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OSTTIROLER

NUMMER 10-11/2017

8

HEIMATBLÄTTER

So wenig man im Defreggental an Bau-

erntrachten antrifft, so ungeteilt ist man im

Kalsertal ihr treu geblieben, wo auch die

Männer, wenn auch lange, so doch durch-

aus lodene Hosen tragen, im Sommer aber

die kurze lederne zum werchenen

[Werch,

Werg=grobe Leinwand]

Hemd. Sonntags

sieht man in Kals keine andere Bäurin auf

dem Kirchgang, die nicht ihr Bauernge-

wand und den festtäglichen Blattlhut trägt,

kariertes und geblümeltes Schürzenzeug

und den mit Taffetschmuck abgesteppten

Zierat auf den Tscheapn. Unser Sonntags-

bild zeigt zwei Kalserinnen

[sowie die

Tochter der einen]

auf dem Heimweg. Die

Eine hat beim Kramer wohl ihre Salzfas-

sung geholt, denn es war ja im letzten

Kriegssommer, die Andere hat beglückt

einen Feldpostbrief entfaltet, den sie beim

Postausteilen auf dem Kirchplatz erhielt.

Das Dirndlein schmiegt sich an die lesende

Mutter, es schaut in seiner Sonntagstracht

recht proper und erwachsen aus. Das Ver-

weilen auf der Rastbank scheint allen

Dreien recht wohl zu tun, eh sie den steilen

Hang zu ihrem Berghoamatl antreten. Wenn

man sich nun das blühende Mohnfeld im

Hintergrund der Rastenden in seiner Far-

benpracht vorstellt, die grünen Hänge, das

dunkle Gewand der Frauen, die hellschim-

mernde Seide ihrer Schürzen, die flatternde

Randzier ihrer Hüte

23

, wenn ein Windstoß

niederwärts fährt, so kann man sich wohl

gut vorstellen, dass hier auf diesem welt-

fernen Erdenfleck, mitten in Not und Tod

des furchtbaren Krieges, ein köstliches Ei-

land des Friedens verblieben ist, und dass

uns hier, im Altherkömmlichsten wurzelnd,

noch ungebrochene Bauernkraft aufgespart

worden ist, die wie ein Hoffnungsstrahl in

die heute noch düstere Zukunft fällt.

Schlussbemerkung

Kommentar zu und Analyse der zwei

Beiträge sind in diesem Rahmen nicht zu

leisten; etliche Hinweise auf weitere vor

und nach 1945 erschienene Literatur

ohne Untertitel mögen daher genügen.

Im Beitrag über Hochzeitsbräuche ist

nicht zu erkennen, woher ihre Literaturan-

gaben stammen, mehr als Vermutungen

sind daher nicht möglich:

Mit Sicherheit hat die Autorin auch auf

eigene Arbeiten zurückgegriffen: „Die

Hochzeiterin“, Regensburg 1930 (Roman

mit Brauchverweisen aus dem Iseltal),

sowie „Bauernhochzeit wie sie vor 50 Jah-

ren im Bergdorf Hopfgarten im Defereg-

gental gefeiert wurde“, unveröffentlicht.

An älterer Literatur ist zu nennen: Ignaz V.

Z

INGERLE

(Hrsg.), Sitten, Bräuche und

Meinungen des Tiroler Volkes, 2. Aufl.,

Innsbruck 1871, S. 12-19; Johann Adolf

H

EyL

(Hrsg.), Volkssagen, Bräuche und

Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 766-

780; Franz F. K

OHL

, Die Tiroler Bauern-

hochzeit. Sitten, Bräuche, Sprüche, Lieder

und Tänze mit Singweisen (Quellen und

Forschungen zur deutschen Volkskunde,

hrsg. von E. K. B

LÜMML

, Bd. 3), Wien

1908; Ludwig von H

öRMANN

, Tiroler

Volksleben, Stuttgart 1909, S. 355-381.

