OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2018
6
HEIMATBLÄTTER
Das ist so eine Sache
mit den Füchsen. Dem
Meister Reineke wird ja
allerhand nachgesagt: Er
ist der Schlaue, Listige –
Held zahlreicher literari-
scher Werke, Sagen und
Mythen, der Hühnerdieb
und auch der mit den
Trauben – aber von ihm
ist hier nicht die Rede.
Es gibt zwei Tagfalter-
arten gleichen Namens,
wohl wegen der „fuchs-
roten“ Grundfarbe der
Flügel – den Kleinen und
den Großen Fuchs. Wäh-
rend der
Kleine Fuchs
(
Aglais urticae
) einer
unserer buntesten und
häufigsten Tagschmetter-
linge ist, der von den
Hausgärten der Sied-
lungsräume bis in die
höchsten Regionen der
Hochgebirge fast überall vorkommt, wird
sein größerer cousin, der
Große Fuchs
(
Nymphalis polychloros
) eher wenig beob-
achtet. Er stellt weitaus höhere Ansprüche
an seine Lebensräume und die klimati-
schen Bedingungen, kommt in osttirol nur
an wenigen Stellen vor und dort auch nur
einzeln und selten. Die passenden Habitate
sind sonnige Laubwaldränder mit Bestän-
den der Raupenfraßpflanzen. Es sind dies
bevorzugt die Salweiden, seltener werden
andere Laubgehölze wie Ulmen, Vogel-
kirschen und obstbäume angenommen.
Die Weibchen sind ziemlich wählerisch. Es
müssen amWaldrand ste-
hende, besonnte Bäume
mit freien Wipfeln sein,
damit sie dort ihre Eier an
den einjährigen Zweigen
ablegen können. Die
Raupen leben gesellig –
zu mehreren Dutzend an
einem Baum – und fres-
sen die frischen Blätter
im Frühjahr.
Im Frühsommer sind sie
ausgewachsen und ver-
puppen sich in der Vege-
tation, um wenig später
im Juli die neue Falterge-
neration zu entlassen. Die
Schmetterlinge fliegen bis
in den Herbst hinein und
überwintern in Stadeln,
Scheunen, Garagen oder
Dachböden, in freier
Natur auch im Geäst oder
an der Rinde von Bäu-
men. Die Minusgrade in
unseren Breiten können den Faltern nichts
anhaben, allerdings müssen sie mit ihrer
Energie haushalten, damit sie über den
Winter kommen. Die Vitalfunktionen wer-
den dabei auf ein Minimum herunter ge-
fahren. Im Frühjahr sind die überwintern-
den Tagfalter die ersten, denen wir begeg-
nen – der Große Fuchs ist einer von ihnen.
Am liebsten besiedelt er die sonnseitigen
Wärmegebiete des Lienzer Talbeckens und
des Iseltales. Er bevorzugt die niedrigen
Tallagen, oberhalb von 1.500 m Seehöhe
ist er kaum noch anzutreffen. Ebenso fehlt
er in Nadelholz-Wirtschaftswäldern, in
denen Laubgehölze wie Weiden und
Birken als „Unkraut“ gelten und leider
manchmal allzu eifrig bekämpft werden.
Gesunde Mischwälder mit einer Vielfalt an
Bäumen und Sträuchern in sonnigen
Lagen sind die optimalen Lebensräume für
diese anspruchsvolle Art.
Der Große Fuchs wurde zum Schmet-
terling des Jahres 2018 erwählt, weil er
stellvertretend für eine Reihe von weiteren
selten gewordenen Arten steht, die auf Ge-
deih und Verderb darauf angewiesen sind,
dass Wald- und Grundbesitzer ihre Flächen
nachhaltig und in ökologischem Sinn be-
wirtschaften und den Tieren dadurch ihre
Lebensgrundlagen erhalten bleiben.
Literatur:
D
EUTScH
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bilderte checkliste. <www.helmut-deutsch-schmetter-
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EPIFoRUM
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Die Tagfalter Bayerns und Österreichs. – Bayerische
Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege
(ANL). Laufen, 240 pp.
Helmut Deutsch
Schmetterling des Jahres 2018:
Der „Große Fuchs“
Der Große Fuchs kommt am Rand von
warmen Mischwäldern vor; Aufnahme
Nörsach, 2005.
Das
Vor-
kommen
des
Großen
Fuchses
ist in
Osttirol
auf die
Tallagen
be-
schränkt.
©
Deutsch,
Auszug
aus
„Die
Schmet-
terlinge
Ost-
tirols“.
Fotos:
alle ©
Helmut
Deutsch
= Nachweis
vor 2000
= Nachweis
nach 2000