OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2017
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HEIMATBLÄTTER
fen. Ich werde Ihm Ihre Grüße nächsten
entrichten.
Nachträglich wünsche ich Ihnen alles
Beste zum Jahreswechsel u. zu Ihrer Er-
nennung.
Sie einmal hier zu sehen wird mich sehr
freuen. Hochachtungsvollst Ihr Egger-
Lienz“
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Der Erste Weltkrieg
Gerade erst ein Jahr wohnte die Familie
Egger in St. Justina bei Bozen, als der
Erste Weltkrieg die Region nicht nur räum-
lich isolierte, sondern auch in ernste wirt-
schaftliche Schwierigkeiten brachte. Der
Kontakt zu potenziellen Käufern wurde
durch den Rückgang von Ausstellungs-
tätigkeiten in den kriegführenden Ländern
stark eingeschränkt, der Transport von Bil-
dern immer schwieriger.
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Dennoch klingt
aus den Briefen Egger-Lienz‘ in den ersten
Wochen des großen Krieges eine Begeis-
terung, die zweifach begründet sein dürfte.
In deutschen wie in österreichischen Lan-
den herrschte vor allem in den größeren
Städten ein Phänomen vor, das als
„August-Erlebnis“ bezeichnet wird.
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Auf-
gehetzt von Presse und Politikern, sehnte
man eine Entscheidung herbei, die man in
einem kurzen, erfolgreichen Krieg, einer
Art „Strafexpedition“ an Serbien, erhoffte.
Bei Egger-Lienz dürfte jedoch noch eine
weitere Komponente hinzukommen – in
seinen Briefen scheint der Künstler häufig
die Meinung wie auch den Schreibstil der
Gegenseite widerzuspiegeln, wenn auch
seine Orthographie häufig mit diesemAn-
sinnen nicht mithalten kann.
„Lieber Herr Landesgerichtsrat [Breucha]!
Schon oft war ich dran Ihren lieben Brief
zu beantworten, aber die bewegte Zeit - -
Vor allem bitte ich meine herzlichsten
Glückwünsche zum dreizehnten gesunden
Kind, entgegenzunehmen. Insbesondre
aber auch zu dem Glücke welchen Ihnen
eine so treffliche Frau beschert hat.
Für Ihre freundlichen Worte welche Sie
meinem schriftstellerischen Auftreten
gegen den modernen Kunstschwindel,
wiedmen, sage ich Ihnen meinen besten
Dank. Der Krieg wird diese Verflachung
unseres Kunstlebens wie auch vieles an-
dere, beheben, vorausgesetzt daß nicht
unser innerer Feind des ‚Materialismuß‘
schon zu starke Wurzeln geschlagen hat.
Der böße Feind der da so viel Unheil ge-
stiftet hat, wird nicht rasten – darum muß
vor allem die Rasse in Deutschland, front
gegen die Spekulation machen.
Ihre trefflichen Worte welche Sie dem Rin-
gen wiedmen, sind auch ganz die meinen.
Bei tausend Gelegenheiten äußert sich heute
diese große Zeit; wie schiest die Art, die
Freude, die Hoffnung aus allem was man
anschaut, was einem begegnet. Der Gedanke
allein daß Deutschland an der Seite Öster-
reichs, für die Existenz des deutschen Volkes
kämpft, gegen eine dreifache Übermacht, ist
herzerschütternd und die Macht und Genia-
lität mit der Deutschland kämpft, muß auf
der ganzen Welt, den Glauben an die Wahr-
heit, Kunst u. Freiheit wieder neu erwecken.
Es scheint als bediente sich unser ureige-
ner Vater, des deutschen Volkes, um die
Niederträchtigkeit die sich der Welt be-
mächtigte, niederzumachen. Wer kann sich
diesen Empfindungen wiedersetzen der es
mit dem Leben ernst meint? So hat dieses
ungeheure Geschehen mich auch aus mei-
ner Welt gerückt und da ich voraussichtlich
direkt nicht anteilnehmen kann, so will ich
mich im Geiste beteiligen.
Ich habe nämlich vor, ein sehr großes
Bild zu malen, welches den Krieg 1914
(Deutschland u. Österreich Schulter an
Schulter) zum Ausdruck bringen soll. Ich
bin auch bereits am Entwurf.
Mein Cyklus zu welchn 2 Bilder fertig
sind, muß nun kurze Zeit warten. Wenn uns
das gnädige Schicksal im nächsten Jahr
wieder einmal zusammenführen sollte,
werden wir hoffendlich vor der fast ferti-
gen Arbeit stehen und unseren Sieg bei
einem Glas feiern.
Und nun meinen herzlichsten Gruß
wenn ich weiter bin, werde ich wieder was
hören lassen u. die versprochenen Scizzen
auch endlich absenden Ihr Egger-Lienz“
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Im Dezember 1914 erkrankte Egger
schwer an einer Darmvergiftung und über-
legt, seinen Wohnsitz nach München zu ver-
legen, eine Idee, die wieder verworfen wird.
Ende April 1915 meldet sich der 47-Jährige
zu den Bozner Standschützen, nicht zuletzt,
um einer Einberufung und Verlegung nach
Galizien zu entgehen, um die dortigen mas-
siven Verluste bei den Kaiserjägern auszu-
gleichen. Als Italien am 3. Mai 1915 den
Dreibund mit Deutschland und Österreich-
Ungarn kündigte und am 23. Mai den Krieg
erklärte, war Egger-Lienz schon vereidigt
und an die Südgrenze Tirols versetzt. Gut
zwei Wochen ist der Maler als Soldat an der
Front, bevor er von Dr. Friedrich Plahl,
einem Festungsarzt, auf Grund von „Herz-
beschwerden beim Aufwärtsgehen“ vom
Dienst bei den Standschützen freigestellt
wird.
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Über seine Erlebnisse berichtet er im
August 1915 an Breucha:
„Sehr verehrter Herr Breucha!
Herzlichen Dank für ihre lieben Zeilen
welche mir immer so ganz meinen Ton tref-
fen.
Letzte Wo-
chen in der
Friedenszeit
– Grußpost-
karte an Jo-
hann August
Breucha mit
den Unter-
schriften von
Albin Egger-
Lienz, Otto
Kunz und
Franz Bunke,
datiert mit
9. Mai 1914.
(Orig. und
Rep. Mu-
seum Schloss
Bruck)
Wenn der Künstler viel zu sagen hatte, konnten auch mehrseitige Briefe, beinahe Aufsätze,
entstehen. – Schreiben an den Landesgerichtsrat Johann August Breucha, datiert mit
St. Justina, Bozen, 10. August 1914.
(Orig. und Rep. Museum Schloss Bruck)