Früher waren Flusskrebse in
ganz Europa weit verbreitet, so
dass sie in allen Bevölkerungs-
schichten bekannt waren. Bereits
in der Antike rankten sich einige
Legenden und Mythen um diese
Tiere, im Mittelalter waren sie als
beliebte Fastenspeise bekannt, und
ihnen wurde eine medizinische
Heilkraft (z. B. gegen Giftbisse,
Halsentzündung, Tuberkulose, Fie-
ber) nachgesagt (W
INKLER
1932).
Heute zählen heimische Fluss-
krebse jedoch zu den seltensten
und gefährdetsten Tieren in unse-
ren Gewässern und sind nach dem
Tiroler Naturschutzgesetz ge-
schützt bzw. nach dem Tiroler Fi-
schereigesetz ganzjährig geschont.
Der Grund dafür ist vor allem
die Krebspest
Aphanomyces as-
taci
, die im 19. Jahrhundert in
Europa innerhalb weniger Jahr-
zehnte einen Großteil der Fluss-
krebsbestände vernichtete. Dieser
pilzartige Erreger lebt in Koevo-
lution mit nordamerikanischen
Flusskrebsarten, die weitgehend
immun gegen diese Krankheit
sind, diese aber auf die heimischen
Arten übertragen können. Die
Sporen des Pilzes können dabei
auch durch Wasservögel, Fische,
Fischereigerät und Boote übertra-
gen werden, wodurch sich die
Krebspest sehr schnell ausbreitet.
Innerhalb weniger Tage nach der
Infektion sterben heimische Fluss-
krebse, da ihre Immunabwehr zu
langsam ist und die Hyphen des
Pilzes schnell das gesamte Gewebe
durchwachsen. Weitere Gefähr-
dungsursachen stellen der Lebensraumver-
lust und die Gewässerverschmutzung dar.
Das plötzliche Fehlen der Flusskrebse in
unseren Gewässern hatte weitreichende
Auswirkungen auf aquatische Ökosys-
teme, in denen sie als „Gewässerpolizei“
Blätter, Wasserpflanzen, Algen,
Insekten, Schnecken, Muscheln,
Würmer und tote Fische fressen.
Durch das Zerkleinern der Nah-
rung (z. B. Abbau von Falllaub,
Beseitigung von Aas) und ihre
Grabtätigkeiten (Höhlensysteme
im Uferbereich) erschließen sie
zusätzliche Nahrungsquellen für
eine Reihe von Makroinvertebra-
ten und gestalten die Gewässer-
morphologie (W
EINLäNDER
&
F
üREDER
2011). Dabei sind art-
spezifische Effekte auf verschie-
dene Beutetiere, Bereitstellung
von Nahrung sowie Abbau- und
Sedimentationsprozesse bekannt
(W
EINLäNDER
& F
üREDER
2016).
In Tirol kommen fünf Fluss-
krebsarten vor, wobei nur zwei
Arten als heimisch gelten (F
üR
-
EDER
& H
ANEL
2000). Der Stein-
krebs
Austropotamobius torrentium
(Schrank, 1803) dürfte als einzige
Art nach der letzten Eiszeit auf na-
türliche Weise in Tirol eingewan-
dert sein (F
üREDER
& M
AcHINo
1998). Der Edelkrebs
Astacus as-
tacus
(Linnaeus, 1758) wurde ge-
zielt zu Speisezwecken gezüchtet
und bereits im Mittelalter in eini-
gen Gewässern Tirols ausgesetzt
(F
üR
-
EDER
& H
ANEL
2000). Der
Dohlenkrebs
Austropotamobius
pallipes
(Lereboullet, 1858), der
Europäische Sumpfkrebs
Astacus
leptodactylus
(Eschenholz, 1823)
und der Signalkrebs
Pacifastacus
leniusculus
(Dana, 1852) wurden
im Laufe des 20. Jahrhunderts in
einigen Gewässern Tirols besetzt
(F
üREDER
& H
ANEL
2000).
Der Edelkrebs ist in Tirol die größte und
häufigste Art und erreicht ohne Scheren
eine Länge von bis zu 18 cm. Eine ähn-
liche Größe erreicht der aus dem osten
Europas stammende Europäische Sumpf-
krebs, der nur wenige Teiche in Tirol be-
NUMMER 3-4/2018
86. JAHRGANG
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Martin Weinländer
Neues zumVorkommen von
Flusskrebsen in Osttirol
Krebsfang in der Drau an der Lienzer Klause; aquarellierte Fe-
derzeichnung von Jörg Kölderer im Tiroler Fischereibuch Maxi-
milians I., 1504. – Die Fischer suchen die Krebse in der Nacht im
grellen Licht der Fackeln. Diese werden mit bloßen Händen, Reu-
sen bzw. einem sackartigen Netz gefangen. Sie werden in Wei-
dentaschen verstaut, die ein Saumpferd trägt. In einem großen,
mit Wasser gefüllten Fass werden die Krebse abtransportiert.
und „Ökosystem-Ingenieure“ gelten.
Durch ihre Lebensweise beeinflussen sie
alle Ebenen in aquatischen Nahrungsnet-
zen und fungieren gleichermaßen als Räu-
ber, Konsumenten und Destruenten. Fluss-
krebse sind Allesfresser, die abgestorbene