OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2019
2
HEIMATBLÄTTER
Die Gattung
Viola
umfasst in Österreich
nach aktuellem Kenntnisstand 25 heimi-
sche Arten, 15 davon sind auch in Osttirol
nachgewiesen (F
IScHeR
et al. 2008). Auf-
grund der Ähnlichkeit einiger Arten zu-
einander, einer gewissen morphologi-
schen Variabilität und der nicht selten auf-
tretenden Hybridisierungen gehören die
Veilchen zu den schwierigen Formenkrei-
sen unserer Flora, weshalb sie oft unzu-
reichend bekannt und erfasst sind. eines
der bislang als „selten“ eingestuften Veil-
chen ist
Viola pyrenaica
, das Pyrenäen-
Veilchen, das – wie sein Name vermuten
lässt – in den süd- und mitteleuropäischen
Gebirgen von den Pyrenäen imWesten bis
zum Balkan im Osten verbreitet ist.
Viola pyrenaica
ist ausdauernd (mehr-
jährig) und erreicht eine Wuchshöhe von
bis zu 15 cm. Sie blüht sehr zeitig im Früh-
ling, je nach Höhenlage von ende März bis
Juni. Innerhalb der Gattung
Viola
gehört
sie aufgrund der abwärts gerichteten, unte-
ren seitlichen Kronblätter zur Gruppe der
eigentlichen Veilchen (
Viola sect. Viola
)
und nicht zu den Stiefmütterchen (
Viola
sect. Dischidium
), die wir u. a. als Garten-
pflanzen formenreich kennen. Innerhalb
dieser Gruppe gehört sie wiederum zu den
„Stängellosen Veilchen“, da sie keine be-
blätterten Stängel sondern nur blattlose
Blütenstiele besitzt, die Grundblattrosetten
entspringen. Im Gegensatz zu dem auch in
Osttirol verbreiteten März-Veilchen (
Viola
odorata
) hat das Pyrenäen-Veilchen keine
Ausläufer, sondern allenfalls kurze unter-
irdische Seitensprosse, sodass es im Frei-
land stets durch eine kompakte Wuchs-
weise auffällt. Die oft rundlichen, gelb-grü-
nen Blätter sind am Spreitengrund schwach
herzförmig gebuchtet und können sich im
Hochsommer auf über 10 cm Länge aus-
wachsen. Die ca. 1-2 cm großen, duftenden
Blüten sind wie viele andere heimische
Veilchen oft hellblau, zuweilen können sie
auch blauviolett sein. Analysiert man die
Feinmerkmale, so entpuppt sich
Viola
pyrenaica
als eine erstaunlich einfach zu
bestimmende (unkritische) Art unserer
Flora, die im Vergleich zu anderen ähn-
lichen Veilchen durch die völlige Kahlheit
mehrerer Pflanzenteile gut differenziert ist:
Sowohl die Frühlingsblätter als auch die
stumpfen Kelchblätter, Fruchtknoten und
Früchte besitzen keine Haare – sie sind
also kahl, was mit einer 10-20fach vergrö-
ßernden Lupe rasch zu erkennen ist.
Die in der Literatur dokumentierten, bis-
herigen Angaben für
Viola pyrenaica
aus
Osttirol sind rasch aufgezählt. In der neuen
Tirol-Flora von Adolph Polatschek werden
folgende Fundorte genannt: Grafendorf N
Lienz, Nußdorf, Patriasdorf, Nikolsdorf
gegen St. chrysanth, Galitzenklamm bei
Amlach, Dorfertal N Hinterbichl, Prägra-
ten, Virgen und Matrei (P
OLATScHeK
2001). Bemerkenswert dabei ist, dass nur
eine einzige Angabe davon, nämlich jene
vom Dorfertal aus dem Jahr 1989, als re-
zent einzustufen ist und von A. Polatschek
selbst stammt. Alle anderen gehen auf die
alte Flora von D
ALLA
-T
ORRe
& S
ARNTHeIN
(1913) oder sonstige vor 1950 erschienene
Quellen zurück und sind damit als histo-
risch zu werten. Als ein zusätzlicher
rezenter Nachweis ist noch ein Beleg von
Rundliches, gelbgrünes und kahles
Frühjahrsblatt von
Viola pyrenaica
mit
offener Blattbucht.