Für die Zeit nach 1945 genügen Ver-

weise auf das umfang- und literaturreiche

Kapitel „Hochzeit“ bei Friedrich H

AIDER

,

Tiroler Brauch im Jahreslauf, 3. Aufl.,

Innsbruck-Wien-Bozen 1990, sowie auf

Bernd L

ENZER

/ Martin M

ÜLLER

, Leben-

diges Brauchtum in Osttirol und im Süd-

tiroler Pustertal, Innsbruck-Bozen 2005,

S. 211-226.

Das Trachtenkapitel hat Wibmer-Pedit

mit Literaturzitaten und -verweisen verse-

hen (siehe dazu die Fußnoten). Es bedarf

somit nur weniger Ergänzungen: Ludwig

von H

öRMANN

, Tiroler Volkstypen, Wien

1877, S. 242-244 (Deferegger Tracht);

Karl M

AISTER

, Zur Trachtenkunde, in: Ost-

tiroler Heimatblätter (OHBl.), 9. Jg., 1932,

Heft 3/4, S. 22f.; J. B., Zur Trachtenkunde,

in: OHBl., 9. Jg., 1932, Heft 11/12, S. 96

(darin auch Matreier Hochzeit); F.

S

CHNEEBERGER

, Zur Trachtenkunde von

Matrei, in: OHBl., 10. Jg., 1933, Heft 6/9,

S. 29-31.

Nach 1945 sind einige bemerkenswerte

Abhandlungen erschienen: Josef R

INGLER

/

Grete K

ARASEK

, Tiroler Trachten, Inns-

bruck-Wien 1961; als größeres Werk zu

Trachtenpflege und -erneuerung ist zu nen-

nen Gertrud P

ESENDORFER

, Lebendige

Tracht in Tirol, 2. Aufl., Innsbruck 1982;

Lois E

BNER

, Kleidung und Tracht in Ost-

tirol im Spiegel archivalischer Quellen, in:

Kleidung – Mode – Tracht. Referate der

österreichischen Volkskundetagung in

Lienz 1986, hrsg. von Olaf B

OCKHORN

und

Klaus B

EITL

(Buchreihe der österrei-

chischen Zeitschrift für Volkskunde, N. S.,

Bd. 7), Wien 1987, S. 223-233; im selben

Band Herlinde M

ENARDI

, Geschichte und

Entwicklung der Tracht in Tirol, S. 245-

262.

Fanny Wibmer-Pedit vor ihrem Haus „Erl-

schütt“, um 1945.

(Sammlung Helga Franz – TAP)

Fotograf unbekannt

Anmerkungen

1

Die Anregung dazu stammt von der Enkelin der Autorin,

Frau Helga Franz, der ich für die Kopie des Heimat-

buches, für weiterführende Gespräche und die Vermitt-

lung von Kontakten zu danken habe.

2

Vgl. u. a.: Edda M

ARGREITER

-W

ILSCHER

, Fanny Wibmer-

Pedit. Versuch einer Monographie, Phil. Diss. Universität

Innsbruck 1983; WIKIPEDIA,

de.wikipedia.org/wiki/

Fanny_

Wibmer-Pedit, 16.5.2017, abgerufen am 11.9.2017.

3

Anton U

NTERKIRCHER

, Zwischen allen Stühlen, in: Schat-

tenkämpfe. Literatur in Osttirol, hrsg. von Johann H

OLZ

-

NER

und Sandra U

NTERWEGER

, Innsbruck 2006, S. 67-76.

4

Fanny W

IBMER

-P

EDIT

, Von Speis, Trunk und Arzeneien.

Aus dem in Vorbereitung stehenden „Osttiroler Hei-

matbuch“, in: Osttiroler Bote (OB), 20. Jg., 1965, Nr. 32

(12. Aug.), S. 16f., und Nr. 33 (19. Aug.), S. 20f. Den

Mitarbeiterinnen des OB, Helga Knoch und Gerlinde

Dolzer, sei für die Übermittlung der Seiten gedankt.

5

Ohne tatkräftige und vielseitige Hilfe der im Brenner-

Archiv auch für den Nachlass von F. Wibmer-Pedit zu-

ständigen Frau Dr. Annette Steinsiek MA wäre dieser

Beitrag nicht möglich gewesen – vielen, vielen Dank!

6

Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Nachlassnummer 53.

7

Ebenda, Nachlassnummer 26. Die vier Kapitel des Hei-

matbuches finden sich in Kassette 6, M01 – M04.

8

Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Lexikon Literatur in

Tirol:

https://uibk.ac.at/brenner-archiv/archiv/wibmer-

pedit.html.

9

Alfred H

öCK

, Bilder aus dem Salzburger Land, in: Die

Bildberichterstatterin Erika Groth-Schmachtenberger

und ihr Werk, hrsg. von Christine D

IPPOLD

und Monika

K

ANIA

-S

CHÜTZ

, Würzburg 2008, S. 134; Claudia S

PO

-

RER

-H

EIS

, Inszenierung des Landlebens. Kals am Groß-

glockner im fotografischen Werk der Erika Groth-

Schmachtenberger, in: Rudolf I

NGRUBER

(Hrsg.), Ost-

tirol. Geschichte – Volkskunde – Kunst. Zum Gedenken

an Dr. Lois Ebner (1941-2004), Innsbruck-Wien-Bozen

2005, S. 159-166.

