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OSTTIROLER

NUMMER 10-11/2017

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HEIMATBLÄTTER

dunkelfarbigem, geblümeltem Samt, einen

bunten Brustlatz, kleines Halsgoller und ein

leinernes, bunt ausgenähtes viereckiges

Brusttuch. Darüber wurde noch das seidene

Halstuch geschlungen. Die Weiber trugen

rote Hutschnüre, die Ledigen grüne. Die in

den 80er Jahren in Hochblüte stehende De-

freggertracht konnte nur an Festtagen und

bei Brautzügen getragen werden, da sie in

Haus und Feld zu unpraktisch und hem-

mend war. Die Defregger Mannsleut hatten

zu Festzeiten ihre Schützentrachten, wie sie

heute noch getragen werden, im übrigen

brachten es ihre Handelsreisen und ihre

auswärtige Berufstätigkeit mit sich, mehr

der städtischen Mode zu huldigen, was sie

auch mit großem Anpassungsvermögen und

gutem Anstand zu tun verstanden. Dem hei-

mischen Bildhauer Virgil Rainer ist es ge-

lungen, von allen Abarten der Osttiroler

Bauerntrachten das Ansprechende aufzu-

treiben, als er für die Kostüme die dazu pas-

senden markanten Bauernköpfe schnitzte;

die Figuren sind im Innsbrucker Volkskun-

demuseum, wo ihnen ein eigener Saal ein-

geräumt wurde und jedem Trachtenkundler

ein wertvoller Behelf sind.

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Rainer hatte

auch noch die prachtvolle Tracht der

Kandlträger zustande gebracht, wie sie in

Matrei noch vor 60 Jahren gebräuchlich

waren, sie trugen dem Brautzug die Wein-

kannen voraus, daraus am Altare dann von

Brautpaar und Gästen der Johanneswein

getrunken wurde; „Die Johannesminne“

nannten sie diesen Hochzeitswein im Mit-

telalter. Die Kandlträger trugen die dun-

kelroten Röcke, die noch aus der ältesten

Matreier Tracht stammen sollten, wie sie im

16. Jahrhundert üblich waren. Diese Fest-

stellung kann man auch an Hand alter

Votivbilder verfolgen. Prägraten, Virgen

und Matrei hatte eine fast einheitliche

Tracht. Ignaz Ingruber aus Ainet erzählt

uns vor zwanzig Jahren in den Ostt. Hei-

matblättern

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, dass er sich noch der alten

Hinterberglermode gut erinnern könne, da-

mals trugen die Frauen an Wintersonntagen

noch enz[ends]lange Pelzhauben und ein

Meter lange Fuchsbalgschliefer (Muff). Das

Schnürmieder mit rotem oder grünem Brus-

tich

[Brusttuch],

und über dem schweren,

braunen, reichgefältelten Lodenkittel trugen

sie das reistene Fürtuch

[Schürze],

ein

knallrot gefärbtes Leinen. Vor 70 Jahren

aber hatte sich die Frauenmode schon we-

sentlich geändert und in der Lienzer Um-

gebung trug man den hohen Spitzhut, am

Ansatz der Krempe von einer daumendicken

Schnur umwunden, mit einer von Gold oder

Silberfäden durchsetzten, doppelten Quaste

abgeschlossen. Die Unterseite der Krempe

trug zur Hälfte einen grünen Atlasbesatz,

von einem dreifingerbreiten, feingefältelten,

schwarzen Taffet abgeschlossen. Der dun-

keltuchne, prall anliegende Tschöp war von

einem bunten, um den Hals geschlungenen

Seidentüchlein belebt. Die Ärmel trugen an

Schultern und Oberarm über dem reichge-

fältelten Tuch aufgesteppten Taffetzierat,

der reiche Pauschärmel war am Handge-

lenk wieder anliegend gearbeitet. Die Kittel

waren immer aus guten Hausloden gear-

beitet, schwarz und braun gefärbt, aber

auch hell- und dunkelgrün, wein- oder blut-

rot, braun, veilchen- und montagsblau, sehr

häufig auch kariert. Es wurden dazu drei

und selbst vier Lodenbreiten aufgewendet.

