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OSTTIROLER

NUMMER 3-4/2017

3

HEIMATBLÄTTER

Kunst heißt auf Deutsch die Natur nicht

nachahmen, sondern sie durchdringen

aber ohne ihre Charakterform zu verän-

dern. Das kann nur eine Generation deren

Blutpol den Nervenpol überwiegt – Das

hab ich schon oft gesagt, vielleicht können

Sie sich an meine Zeitungsartikel, welche,

weil sie das ‚Gesunde‘ verteidigten, das

große Afterkunstjounalistentum in

Deutschland aus dem Häusl brachten, und

mir fast das ganze Deutsch u. Österreichi-

sche Schrifttum zum Feinde machte, erin-

nern. Darum war es Ihnen auch in Wien

schwer, Ihren übrigens hübschen Artikel,

unterzubringen.

Venedig, könnte durch meinen großen

Saal ein heilsamer Wink für die immer

mehr in Sumpf des Scheins u. Schwindels,

versinkende moderne Kunst, sein; aber wo

wäre der Rufer? Zu tief ist alle Kritik an

die ‚Moderne‘ verschuldet. Meine Kunst

apelliert auf einen Kreis der ‚Nichtergrif-

fenen‘ und das ist genug. Goethe sagte ein-

mal: ‚Wir schaffen nur für einen gewissen

Kreis der Verstehenden‘ (so ähnlich) und

das ist auch genug.

Ihre Absicht in dieser Hinsicht etwas zu

unternehmen, ist sicher löblich u. wo ich

kann, stehe ich Ihnen gerne zu Verfügung.

Doch müßte so etwas ganz und stark getan

werden, oder gar nicht. Eine zaghafte Pro-

paganda würde der Sache schaden. Über-

haupt ‚Propaganda‘ müßte man im besten

Sinne verstehen, was ich natürlich bei

Ihnen voraussetze.

[…]

Also lieber Herr Soyka besten Dank

für Ihren guten Willen – sollten Sie je etwas

in der genannten Hinsicht unternehmen, so

bitte ich Sie, mir davon mitzuteilen.“

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Albin Egger-Lienz, „Der Auferstandene“,

Fresko in der Kriegergedächtniskapelle in

Lienz, gemalt im Mai/Juni 1925. Dieses

Gemälde gab Anlass, den Sakralraum

unter Lokalinterdikt zu stellen.

Foto: Meinrad Pizzinini

Albin Egger-Lienz sagt der Stadt Lienz zu, die Ausschmückung der

Kriegergedächtniskapelle übernehmen zu wollen.

(Orig. und Rep. Museum Schloss Bruck)

Der Künstler Egger-Lienz am Gerüst in der Kriegergedächtnis-

kapelle, vor ihm der Maurer, der ihm behilflich war, im Hinter-

grund Teilansicht des Freskos „Totenopfer“.

(Aufnahme eines unbekannten Fotografen im Egger-Lienz-

Nachlass im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

stücke haben gar nichts mit der Sele eines

Volkes zu tun, weil sie doch nur der Sucht

nach dem Effekt, entsprungen sind.“

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Noch deutlicher in seiner Kritik wird

Egger-Lienz im Briefwechsel mit seinem

späteren Biographen Josef Soyka.

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In dem

über drei Jahre hinweg vorhandenen

Schriftverkehr ist das Verhältnis der beiden

zunächst höflich reserviert, in diese Phase

fällt auch eine Präsentation der Egger-

schen Kunstauffassung, die auch 1922,

also zehn Jahre nach dem Hodler-Streit,

noch nichts an Schärfe verloren hat.

„Sehr geehrter Herr Soyka!

Entschuldigen Sie daß ich so lange auf

Ihren geschzt. Brief vom 7.I. schwieg. Daß

Sie bei Placierung Ihres Aufsatzes in Wien

auf Schwierigkeiten stießen, glaube ich

Ihnen gerne. Ich habe keine sogenannten

Freunde welche für Publikationen sorgen.

Bei mir war u. bleibt immer, mein Werk der

alleinige Sprecher für mich. In hohen Zei-

ten, der beste Anwalt, heute macht es die

‚Mache‘. Im Grunde schafft man aber ja

doch nur für sich, um die ‚Not des Aus-

druckes‘ los zu werden. – Ohne Frage ist

eine vornehme Interpretion insbesondere

bei Arbeiten meines Schlages, sehr wich-

tig, in einer Zeit wo nur das ‚Perverse‘ als

lebendige Kunst angesehen wird; der Ge-

sunde sich verteidigen soll, wie ein das

‚Manco‘ Meine künstlerischen Probleme

schützen mich aber vor diesen Sorgen - -

auch mein Ruf.

So ist z. B. die Veräußerung des alten

Kunstbesitzes keine so wichtige Angele-

genheit. Was haben die Wiener z. B. von

Tintorettos

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Suzana und anderer Bilder im

kunsthistorischen Mus. gelernt? Man sehe

die ‚Naktkultur‘ eines Makarts

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oder

Klimts M. M. – jenes ‚Göttlichen‘ in Wahr-

heit ‚Kunstdekoratörs‘ u. alles was seit fast

100 Jahren dort gemacht wurde. Ein tota-

les ‚Manco‘.

Auch wo anderst war od. ist es nicht bes-

ser - - Gesunde sinnliche Menschen, er-

zeuge man – welche die Natur verschlin-

gen u. gestalten können. Den bildende