OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2018
3
HEIMATBLÄTTER
großen Bestandseinbußen, da das Bachbett
über weite Strecken komplett austrocknete
und zahlreiche Tiere verendeten. Die Po-
pulationsgrößen der restlichen Bestände
können als klein (Tristacher Seebach, Teich
Golfplatz Lavant) bzw. unbekannt (Edel-
krebs im Weiher in Anras, Europäischer
Sumpfkrebs im Teich Lavant) bezeichnet
werden. Konkrete Erhebungen zur Popula-
tionsgröße wurden bisher nur in ausge-
wählten Gewässern durchgeführt. Dies be-
trifft die Vorkommen des Edel- und Signal-
krebses in den Weihern in Nikolsdorf. In
den Jahren 2015 bis 2017 wurde vomVer-
fasser in diesen beiden Gewässern, die nur
ca. 40 m Luftlinie voneinander entfernt
sind, eine Populationserhebung nach der
Fang-Wiederfang-Methode durchgeführt.
Dabei konnte für die Population des Edel-
krebses eine Dichte von ca. 1 Individuum
pro Quadratmeter (Ind./m²) und für den
Signalkrebs eine Dichte von ca. 2 Ind./m²
ermittelt werden. Dies entspricht im Ver-
gleich zu anderen Studien kleinen bis mitt-
leren Populationsgrößen. Die Gründe
dafür sind beim Edelkrebs im Vorhanden-
sein von diversen Fressfeinden (Hecht,
Wels, Flussbarsch) in teils hohen Dichten
zu suchen bzw. im Falle des Signalkrebses
in der kurzen Bestandsdauer der Popula-
tion. über die Herkunft des Signalkrebses
in diesem Gewässer ist nichts bekannt,
wobei dieser laut Angaben der Pächter
nicht absichtlich eingebracht wurde. Ein
versehentliches Einbringen durch Fisch-
besatz wäre jedenfalls durchaus denkbar.
Aufgrund der vorgefundenen Altersstruktur
und dem Nachweis einer erfolgreichen
Reproduktion dürfte der Bestand jedoch
seit mindestens zehn Jahren bestehen.
Auch wenn im Vergleich zu früheren
Studien (K
oFLER
1992, F
üREDER
& H
ANEL
2000) vermehrt Bestände des heimischen
Edelkrebses gefunden werden konnten, ist
der Nachweis des nicht heimischen Signal-
krebses äußerst bedenklich. Aktuell ist die
Anwesenheit des Signalkrebses, der als
potenzieller überträger der gefährlichen
Krebspest gilt, die größte Gefahr für den
heimischen Edelkrebs in osttirol. Wie
schnell heimische Flusskrebsbestände
durch die Krebspest aussterben können,
zeigen die kürzlich erloschenen Stein-
Der Europäische Sumpfkrebs stammt ursprünglich aus dem ost-
europäischen Raum.
Foto: Ivana Maguire
Der aus Nordamerika stammende Signalkrebs ist eine invasive Art
und ein gefährlicher Krankheitsüberträger.
Foto: Martin Weinländer
krebsbestände im Außerfern (L. F
üREDER
,
pers. Mitt.) bzw. zahlreiche Fälle aus dem
benachbarten Kärnten (W
EINLäNDER
2012).
Wie bereits K
oFLER
(1992) berichtet, stel-
len die vorhandenen Gewässer mit heimi-
schen Edelkrebsen letzte Refugien für diese
Art in osttirol dar. obwohl rezent vermehrt
Bestände mit Edelkrebsen nachgewiesen
werden konnten, gelten die osttiroler Po-
pulationen weiterhin als stark gefährdet und
sind vom Aussterben bedroht. Durch den
Badebetrieb und fischereiliche Tätigkeiten
im Tristacher See könnte auch jederzeit der
Krebspesterreger aus anderen Gewässern
(z. B. Weissensee, Zeller See) eingeschleppt
werden. Der Signalkrebs könnte in osttirol
auch aktiv in die nahe gelegene Drau und in
weiterer Folge in Gewässer mit Edelkrebsen
einwandern. In weiterer Folge besteht die
Gefahr, dass der Signalkrebs flussab in das
nahe gelegene Natura 2000-Gebiet „obere
Drau“ einwandert, wo sich Bestände des
stark gefährdeten Dohlenkrebses befinden.
Durch den Klimawandel ist auch in Zukunft
mit extremen Witterungsverhältnissen (Tro-
ckenheit, Geschiebeführung) zu rechnen,
die heimische Edelkrebsbestände in osttirol
gefährden könnten.
Aus den oben genannten Gründen sind
weitere aktive Schutzmaßnahmen zum Er-
halt der Edelkrebsbestände in osttirol not-
wendig. Diesbezüglich wurde bereits ein
Projekt beimAmt der Tiroler Landesregie-
rung (Abteilung Umweltschutz) einge-
reicht, das auf den Schutz des Edelkrebses
und die Bekämpfung des Signalkrebses in
osttirol abzielt. In erster Linie wird es
wichtig sein, die weitere Ausbreitung des
invasiven Signalkrebses einzudämmen und
die Bestände mit heimischen Edelkrebsen
zu stärken bzw. zu schützen. Nachdem eine
vollständige Ausrottung des Signalkrebs-
bestandes nach derzeitigem Stand der
Technik bzw. aufgrund der gesetzlichen
Lage (z. B. Biozideinsatz) nicht möglich
ist, ist eine kontinuierliche Bekämpfung
des Bestandes in Nikolsdorf notwendig
(z. B. gezielter Ausfang, Besatz mit Raub-
fischen usw.). So wird verhindert, dass der
Bestand zu dicht wird und aktiv in nahe-
gelegene Gewässer einwandert. Dadurch
kann eine weitere Ausbreitung und eine
Verdrängung heimischer Arten (Edel-
krebs) vorerst hintangehalten werden. Be-
gleitet soll ein Monitoring durchgeführt
werden, das neben dem Signalkrebs auch
den nahe gelegenen Edelkrebsbestand
berücksichtigt. In regelmäßigen Abständen
wird so die Entwicklung beider Bestände
beobachtet, um gegebenenfalls zeitnah
weitere Maßnahmen einleiten zu können.
Im Zuge des Projektes soll auch im Rah-
men von Öffentlichkeitsarbeiten (Informa-
tionen für Fischer, Bevölkerung, Badegäste
usw.) auf die Gefahr eines Signalkrebs-
bestandes (Krebspest, ökologische Effekte
etc.) aufmerksam gemacht werden. In
„sicheren“ Gegenden (keine nordamerika-
nischen Krebse im Nahbereich, geringer
Nutzungsdruck) sollten außerdemWieder-
ansiedelungen mit dem Edelkrebs durch-
geführt werden und dadurch Genpools ge-
schaffen werden. Dadurch wäre sicherge-
stellt, dass sich auch weitere Generationen
in osttirol an heimischen Flusskrebsen er-
freuen können und diese weiterhin zum
kulturellen Erbe der lokalen Bevölkerung
zählen.
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