Die Schwere und den Umfang dieser Kittel

kann man sich wohl vorstellen. Die Braut-

kittel waren meist von feinerem Tuch und

dunkelfarbig. Das Fürtuch aus Cloth

[Kloth = Baumwollstoff],

Kattun

[Kattun =

Baumgewebe]

, Barchent

[Barchent = aus

Baumwolle oder Leinen],

Taffet oder Seide

schillerte in den mannigfaltigsten Farben,

die langen, breiten Knüpfbänder wurden

meist vorn gebunden, Weiber trugen die

Masche an der rechten, Ledige an der lin-

ken Seite. Zu Hochzeiten und am Antlasstag

[Gründonnerstag]

tragen die Dirnen weiße

Schürzen mit buntseidenen Knüpfbändern.

Der Kranz bestand früher aus Kunstblu-

men, bunten Röslein mit Flitter und Fili-

granschmuck durchsetzt, später erst Myr-

ten. Im Iseltal war für Bräute und Mutter-

gottesträgerinnen bis in die jüngste Zeit

herauf der frische Rosmarinkranz üblich,

darum wurde in den Stubentöpfen auch die

Rosmarinstaude mit Sorgfalt gezogen und

gepflegt. Ebenso trugen auch die Männer

auf ihren Stotzen und Schützenhüten rei-

chen Blumenschmuck, im Sommer natür-

lichen, imWinter künstlichen. Der Rosmarin

durfte auch bei ihnen nie fehlen, dazu

kamen noch Wild- oder Hahnenfedern. Sie

trugen auch unerlässlich die „Fatsche“,

den schon erwähnten, manchmal auch sil-

berbenagelten Ledergurt. Für die Männer

gab es auch kurze Festtagsjanker, wie etwa

die Bürgertracht in Matrei und die dortige

Bubentracht für die Florianträger am Ant-

lasstag. Man kann nicht sagen, dass die

Männer an Farbenpracht und Zierat weni-

ger Freude hatten. Das seidene, fransenge-

schmückte, geblümelte Halstuch war ihre

ständige Sorge und wurde vorne mit einem

Silberring verknotet. Das Leibl unter dem

Rock bestand aus geblümeltem Seidensam-

met. Zur kurzen Lodenhose trugen sie blau

und weiße, schön gemodelte Strümpfe mit

den niederen Schuhen. Die Männertracht

scheint nur mehr bei großen Volksfesten,

seltenen Bauernhochzeiten großen Stils und

in Museen auf. Die vielfältigsten Abarten

waren in Matrei gebräuchlich, leider ist der

größte Bestand beim großen Brande im

Jahr 1897 zu Grunde gegangen, und die

große Sammelaktion an Kleidern, die aus

den Tiroler Städten einlief, mag zur Ver-

städterung sehr viel beigetragen haben. An

einer Handvoll eisgrauer Bergbauern kann

man sonntags noch die Reste einer einst so

stattlichen Originaltracht bewundern, und

es ist augenscheinlich, als ob diese Patri-

archen in ihren lodenen Futteralen auch als

Menschenschlag noch ganz und gar die

Alten verblieben wären.

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An Hand eines

der ersten Lichtbilder können wir noch die

klobige Lebenskraft unserer Vorfahren be-

wundern, und Egger-Lienz hat seine Bau-

ern aus den Urgründen her ganz recht ge-

sehen und auch mit seinem geistigen Auge

erfasst und uns überliefert. Das neu auf-

lebende Schützenwesen der letzten Jahre

trug auch viel zum Aufleben der alten

Trachten bei.

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Die Schützenmarketende-

rinnen zeigten dem Frauenvolk, wie vor-

teilhaft sie das ernste und heitere Element

der alten Bauernmode kleide, und so griffen

auch die Jungen, der abgelegten Stadtmode

müde geworden, zuweilen recht gerne zum

Alten zurück, denn: „Wohl hat sie nicht die

Leut gemacht, doch stand sie stramm, die

alte Tracht.“

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Bäuerliches

Paar aus dem

Iseltal mit dem

sog. Blattlhut,

um 1900.

(„Osttiroler

Heimatbuch,

Blatt 408)

Fotograf

unbekannt

„Kalser

Bäurinnen am

Sonntag“, 1944.

(„Osttiroler

Heimatbuch“,

Blatt 413)

Foto: Friedrich

Otto Böhme-

Rabus