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OSTTIROLER

NUMMER 3-4/2017

6

HEIMATBLÄTTER

Die große Zeit hat mich tüchtig und ich

kann mir oft nicht helfen vor drängender

Erwartung der Zeit wo ich ungestört mein

Schärflein dem deutschem Volke darbrin-

gen kann indem ich ihm seine größte Zeit

im Bilde verewigen helfen möchte. Wie ah-

nungslos und froh saßen wir damals im

Frühherbst am Eisack im Weinbuschen - -

Seit dieser Zeit ist viel Ungemach gekom-

men. Ich verlor einen besten Freund durch

Tod dan kam der Krieg und im Winter

wurde ich schwer krank (Lungenentzün-

dung) von den vielen lieben Bekanten die

der Krieg bereits verschlungen, nicht zu

reden, aber sie kämpften für unser Vater-

land. Mein Gesundheitszustand war nach

der Krankheit nicht zum besten so daß ich

nach 4 wöchendlichen Kriegsdienst an der

Südtirolerfront zum Wachdienst nach

Bozen und von da in Zivil als Künstleri-

scher Beirat dem das k.k. Kriegsfürsorge-

amt Bozen-Gries zugeteilt wurde. Ich habe

bereits eine Serie Kriegsbilder (Selbster-

lebtes) für Ansichtskarten für Fürsorge-

zwecke fertig gestellt; sobald sie erschei-

nen, werde ich ihnen eine Serie (6 Stück)

senden. Ich kann mich nun völlig meiner

Arbeit wiedmen, und reise von Zeit zu Zeit,

wärmstens unterstützt vom Hauptko-

mando, an die Front, wo sich die gewal-

tigsten Eindrücke darbieten. letzthin war

ich 8 Tage an der Dolomitenfront fast 3000

Meter hoch bei den Stellungen. Diese

Natur dieser Geist - -

Zuhause aber reift mein neues Bild als

Entwurf der Krieg 1914-15 oder ‚Die Hel-

den von 1915‘ Soll das größte an Maßen

werden u. hoffentlich auch mein bestes.

Die Erlebnisse selbst in Bozen sind güns-

tig, kommt ja fast das ganze Kriegsvolk

wechelweise hier durch u. hält sich auch

auf. - -

Meine Eindrücke als ich mit den Stand-

schützen ausrückte, versuchte ich in einem

Aufsatze welchen ich Ihrer verehrten Frau

Breucha hier beilege, festzuhalten. Wirk-

lich verwerten oder verarbeiten läßt sich

das (wie Sie auch sagen) wohl erst nach

Jahren.

Der Ciklus von welchem Sie 2 Bilder ge-

sehn haben, mußte freilich beiseite gestellt

werden, bis die Zeit kommt. Das vereinte

Kämpfen der Deutschen u. Österreicher

von welchem Sie so schön Bemerkungen

machen, ist das Hauptmotiv meiner Bilder

‚Helden‘.

Und nun verehrter Herr Breucha sage

ich Ihnen u. unbekannter Weise Ihrer Frau

Gemahlin meine herzlichsten Glückwün-

sche zu dem Familien zuwachse, welcher

mit dem schon früher bestehenden sicher

eine tüchtige zukünftige Generation des

deutschen Volkes ergeben wird.

Daß die Italiener nicht hereinkommen,

wird jedem klar der die Verteidigungs-

maßnahmen an den Grenzen Gesehen hat.

In der frohen Hoffnung Sie im Frieden

bald wieder zu sehen verbleibe ich mit den

herzlichsten Grüßen Ihr ergebener A.

Egger-Lienz

beiliegend 3 Zeitungsauschnitte.“

37

Trotz aller Kriegseindrücke, patheti-

schem Nationalgefühl und Kunstdebatten,

die in den vorhandenen Briefen in den Vor-

dergrund zu rücken scheinen, bleibt auch

während des Krieges Zeit für persönliche

Glückwünsche, etwa zum überaus reichen

Kindersegen im Hause Breucha. Doch

auch in diesen kleinen Notizen lassen sich

die Einschränkungen des Krieges deutlich

ablesen. Nennt Egger in Friedenszeiten

und während des Krieges bei seinen Kor-

respondenzen im Hinterland den Ort, an

dem er sich befindet, muss dies im Einsatz

aus militärischen Sicherheitsgründen un-

terlassen werden, um nicht der Zensur zum

Opfer zu fallen. So findet sich statt Wien,

Weimar, Längenfeld, Innsbruck, Lienz,

St. Justina etc. nur ein undefiniertes „Stand-

ort“ bzw. „interessanter Platz unser Front“.

Ebenso Eingang in die Briefe fand bereits

seit Jänner 1915 eine Formulierung bzw.

ein Wunsch, der sich in den kommenden

Jahren noch verstärken wird: ein Wieder-

sehen in Friedenszeiten.

„Abs. Prof. Egger-Lienz

Div.San.Anst.91

Sekt. I

Feldpost 98 B

Standort 17. II 16

Lieber Herr Landgerichtsrat!

Ich sende Ihnen u. Ihrer geehrt. Frau

meine herzlichen Glückwünsche zur Ge-

burt Ihres 9. Knaben, dem 14. Kinde. Heil!

Ich bin seit 5 Wochen an einem der in-

teressantesten Plätze unser Front. Habe

gemalt. Am 20. wieder nach Bozen. Hoff-

endlich sehen wir uns bald und in Frieden:

Mit den herzlichsten Grüßen an Sie u. Ihre

Lieben Ihr Egger-Lienz“

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Als der Frieden eintrat, hatte er für Tirol

weitreichende Folgen. Das Kronland, das

einst über drei Sprachgruppen hinweg vom

Gardasee bis zum Karwendel reichte,

wurde geteilt, Eggers neue Heimat lag nun

im Königreich Italien, seine alte in einem

Österreich, das nach dem Verlust des

Großteils seiner Territorien von einer

europäischen Großmacht auf einen Zwerg-

staat geschrumpft war. Die Orientie-

rungslosigkeit, die im neuen Staat vor-

herrschte, bannte der Maler nicht nur auf

Leinwand, sondern fasste sie auch in

Worte, wie im folgenden Brief:

„Mein lieber Franz!

Wieder einmal Weihnachten. In Öster-

reich wüthet die Hungersnot. Und was

darauf folgt, wer weiß es? Der Dritte im

Bunde ist noch nicht gekommen. Und

Deutschland? Auf einem Cadaver trampelt

die Welt, nun ein Jahr herum und bekommt

noch immer nicht genug. Nichts zeigt bes-

ser den Stand der Kultur von heute besser,

als dieses schrankenlose von keiner Moral

mehr gehemte Wüthen, gegen einen wehr-

losen, besiegten. Schwer ist es jedenfalls

der heutigen Jugend, Vertrauen und Mut zu

schöpfen zu Taten, in einer Zeit des

schwärzesten Faustrechtes.

„Hoch oben auf Vorposten“, „Abschied“,

„Der Älteste und der Jüngste“, offizielle

Karten für das Rote Kreuz, das Kriegsfür-

sorgeamt, das Kriegshilfsbüro und die

Tiroler Standschützen, entworfen im Jahr

1915 von Albin Egger-Lienz, erschienen

im Verlag Johann F. Amonn, Bozen.

(Orig. und Rep. Museum Schloss Bruck)