OSTTIROLER
NUMMER 10-11/2017
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HEIMATBLÄTTER
auch nach außen hin an ihren bescheide-
nen Hutbuschen kaum mehr erkenntlich.
Früherer Zeit trug der Bräutigam und seine
Mitlader auf diesem wichtigen Gang, zu
allen Gesippten und Freunden weit und
breit herum, einen schwarzen, feintuchenen
Hochzeitsmantel, niedere Schuhe mit Sil-
berschnallen und einen hohen Hut mit rei-
chem Blumenschmuck verziert, auch der
Ladstecken
[mitgeführter Stab beim Ein-
laden]
war mit Blumen und Bändern ver-
sehen. Den Hochzeitladern musste von den
Geladenen, wenn es sich auch um einen
Widersacher oder kritischen Nachbar han-
delte, mehrmals versprochen werden, dass
man wohl zur Hochzeit komme und das
Hochzeitspaar in das Gebet einschließen
wolle. Zudem mussten Küche und Gaden
hergeben, was es an Gutem hatte, wollte
dem Hause nicht Unehre und üble Nach-
rede widerfahren. Eine Woche vor dem
Hochzeitstag begann das Kastenführen: Da
waren wieder die Hochzeitlader und
Brautwerber tätig am Werk. Die Hüte mit
Hahnenfedern und Blumen geschmückt,
Wagen und Pferde mit Flitter und Bändern
verziert, so wird zum Haus der Braut ge-
fahren, um ihr Hochzeitsgut in das Haus
des Bräutigams heimzuführen. Schön ist es,
wenn die Braut das Glück hat und ihr eine
liebende Mutter über den neuen Hausrat
den Segensspruch betet. Nach einem Fest-
essen und einigen Tänzen wird die Siedel-
truhe oder der Hochzeitskasten schwer ge-
füllt, von viel Mannsleuten auf den Wagen
gehoben, das Ehebett darauf festlich auf-
gerichtet und wieder mit Blumen und Bän-
dern verziert, und weit gebreitet liegt des
Bräutigams Hochzeitshemd, der Braut spe-
zielles Geschenk, auf dem Prangbett. Da
wird nun gejauchzt, geböllert und ge-
schnöllt
[mit der Peitsche geknallt].
Klau-
senmacher
[Klause = Enge]
versperren den
Weg und reimen das Brautpaar aus nach
Strich und Faden. Mit Lob, sind die jungen
Leute beliebt, wird nicht gespart, mit Tadel
und Spott, hat die Geschichte irgendeinen
Haken, nicht zurückgehalten. Sind die Kas-
tenführer geistesgegenwärtig, schlagfertig
und mundflink, so bleiben sie den Klau-
senleuten nichts schuldig. Wehe aber dem
Teil, der durch die Tüchtigkeit des andern
maultot gemacht ist. Ein Beleidigtsein gibt
es hier nicht und wird das Brautpaar auch
noch so derzaggelt
[?],
die Kastenführer
noch so derhechelt
[Hechelei = boshaftes
Gerede],
sie müssen doch ein ordentliches
Lösegeld zahlen, dass sie wieder ein Stück-
lein weiter kommen bis zur nächsten
Klause. Heiratet die Braut auf einem Berg-
hof, wo die Hennen Fußeisen anlegen müs-
sen, so wird das Heiratsgut eben getragen
und es geht darum nicht weniger lustig her,
nur braucht es eine ordentliche Rott Buem
[Buben]
zum Kastentragen. So eine rich-
tige Bauernhochzeit macht ein ganzes Dorf
roglicht
[unruhig, aufgeregt]
. Die Hoch-
zeitbuem müssen sich um eine Gespanin
[Begleiterin]
umtun, denn das Hochzeits-
mahl beimWirt wird einem jeden gleich für
zwei angerechnet und eine Tänzerin
braucht er ja auch.
Bei der Abendhochzeit im Hause der
Braut geht es schon hoch her und wenn
auch die Ladgäste Butter, Milch und Eier
mitbringen, so greifen die Köchinnen doch
gewaltig ins Zeug, und Reitern voll Krapfen
und Nigelen
[in Schmalz gebackene Germ-
teigröllchen]
werden in die Stube getragen.
„Von ander Leutns Leder ist leicht Riemen
schneiden“, geht der Spruch, dessen Sinn
die Brauteltern seufzend inne werden, wenn
einmal alles glücklich vorüber ist. Am
Hochzeitstag wird das Frühstück in den
Brauthäusern eingenommen. Brautabholen,
Kirchgang, Hochzeitsmesse mit Opfergang,
Auszug aus der Kirche zum Hochzeitsmahl
beim Wirt, Brauttafel und Buemzeche, das
alles geht die ganze Gemeinde an, raufen
sich doch schon die kleinsten Hosenmatze
auf dem Brautweg um die ausgeworfenen
Krapflen und Küpferlinge
[Münzen].
