ZUKUNFTSPROJEKT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JUNI/JULI 2016
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den Recherchen auf dem Bur-
ger Hof der 1940er-Jahre nur
wenige Kinder: zwei Mädchen
und zwei Buben. „Eines der
Mädchen starb dann an Diph-
therie. Kindheit gab es – wie
auf vielen anderen Höfen zu
jener Zeit – kaum.“ Jede freie
Minute war von Arbeit geprägt.
„Vom Burger Hof ging man
jeden Tag zu Fuß nach Nieder-
dorf zur 5-Uhr-Messe, auch im
Winter bei viel Schnee“, erzählt
Magdalena Auer Oberhammer,
die den Schülern als Zeitzeugin
zur Verfügung stand. Ihre Mut-
ter, Anna Schuster, tat in ihrer
Jugend auf dem Burger Hof
Dienst. Frühstück gab es vor
der Messe nicht. Manchmal
knurrte der Magen der Kinder
derart heftig, dass der Pfarrer ir-
ritiert innehielt. Alle mussten
sich das Lachen verkneifen,
damit der Gottesdienst nicht ge-
stört wurde. Erst nachdem der
Pfarrer seinen Segen gegeben
hatte, durften die Kinder in das
Widum gehen, um zu früh-
stücken. Das Frühstück hatten
alle selbst dabei: ein Stück Brot
und Milch in einer Kanne. Vom
Widum aus ging es dann zur
Schule.
„Weißbrot war etwas
Besonderes“
„Und im Frühjahr, wenn hin-
ter dem Haus sehr viel Schnee
lag, mussten wir bei der Außen-
wand einen Kanal graben,
Schüler. An diesem Abend
blieb die Familie unter sich.
Niemand durfte sie stören. Ein
ungebetener Gast brachte Un-
glück im kommenden Jahr, des-
sen war sich der Bauer sicher.
„Zum Hof gehörten früher
noch zwei zusätzliche Wiesen,
die Unterwiese und die Ober-
wiese. Sie sind jetzt zugewach-
sen und zu Wald geworden“,
weiß Zeitzeuge Johann Durn-
damit das Wasser abfließen
konnte. Sonst wäre es irgend-
wie in das Haus hineingeron-
nen“, erzählte Ernst Oberhofer
den Schülern. Er ist Altbauer
des Messnerhofes in Welsberg
und wuchs auf dem Burger Hof
auf. Sein Vater David Oberhofer
kam aus demAhrntal und pach-
tete den Burger Hof. „Im Som-
mer, wenn die Arbeit auf dem
Feld sehr anstrengend war,
durften wir zur Marende etwas
Weißbrot essen. Das war etwas
Besonderes. Es gab auch so
eine alte Küche, in der hat man
auch Speck geselcht, der Über-
boden war ganz schwarz. Wenn
der Speck geselcht wurde, hieß
es immer: ‚Tut die Fenster auf,
tut die Fenster auf!’ Beim Ko-
chen wurde es nämlich warm
und der Speck durfte nicht zu
schwitzen beginnen.“
„Stand für alle offen“
„Das Haustor des Burger
Hofes stand für jeden offen –
außer am Heiligabend“, so die
walder, Altbürgermeister und
Mesner Bauer in St. Veit. Heute
gehören zum Burger Hof 8 ha
landwirtschaftliche Fläche und
37 ha Wald.
Vision
„Vielleicht werden Bauern-
höfe in Zukunft nicht nur für
Nahrungsmittel sorgen, sondern
auch zu einem Ort, an dem Kin-
der und Erwachsene wieder eine
Beziehung zu den tieferen Quel-
len des Anwesendwerdens auf-
bauen können“, meint Vordenker
Otto Scharmer im Buch. Dieses
große Ziel wollen die EOS
Gruppe, der Schulverband Pus-
tertal, das Pädagogische Bera-
tungszentrum Bruneck und die
Bezirksgemeinschaft Pustertal
als Projektträger erreichen. Zu-
erst muss die Landwirtschaft
aber saniert werden. So erfolgt
eine Neufassung der hofeigenen
Quelle, eine Neutrassierung der
Zufahrtsstraße, die Trockenle-
gung der Hofstelle, die Errich-
tung eines Bienenstands und
vieles mehr. Die Kosten dafür
werden knapp 1,5 Mio € (inkl.
MwSt.) betragen. Finanzielle
Unterstützung wurde vom Land
zugesichert.
Martina Holzer
ge Menschen
V. l.: Josef Watschinger (Schulverbund Pustertal), Schüler der Mittelschule Welsberg und Toblach, Karin
Sparber (Lehrerin), Barbara Pizzinini (Geschäftsführerin Sozialgenossenschaft EOS) und Josef
Kühebacher (Koordinator Schulverbund Pustertal).
Fotos: Sozialgenossenschaft EOS
Bei der Überreichung des Buches: V. l.: Berta Schweitzer (ehe-
malige Hofbesitzerin), Bgm. Friedrich Mittermair (Prags) und
Landesrat Philipp Achammer.
Barbara Pizzinini, Geschäfts-
führer der Sozialgenossenschaft
EOS