in
Lienz
ange-
siedelt
ist.
Foto:
Man-
fred
Gas-
ser
Ein Wächter über
115.000 historische Bilder
127641
Nonna Emma
Restaurant
Das Restaurant
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9920 Sillian 99, Tel. 0660-3704376
Öffnungszeiten:
11.45 - 14.45 Uhr und 18.00 - 22.00 Uhr
TAP ist ein
Interreg-Projekt, das im
Jahr 2011 ins Leben
gerufen wurde.
Die Büros befinden sich in
Lienz und Bruneck.
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