Und
erst das Hochzeitsmahl! Suppe mit Würs-
teln, Eingemachtes, Gebratenes, Gesotte-
nes, Kraut, Knödel. Die Musikanten spielen
den ersten Tanz „übers Kraut“. Dann wird
weiter getafelt. Kälbernes, Schweinernes,
Krapfen, Nigelen, Torte und alles ordentlich
mit Wein begossen. So geht es ohne Unter-
lass zwischen Essen, Trinken und Tanzen bis
3 Uhr nachmittags. Ein Kamerad des Bräu-
tigams entführt nach einem Tanz die Braut
in das nächste, oft auch in ein entlegeneres
Gasthaus. Bald aber folgen ihnen Musi-
kanten und Jungvolk nach und nur die Alten
bleiben zurück mit dem Bräutigam und den
Beiständen. Zum Abendessen aber finden
sich alle wieder beim Bräutigam ein und
eine ansehnliche Speisenfolge ergötzt auch
diesmal wieder die Gaumen, denn ein rech-
ter Bauernmagen verträgt schon etwas.
Zwischen 9 und 10 Uhr erfolgt der Auf-
bruch des Brautpaars, das von den Musi-
kanten und Braut- und Bräutigamsgespanen
geleitet wird. Vor dem Haus wird noch eine
Weile gespielt und getanzt und endlich das
junge Paar sich selber überlassen. Nun keh-
ren alle Gäste zurück, Tanz und Fröhlichkeit
beginnt mit neuem Auftakt und findet kein
Ende mehr, eh nicht der Morgen graut.
Wenn die Musikanten ermüden, setzt nicht
selten der raue Tanzsang der Männer ein:
„Hinter der Himmelstür/Hongen drei
Ochsngschirr,/sponn mirs drei Jungfraun
ein,/Fuhrwerk mueß sein“ oder „s Wögerl
is stickli, is stoanig,/heut geh is zum Dirndl
alloanig/aus lauter Gall, heunt‘s löschte-
mal.“ Von den Hochzeitsreimen ist allzu vie-
les verloren gegangen im Laufe der vielen
Jahrzehnte, insbesondere seit der Zeit, in
der große Hochzeiten so ziemlich außer
Brauch gekommen sind. Die zwanzig kargen
Friedensjahre zwischen zwei schweren und
verlustreichen Kriegen ließen nicht so viel
Wohlstand und Fröhlichkeit aufkommen,
dass man hätte wieder in das alte Fahr-
wasser kommen können. Es sei hier noch
eine Kostprobe aus einem Brautbegehrreim
angeführt, die von den Genüssen erzählt,
welche Brautpaar und Gäste am heutigen
Hochzeitstag erwarten
[der Reim entspricht
in Rechtschreibung und Zeichensetzung
dem Original]:
„Aufgetragn werdn allerhand Speißn,/
aber i konn sie nöt alle nenn,/und wers no
nie gessn hot,/der werds a nöt kenn./Die Kö-
chinnen bringen schon bsondere Schnapp-
len/von Hüendlen und Happlan./Allerhand
Schinkn,/von Schneckn und Finkn./Aller-
hand Brockn,/von Nudl und Nocken./Warms
und Kalts,/Jungs und Alts,/Gelbis und
Grüens,/Wildis und Schiens,/Groß und
Kleins,/ Ist den Köchinnen olls eins./Lauters
und Dicks, etwas und nix,/Was Guets und
was Schlechts,/was Liebs und was Rechts,/
Gesottns, Geschmalzns,/Gepfefferts Ge-
salzns,/Geröstets Gebahnts,/Verwixts und
Verdrahnts,/geböckelt, gestöckelt,/gemudlt
genudlt,/geblasn gedudlt,/gepreßt und ge-
druckt, daß mans leichter derschluckt./
Gewixt und gebögelt,/gebohrt und geschlö-
gelt,/gebuttert verzuggert,/geschüttelt ge-
schwung,/für die Alten und Jung./Lei raumt
enk den Mogn,/dös mueß i enk sogn,/von
Kuchl und Keller,/auf Schüssl und Teller,/
werd ihr nach Genüegen,/den Bauch volle
kriegn./Und eßt enk lei gnue,/und trinkt frei
derzue./Es macht wohl Scherereien,/und
braucht viel Spezereien,/a Anis a Senefle,/
a Essig a Öl,/a Pfeffer a Safran/und Kraut
allerhand,/I bin all den Plunder zu nönnen,/
gar nit in stand./Und eßt grod frei lustig,
dös macht enk doll durstig,/der Wirt, der
siehts gern,/wenn seine Fassler lar werdn.“
Alles, was in den ernster gehaltenen Tei-
len der alten Hochzeitreime über Eltern-
segen und Gotteshuld im neuen Haus-
stand, über Lust und Leid für ein langes
Zusammenleben gesagt wird, ist uns im
heimatlichen Schrifttum allzu lückenhaft
überliefert worden und klingt, soweit es
„Matrei 1870 – Herbe klobige Gestalten, wie sie Egger-Lienz gesehen.“
(„Osttiroler Heimatbuch“, Blatt 406, unten)
Fotograf unbekannt