OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2018
7
HEIMATBLÄTTER
Das Forschen mit und an
den Schmetterlingen (Lepi-
doptera) ist ein schier uner-
schöpfliches Betätigungs-
feld, das immer wieder neue
Erkenntnisse bringt und
überraschungen bereithält.
Höchst interessant ist die Er-
forschung der Biologie und
Ökologie dieser Insekten-
ordnung. Die meisten Arten
sind in hohem Maß an ihre
Lebensräume und Nahrungs-
pflanzen angepasst und
haben raffinierte Strategien
entwickelt, um in der ge-
fährlichen Welt von „Fressen
und gefressen werden“ be-
stehen zu können. Zahlreiche
Tricks haben sich imVerlauf
der Evolution entwickelt. Da
die Schmetterlinge Vegetarier sind, weder
Beißwerkzeuge noch einen Stachel haben
und ihre Feinde somit nicht mit schmerz-
haften Bissen oder Stichen vertreiben kön-
nen, müssen sie auf andere Methoden zu-
rückgreifen: Flucht, Verstecken, Tarnen
und Täuschen, auch Nachahmung oder
Mimikry genannt.
Diese letztere Strategie ist die Spezialität
unserer
Glasflügler
oder
Sesien
(Sesiidae).
Sie ahmen in Form und Färbung nahezu
perfekt andere wehrhafte Insekten wie Wes-
pen, Hornissen oder Bienen nach, können
durch diesen Trick ihre Fressfeinde zum
Narren halten und werden von ihnen ge-
mieden. Sie täuschen ein gefährliches, sta-
chelbewehrtes Insekt vor, während sie selbst
völlig harmlos sind. Die Imitation von ste-
chenden, wehrhaften Hautflüglern ist in der
Insektenwelt weit verbreitet. So bedienen
sich nicht nur die Glasflügler dieser Strate-
gie, sondern auch andere harmlose Kerb-
tiere wie Bockkäfer, Schlupfwespen und
vor allem Schwebfliegen, die oft erstaunlich
perfekt Wespen, Bienen oder Hummeln imi-
tieren und dadurch Schutz genießen.
Die
Glasflügler
, die mit den
Widder-
chen
(Zygaenidae) verwandt sind, fliegen
wie diese ausnahmslos tagsüber im Son-
nenschein. Durch ihre ähnlichkeit mit
einer Unzahl von Hautflüglern, Zweiflüg-
lern und Schlupfwespen und ihren schnel-
len, reißenden Flug sind sie im Gewirr und
Durcheinander des sommerlichen „Luft-
geschwaders“ kaum auszumachen und
werden daher wenig beobachtet und leicht
übersehen. Wie können nun Glasflügler als
solche und als Schmetterlinge erkannt
werden? Nun, gleich vorweg – auf den
ersten Blick schwierig und oft nur von
Spezialisten! Wenn man das Insekt aber
näher betrachtet, erkennt man ein paar
„verräterische“ Merkmale: Kopfbereich,
Fühlerform, Mundwerkzeuge (Saugrüssel
statt Beißwerkzeuge), fehlender Stachel
amAbdomen-Ende; vor allem aber weisen
alle Glasflügler zumindest Reste einer Flü-
gelbeschuppung auf den Adern und am
Saum auf, was sie eindeutig
als Schmetterlinge kenn-
zeichnet.
Die Raupen der Sesien
leben endophag, d. h. im In-
neren von Stängeln, Zweigen,
ästen von verschiedenen
Stauden, Büschen oder Bäu-
men. Die größte heimische
Art, der
Hornissen-Glasflüg-
ler
(
Sesia apiformis
) erreicht
die Größe einer Hornisse und
lebt als Raupe zwei- oder
mehrjährig in den Stämmen
von Pappel-Arten, in denen
sie lange Fraßgänge bohrt.
Die charakteristischen Aus-
schlupflöcher der Falter sind
kreisrund mit einem Durch-
messer von ca. 7 bis 8 mm
und können am Fuß von alten
Pappeln gefunden werden. Einige weitere
größere Arten haben sich auf das Holz von
Eichen, Birken, Weiden und Zitterpappeln
spezialisiert. Darüber hinaus gibt es eine
Anzahl kleinerer Arten, die Schlupfwespen
ähneln und deren Raupen an Sträuchern wie
Schneeball, Johannisbeere, Himbeere oder
Weide leben. Die kleinsten Glasflügler mit
einer Spannweite von 12 bis 17 mm leben
in den Stängeln und Wurzeln von Wolfs-
milch, Schmetterlingsblütlern oder Lippen-
blütlern. Die bevorzugten Lebensräume der
Sesien sind warme, sonnige Örtlichkeiten
mit einer artenreichen Flora. In osttirol sind
das hauptsächlich die sonnseitigen Hang-
lagen des Lienzer Beckens und des Isel- und
Virgentales.
Von den 48 in Österreich vorkommen-
den Glasflügler-Arten sind in osttirol bis-
her elf Spezies bekannt geworden. Das ist
wenig und wohl dem Umstand geschuldet,
dass sich bisher niemand ernsthaft mit die-
ser schwierigen Schmetterlingsgruppe be-
fasst hat. Es gibt zwei Möglichkeiten,
Glasflügler erfolgreich nachzuweisen:
a) durch Pheromonpräparate (Sexuallock-
Zypressenwolfsmilch-Glasflügler, präpa-
riertes Exemplar; Assling, 2017 (Spann-
weite = 17 mm, coll. Deutsch).
Großer Fuchs: Größer (6 cm), blasser, gedämpft orangegelb gefärbt;
zusätzlicher schwarzer Fleck am Vorderflügel vorhanden (Pfeil).
Kleiner Fuchs: Deutlich kleiner (4,5 bis 5 cm), leuchtend orangerot
gefärbt; zusätzlicher schwarzer Fleck am Vorderflügel fehlt (Pfeil).
Unterschiede zwischen dem Großen und dem Kleinen Fuchs:
Helmut Deutsch
Flügel aus Glas
Interessantes aus dem Leben heimischer Glasflügler (Sesiidae)