10

Osttiroler Heimatbuch, Blätter 371-378.

11

Osttiroler Heimatbuch, Blätter 401-412.

12

Beda W

EBER

, Das Land Tirol, Bd. 2, Innsbruck 1838,

S. 133.

13

Beda W

EBER

, Land Tirol (wie Anm. 12), S. 171. Einiges

zu den Trachten in den Osttiroler Seitentälern findet man

in Bd. 3: Kals S. 149, Virgen S. 152, Defereggen S. 157.

14

Der Verweis ist falsch. Richtig ist: Ignaz V. Z

INGERLE

,

Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes,

2. Aufl., Innsbruck 1871, S. XV.

15

Elsbeth A

NGERLE

, Inventar eines Kramerladens, in: Ost-

tiroler Heimatblätter (OHBl.), 9. Jg., 1932, Heft 9/10,

S. 75-77. – Vgl. dazu auch das gesamte mit Einleitung

und Anmerkungen versehene Inventar: ohne Autor, Alt-

tirolische Inventare, in: Tiroler Heimatblätter, Heft 10,

Innsbruck 1932, „Trachtennummer“, S. 375-377.

Grund für das Inventar war der Ablauf der zwanzigjäh-

rigen Pacht des „Kramerladens“, der ob der Fülle der

vorhandenen Stoffe und sonstigen Waren wohl eher als

zentrale Niederlage zum Weiterverkauf anzusehen ist.

Für ihren Kommentar zum Kapitel „Trachten“ und ein

ausführliches trachtenkundliches Glossar sei Dr. Thekla

Weissengruber, Oberösterreichisches Landesmuseum,

Linz, herzlich gedankt, ebenso Mag. Petra Bockhorn-

Nemeth für weitere Hinweise.

16

Hier bezieht sich die Autorin auf Gertrud P

ESENDORFER

,

Neue Deutsche Frauentrachten. Tirol, München 1938

(mit einleitendem Text und vier Bildtafeln, drei zur

Frauen-, eine zur Männertracht in Osttirol). Pesendorfer

war u. a. in der NS-Zeit Reichsbeauftragte für Trach-

tenarbeit.

17

Johann Jakob S

TAFFLER

, Tirol und Vorarlberg, Bd. 1,

Innsbruck 1871, S. 163-167.

18

Die Bauernköpfe von Virgil Rainer befinden sich immer

noch im Tiroler Volkskunstmuseum.

19

Ignaz I

NGRUBER

, Tracht und Mode in Hinterbergl, in:

OHBl., 3. Jg., 1926, Folge 3, S. 47f.

20

Die Schilderung aus Matrei stammt wohl aus Franz

S

CHNEEBERGER

, Zur Trachtenkunde von Matrei, in:

OHBl. 10. Jg.,1933, Heft 6/9, S. 29-31.

21

Vgl. dazu den Beitrag von Josef R

INGLER

, Grundsätz-

liche Bemerkungen zum Trachtenwesen unserer Zeit,

in: Tiroler Heimatblätter, 10. Jg., 1932, Heft 10, S. 322-

326. – Für Hinweise danke ich Herrn Dr. Reinhard Bod-

ner, Innsbruck.

22

I

NGRUBER

, Tracht (wie Anm. 19), S. 48.

23

Zu den vielen unterschiedlichen Hüten siehe: Thekla

W

EISSENGRUBER

, Die verschiedenen Arten der Kopfbe-

deckungen, in: Alte Hüte. Kopfbedeckungen von anno

dazumal, hrsg. v. Gexi T

OSTMANN

, Wien 2009, S. 21-91.

IMPRESSUM DER OHBL.:

Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren

verantwortlich.

Anschrift des Autors dieser Nummer:

Univ.-Prof. Dr. Olaf Bockhorn, A-1140 Wien,

Anzbachgasse 63 bzw. A-9972 Virgen, Nie-

dermauern, Rain 10; E-Mail: olaf.bock-

horn@univie.ac.at

Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-

ter“ sind einzusenden an die Redaktion des

„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,

A-6176 Völs, Albertistraße 2 a; E-Mail:

meinrad.pizzinini@chello.at