OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2017
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HEIMATBLÄTTER
Die 37 Stück des Briefwechsels zwischen
April 1922 und Dezember 1925 zeigen aber
nicht nur den Künstler, sondern auch den
Menschen Egger-Lienz, welcher eine
Freundschaft zu Soyka aufbaut. Die Anrede
wechselt in den Jahren von „Sehr geehrter
Herr!“ zu „Lieber Freund“. Mehr noch,
1925 besteht Egger auf dem Du-Wort.
„Lieber Freund!
Dein lieber Brief hat mich sehr gefreut
da er mir ein Zeichen ist, wie harmonisch
unser gegenseitiger Verkehr
sich in Lienz gestaltete.
Deine Mitteilungen über
den Stand der Professur
haben mich natürlich sehr
interessiert und in meiner
Vorausahnung nur bestärkt.
(So wird‘s gemacht.)
Heute wais ich noch
nichts ob M. Schneider in
Lienz war. So wie ich bis
jetzt noch keine Nachricht
habe, über den Verlauf des
Festes. Vom Bürgermeister
und Herrn Solderer u.
Hibler u. Maier
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, erhielt ich
das Geleite zum Bahnhof.
Das heißt, sie waren im Ci-
linder da.
[…]
heute haben
wir beschlossen, morgen
wieder nach Bozen entgül-
tig nach Hause zu fahren,
nachdem Frau, u. ich 5 Tage
hier waren. Lorli u. Ila sind
noch in Grödn u. kommen
morgen auch nach Bozen.
Es ist hier zu kalt u. unge-
mütlich dadurch. Und zu
hause für mich viel zu tun.
Deine Bemerkungen be-
zügl. unseres ‚Du‘ sollte ich
eigentlich nicht gelten las-
sen. Denn das freundl. Du
ist für mich der Ausdruck
des Vertrauens zu dir, was
mit Verdienste etc. etc. nicht viel zu tun hat.
Wenn ich bedenke zu welchen Schuften
ich ‚du‘ sagte!!! So erscheint mir in diesem
Falle das Prädikat fast wie nie zutreffend,
und ich wünschte daß dies auch meiner-
seits bei dir zutrifft.
[…]
Also bis heute
weiters herzlichen Gruß auch von meiner
Frau von deinem herzlich ergebenen
Freund Egger“
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Die „selbstherrliche Art, mit der er da die
eigene Leistung auf Kosten seiner Kollegen
Blick in das Atelier von Albin Egger-Lienz in der Weimarer Akademie; links die Werke
„Wassernot“ und „Bergraum“, rechts ein Porträt von Otto Kunz. Der Künstler selbst sitzt
vor dem Tryptichon „Erde“ mit den Teilen „Sämann“, „Almlandschaft“, „Mäher“.
(Fotografie im Archiv Museum Schloss Bruck)
Fragment der ersten, zerstörten Fassung
des Gemäldes „Totentanz“, entstanden
1906/07, seit 2015 im Besitz der Stadt
Lienz.
(Orig. und Rep. Museum Schloss Bruck)
In den zahlreichen Briefen von Egger-Lienz stand der Inhalt
im Vordergrund; das Schriftbild war nebensächlich, wenn es
um Kunstkritik ging.
(Orig. und Rep. Museum Schloss Bruck)
herausgestrichen hatte“
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, berührte nicht nur
Anhänger der von Egger attackierten
Künstler unangenehm, sondern verstörte
auch Menschen, die ihn und seine Arbeit
schätzten. Doch es gab, neben viel Kritik,
auch begeisterte Zustimmung von Gleich-
gesinnten, zu welchen wohl unter anderen
Soyka und Breucha zu zählen sind. An letz-
teren schrieb Egger bereits zwei Jahre vor
jener ausschlaggebenden Ausstellung in
Dresden über ein Werk, das so oft wie keine
andere seiner Arbeiten ausgestellt und ab-
gebildet, aber auch im Laufe von 100 Jah-
ren am widersprüchlichsten gedeutet wer-
den sollte.
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Von 1906 bis 1921 schuf der
Künstler sechs Fassungen seines „Toten-
tanz“, 1910 schrieb er über dieses Werk an
Johann August Breucha:
„Sehr geehrter Herr!
Ihre freundlichen Zeilen haben mich
sehr gefreut weil sie von einem ‚Men-
schen‘ kommen im wahren Sinn des Wor-
tes. Wie selten findet man heute im Zeit-
alter der Verbildung und Vorurteile, ein
selbstständiges gesundes Urteil einem
Werke gegenüber, welches völlig abseits,
einen einsammen Wege geht.
Ich habe in den Zeitungen die wunder-
lichsten Dinge über den Totentanz gelesen,
aber auch manches wirklich verständige
Wort. Im ganzen bin ich mit der Kritik zu-
frieden, dieses Bild hat überal nachhalti-
gen Eindruck gemacht, und wen dies ein
Bild im guten Sinne tut muß es auch echtes
Leben haben.
Hodler mit mir zu nennen ist absurd, da
ich mich nicht einmal eine Anregung durch
diesen Künstler bewußt bin; was jeder Tie-
fer-schauende sehen muß. Im allgemeinen
ist mir die Kritik ziemlich gleichgültig, da
sie mir nichts neues sagt, Ich hoffe nach
manchen Anlaß zu ‚vernichtenden wie
lobenden‘ Kritiken zu geben, im Durch-
schnitt sind mir die ‚vernichtenden‘ lieber,
als die vorsichtig lobenden. Nie reizt der
‚Schwache‘ zum Zorn auf.
‚Die Lebensalter‘ aus meinem Volke ge-
schöpft, dürfte mein nächstes großes Bild
werden.
Herrn Dr. Domanig habe ich noch nicht
nach Eintreffen Ihrer freudl. Zeilen getrof-