Einzelblüte von
Viola pyrenaica
mit
himmelblauen Kronblättern und kahlen
Kelchblättern.
Kahle, noch unreife Frucht von
Viola
pyrenaica
.
Alois Kofler aus Mitteldorf aus dem Jahr
1988 im Herbarium des Ferdinandeums
(IBF) hinterlegt. Somit könnte man bei
oberflächlicher Betrachtung eine seltene
Art, einen Rückgang oder sogar ein Ver-
schollensein von
Viola pyrenaica
im Be-
zirk Lienz vermuten. Dass dem aber nicht
so ist, konnte der Verfasser im Jahr 2018
zeigen: So konnten allein im Zeitraum
April bis Juni nicht weniger als 13 Vor-
kommen dieser Art entdeckt werden, die
sich vom Kärntner Tor bei Nörsach über
die Sonnhänge des Lienzer Talbodens und
Iseltales bis Matrei und auf das Oberland
zwischen Heinfels und Sillian verteilen.
Die Art ist damit derzeit in Osttirol aus 13
Quadranten der floristischen Kartierung
bekannt, drei historische Quadrantenanga-
ben wurden zudem bestätigt. Die einzel-
nen Funddaten sind wie folgt:
• Gem. Nikolsdorf: Nörsach, Steinbruch-
Umgebung, Felsrasen, 700 msm, 9243/2,
14.04.2018.
• Gem. Nikolsdorf: Schloss Lengberg, Ma-
gerwiese, 650 msm, 9243/1, 01.04.2018.
• Gem. Dölsach: Görtschach, Feldgehölze,
Magerweiden, 760 msm, 9143/3,
02.04.2018.
• Gem. Dölsach: Stribach, Aguntum, Ma-
gerwiesenböschung, 665 msm, 9142/4,
08.04.2018.
• Gem. Iselsberg-Stronach: Stronach, Ruine
Walchenstein, Gehölze, 970 msm, 9143/1,
13.04.2018.
• Gem. Ainet: oberer Ortsrand, Magerwie-
senböschung, 740 msm, 9142/1,
08.04.2018
• Gem. St. Johann: Unterleibnig, Hangfuß,
Mischwald, 760 msm, 9041/4, 15.04.2018.
• Gem. Kals: Unterpeischlach, gegen Oblaß
(Hangfuß), Grauerlenwald, 830 msm,
9041/4, 15.04.2018.
• Gem. Matrei: Seblas, Hildeweg, Misch-
wald und Waldränder, 940 msm, 9041/1,
22.04.2018.
• Gem. Matrei: Auffahrt Mattersberg, Hang-
fuß, Mischwald, 870 msm, 9041/1,
22.04.2018.
• Gem. Matrei: Stein, Trockenvegetation,
1365 msm, 8941/3, 22.06.2018.
• Gem. Heinfels: Schloss Heinfels, Fels,
1135 msm, 9240/2, 21.04.2018.
• Gem. Sillian: Arnbach-Sonnseite, Fich-
tenwald, 1120 msm, 9240/3, 21.04.2018.
Die neu entdeckten Osttiroler Vorkom-
men liegen zwischen 650 m und 1.365 m
Seehöhe, was doch überrascht, da die Art
in Österreich gemeinhin als Hochlagen-
Pflanze aufgefasst wird. Subalpine, in
Almbereichen situierte Vorkommen, wie
sie aus anderen Teilen Österreichs bekannt
sind, konnten in Osttirol noch nicht ent-
deckt werden – sie sind aber auch hier
nicht ausgeschlossen. Das Standortsspek-
trum der Art im Bezirk Lienz ist sehr
breit und umfasst derzeit Magerwiesen,
Felstrockenrasen, Felsfluren, Straßen-
böschungen, Hecken und Feldgehölze,
Waldsäume, Haselgebüsche, Hang-Grau-
erlenwälder, div. Mischwälder und Fich-
tenwälder. Als gemeinsamer „ökologischer
Nenner“ dieser Vorkommen können für
Osttirol bislang flachgründige, zuweilen
skelettreiche Standorte, basenreiche Sili-
kate und Karbonate sowie Sonnhänge ge-