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Vom Samenkorn zum Samenkorn - ein Kreislauf

Teil 1 einer mehrteiligen Serie im Rahmen des Projektes „Bio-

ColAlp (ITAT 4044) - Vielfalt erhalten und fördern“ von Bri-

gitte Vogl-Lukasser

Wie war es früher ?

Traditionelle Kulturpflanzen, wie Ackerbohnen, Herbstrübe

oder Roggen, wurden in Assling noch bis in die 1960er Jahre

auf

jedem

noch so kleinen Bauernhof entweder im Acker oder

im Hausgarten angebaut. Die Versorgung der Bevölkerung mit

Lebensmitteln wurde in der Region zum Großteil von Klein-

bauern und Kleinbäuerinnen sichergestellt. Jedes Jahr wurde

von den angebauten Kulturpflanzen Saatgut für die nächste

Saison gewonnen. Saatgut wurde nicht nur am eigenen Hof

vermehrt, es wurde auch getauscht oder zugekauft, auch aus

anderen Regionen. Wenn möglich, versorgte man sich aber

selber mit Saatgut. Kleinbauern und Kleinbäuerinnen entwik-

kelten durch gezielte Selektion – Auslese, Lagerung und

erneutem Anbau von Saatgut, orientiert an Ertrag, Geschmack,

Lagerfähigkeit oder Robustheit – Sorten mit für sie günstigen

Eigenschaften. So entstanden über die Jahrhunderte für

bestimmte Regionen angepasste Kulturpflanzen und eine riesi-

ge Vielfalt an Sorten weltweit. Diese Sorten waren

samenfest

.

Wie ist es heute?

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Landwirtschaft im

Berggebiet auf Grünland umgestellt und traditionelle Kultur-

pflanzen werden heute in Assling meist nur mehr in Gärten,

selten auch auf kleinen Äckern in Kleinstmengen angebaut.

Saatgut für den Anbau wird meist zugekauft.

In den Regionen mit großflächigem Acker- und Gemüsebau,

liegt der gesamte Kreislauf der Pflanzen (vom Samenkorn bis

zum Samenkorn) kaum mehr in der Hand der Bauern. Die

„Herstellung von Saatgut“ und die Pflanzenzüchtung liegen

heute überwiegend (es gibt Ausnahmen!) in der Hand von

einigen wenigen Industrieunternehmen, wie etwa den Agro-

chemiekonzernen Syngenta, Bayer, BASF oder Monsanto.

Weltweit verkaufen die zehn größten Konzerne 75% des Saat-

gutes. Dieses Saatgut und die Sorten sind für die Bedürfnisse

der industriellen Landwirtschaft, die meist nur mit Agrarche-

mie funktioniert, gezüchtet worden. Gewerblich genutzte

Pflanzensorten sind meist sogenannte

Hybridzüchtungen

und

lassen sich nur unter starken Ertragseinbußen oder gar nicht

mehr nachbauen. Deshalb müssen Bauern und Gärtner dieses

Saatgut jedes Jahr neu zukaufen.

Der Nachteil dieser Züch-

tungsform ist, dass dieses nicht für den Nachbau geeignet

ist!

Abbildung 1: Auch

Sonnenblumen gibt es

mittlerweile

als

Hybridsaatgut

zu

kaufen (erkennbar an

der Abkürzung F1

auf der Packung).

Die Entwicklung von

Hybridsorten hat dazu

geführt, dass beispiels-

weise im Gemüsebau

sehr hohe Erträge

erzielt werden können

und einheitliche und

maschinell erntbare

Früchte die lange transport- und lagerfähig sind in unseren

Supermärkten landen. Für uns ist das vorteilhaft, weil wir uns

nicht mehr selber um die Produktion unserer Lebensmittel

kümmern müssen. Die Landwirtschaft und damit auch unsere

Ernährung sind dadurch aber auch abhängig von der Agrarin-

dustrie und den Konzernen geworden. Für Hobbygärtner gibt

es heute unkompliziert Saatgut – darunter immer mehr Hybri-

de - und vorgezogene Pflanzen in scheinbar „großer Vielfalt“

in Gärtnereien, in Supermärkten, im Baustoffhandel oder im

Internet. Wir haben uns daran gewöhnt, diese unverzichtbaren

„Rohstoffe“ für unsere Gärten oder Äcker jedes Jahr einzu-

kaufen. Und außerdem – seien wir uns ehrlich – Saatgut selbst

herzustellen oder Pflanzen vorzuziehen, ist doch viel zu müh-

sam, oder?

Aufgrund dieser Entwicklung sind viele unserer heimischen

Sorten verlorengegangen. Damit wurde aber auch ein Hand-

werk der Auslese und Erhaltung von Saatgut aufgegeben, das

viel Wissen und Erfahrung braucht. Wir sind also heute nicht

nur von Saat- und Pflanzgut Dritter abhängig, sondern haben

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06/2018

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„e5-Gemeinde“ Assling setzt weiter auf Nachhaltigkeit

Interreg-Projekt „BioColAlp - Vielfalt erhalten und fördern“

Samenfest bedeutet, dass die Pflanzensorten mit tradi-

tionellen Methoden wie etwa Bestäubung durch Insekten

oder Wind vermehrt werden können und deren Samen

wieder die gleichen Eigenschaften haben und aussehen

wie die Elternpflanzen – außer sie wurden von anderen

Sorten bestäubt. Dieses Saatgut wird „Mehrweg Saat-

gut“ genannt.

In der Fachsprache wird Hybridsaatgut als F1 bezeich-

net (Abkürzung für „erste Filialgeneration = erste Toch-

tergeneration). Hybridsaatgut ist ein „Einweg Saatgut“.

Die sortenspezifischen Eigenschaften sind nur in der

ersten Generation einheitlich vorhanden. Diese gehen

bei einem weiteren Nachbau verloren. Dieses Saatgut

wird mit viel Aufwand und oft mit gentechniknahen

Methoden hergestellt. Auf der Saatgutpackung muss der

Zusatz F1 oben stehen, wenn es sich um Hybridsaatgut

handelt.