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OSTTIROLER

NUMMER 10-11/2017

2

HEIMATBLÄTTER

cher dem Original des Heimatbuchs bei-

liegt. Dem ersten Brief vom 25. April ist

zu entnehmen, dass sich Böhme-Rabus in

Lienz aufgehalten und seine Osttiroler

Fotos schon damals Wibmer-Pedit gezeigt

hatte; er hoffte auf ein baldiges Wiederse-

hen. Er war zu dieser Zeit in der „Ostmark“

und speziell im Gau Kärnten (dem Osttirol

zu dieser Zeit angehörte) tätig und sollte

dem Klagenfurter Propagandaleiter Dumbl

beimAufbau eines Bildarchivs helfen, was

er „wegen seiner photographischen For-

schungsarbeit für die Wehrmacht“ dann

aber absagen musste (26. Mai 1944), nicht

ohne vorher bereits passende Bilder in Ost-

tirol aufgenommen zu haben.

Am 14. Mai teilte er Wibmer-Pedit mit,

dass er zwei Päckchen mit jeweils 88

Fotos „aus Kals/Osttirol“ an den Lienzer

Bürgermeister Emil Winkler geschickt

hatte, aus denen sie sich – bevor dieser die

176 Bilder durchgesehen hatte – die ihr

passenden aussuchen sollte, ehe die restli-

chen an Frau P. vom Propagandaamt Lienz

weitergegeben würden. Er bedauerte, dass

er derzeit keinen Zugang zu seinem reich-

haltigen Privatarchiv habe, hoffte immer

noch auf eine Rückkehr nach Lienz und

weitere gute Zusammenarbeit mit der „ein-

zigen Seele, die zu mir stand“ (4. August).

Zu einem Treffen sollte es nicht mehr

kommen, weil er weiterhin und offenbar

ausschließlich Bildreportagen über die

Wehrmacht zu machen hatte. Ob er das

Kriegsende überlebte ist mangels jeglicher

Quellen zu seiner Person nicht feststellbar.

Für diesen Beitrag war eine auch um-

fangmäßig passende Auswahl aus den

volkskundlichen Beiträgen im Heimatbuch

zu treffen. Sie fiel auf „Hochzeitsbräu-

che“

10

als Unterkapitel von „Brauchtum“

und den selbstständigen Teil „Trachten“

11

,

weil sie in beiden nicht nur auf Literatur

zurückgriff, sondern auch eigenes Erleben

eingeflossen war. Tippfehler und Zeichen-

setzung wurden korrigiert, die spärlichen,

zudem unvollständigen Quellenhinweise

überprüft und in Fußnoten mit Erschei-

nungsjahr und Seitenzahlen versehen.

Die Wiedergabe der Texte erfolgt mit weit-

gehender Beibehaltung des Schreibstils

und mancher Dialektausdrücke (die fall-

weise in eckiger Klammer erklärt werden)

in neuer Rechtschreibung, Originalzitate

im Text blieben hingegen unverändert.

Hochzeitsbräuche

Das bäuerliche Hochzeiten dauert vom

November bis Ende der Fasnachtstage. Die

Vorbereitungen sind mannigfaltig und

meist ortsgebunden. Die weitläufige Hoch-

zeitszeremonie beginnt mit dem Brautwer-

ben. Selbst wenn sich die Liebenden schon

jahrelang einig sind, wird das „Werben“

recht umständlich und offiziell in Szene ge-

setzt. Wenige Wochen vor dem geplanten

oder auch nur vom Bräutigam erwünschten

Hochzeitmachen kommt dieser mit zwei

seiner besten Freunde als Werber in das

Haus der Liebsten. Dabei lässt sich die

Umworbene überhaupt vorerst gar nicht

sehen, Bauer und Bäuerin mit dem Ehalten

[Gesinde, hier: baldiger Bräutigam]

tun

möglichst fremd und erstaunt über den

scheinbar ganz unerwarteten Besuch,

wenn die Angekommenen auch freundlichst

zu Tisch geladen werden. Da wird dann

vom Wetter und Viehstand, vom Stand der

Saaten und von vielem noch geredet, das

weitab von der Sache liegt, um derentwil-

len sie gekommen sind. Endlich fragt einer

der Mitwerber wie von ungefähr um die

Haustochter. Darauf die Mutter erklärt, die

Gesuchte wäre in Kuchl oder Kammer, sie

sei ja immer voll Arbeit, ob er sie brauche

oder ob sie ihr was ausrichten soll. Nein,

nein, meint dann der Bursch, er müsse sie

selber was fragen und verlässt gleichzeitig

die Stube. Wenn nun die Braut mit den Wer-

bern nicht einverstanden ist oder ihrem

Liebsten nicht mehr im Wort bleiben will,

ist die Dirn eben nicht zu finden und die

Werber müssen mit Schand und Spott ab-

ziehen. Im andern Falle aber, wenn sich die

Braut vomWerber in die Stube führen lässt,

bringt die Hausmutter gar bald Kaffee und

die goldgelben Werberstrauben

[ein

Schmalzgebäck]

daher, die ja auf geheim-

nisvolle Weise schon von länger her vor-

bereitet waren. Mit Wein und Schnäpsen

packen die Werber aus. Bei Schmaus und

Trunk wird die Hochzeit ausgerichtet, das

Lidgeld, die Mitgift der Braut, vereinbart

und festgesetzt und der Hochzeitstag be-

stimmt. Die Werber bekommen in ein neues

Schneuztüchl gebunden ihre Werberstrau-

ben mit auf den Heimweg. Den nächsten

Tag wird meist vor dem Notar richtig ge-

macht, im Pfarrwidum der „Handstreich“

gegeben und das Brautexamen absolviert.

Den Sonntag darauf kugelt das Brautpaar

das erste Mal von der Kanzel herab und

Braut wie Bräutigam, die gegenwärtig

sind, tun einen tiefen Schnaufer, wenn sie

den Pfarrer sagen hören: „Zum Sakrament

der Ehe haben sich entschlossen.“

Nunmehr ist keine Ruhe im Hause der

beiden Hauptbeteiligten. Das Hochzeit-

laden beginnt. Heute geht es ja bedeutend

nüchterner her und die Hochzeitlader sind

Beispiel eines Blattes aus der für das „Osttiroler Heimatbuch“ vorgesehenen Sammlung,

die auch auf Papierblätter aufgeklebte Fotografien von Friedrich Otto Böhme-Rabus ent-

hält. – „In der Spinnstube. Kals, Ost-Tirol.“ 1944.