Tödliche Gefahren am Felbertauern
Saumpfade waren besonders im Früh-
jahr und Herbst lebensgefährlich. Über-
geher stiegen oft bei Schönwetter auf und
nicht selten überraschte sie Schlechtwetter.
Davon zeugen Sterbeeintragungen in den
Pfarrmatrikeln Matrei. Zwischen 1558 und
1900 starben fast 100 Personen am Fel-
bertauern; das ist die Zahl jener Menschen,
die in Matrei beerdigt worden waren, nicht
eingerechnet jene Opfer, die auf der Salz-
burger Seite zu Tode kamen. Besonders
Wagemutige versuchten einen Übergang
im Winter, bei Schnee und Eis. Dabei
waren Unglücke vorprogrammiert.
Ein großes Unglück gab es im Mai 1878,
von dem ein gewisser „Franz“ aus Matrei –
ein Überlebender – seine Version in der
Chronik des Tauernhauses Spital nieder-
schrieb.
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Der Viehhändler Hochfilzer aus
dem Pinzgau hatte im Iseltal Vieh einge-
kauft, und wollte dieses mit seinen Trei-
bern über den Tauern bringen. Schlecht-
wetter war im Anzug, doch Hochfilzer
schlug die Empfehlung aus, im Matreier
Tauernhaus einen Rasttag einzulegen. Er
ließ seinen Tross lediglich dort übernach-
ten und am frühen Morgen weitertreiben.
Nach etwa einer Stunde zeigten erste Tiere
Zeichen von Müdigkeit, einige lahmten –
die erste Rast wurde gehalten. Eine leichte
Wolkenbank schob sich zwischen Tauern-
kogel und Dichtenkopf – die zweite Rast
erfolgte beim Göttlichen Stein. Der Him-
mel verdunkelte sich, gegen Abend war er
schwarz, ein eisiger Tauernwind blies und
Schneefahnen stiegen auf. Den folgenden
Schneesturm überlebten nur der Vieh-
händler, zwei Viehtreiber und Franz. Vin-
zenz Riepler aus Matrei, Michael Rucker
und Josef Wimmer aus Virgen sowie der
Prägratner Sebastian Kratzer ließen ihr
Leben am Tauern. Bei der Bergung der
Toten wirkte unter anderen der Wirt des
Matreier Tauernhauses, Alois Riepler, mit.
Am Wetterkreuz beim „Göttlich Stoan“
wurde damals eine Tafel mit folgender
Inschrift angebracht: „
Ach, Wanderer
stehe still und betrachte die Dornen deiner
Sünden – jetzt ist noch Zeit: Denn dieser
Tauern eröffnet gar manchem das Tor in
die Ewigkeit.“
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OSTTIROLER
NUMMER 8-9/2015
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HEIMATBLÄTTER
Arbeiter beim Bau der sogenannten Mehlstraße in den 1930er-Jahren.
Foto: Foto Lottersberger
(Fotoarchiv der Gemeinde Matrei i. O.)
Schafherde auf der sogenannten Mehlstraße, um 1936.
Foto: Foto Lottersberger (Fotoarchiv der Gemeinde Matrei i. O.)
Mord am Felbertauern
Nicht nur Wetterkapriolen machten den
Saumweg gefährlich, auch Mörder lauerten
am Wegesrand. Im August 1745 entdeckte
der Tauernwirt Stephan Perger zwei Tote in
der Nähe der so genannten „
Saugrube
“. Es
handelte sich um Josef Kröll und Gregor
Leonhardter, zwei Viehhändler aus dem
Defereggental. Beide Opfer waren ausge-
raubt worden. Von der Obduktion am Auf-
findungsort durch den Bader wird berichtet:
Der Bader wollte die Toten „
gleich zertei-
len wie ein Metzger ein Kalb
...“. Am Ober-
körper des Kröll waren drei Einschuss-
löcher, wobei eines ganz „
eggert
“ war, und
in der Wunde stak ein abgezwickter Huf-
nagel. Leonhardter wurde vermutlich mit
einer Büchse erschlagen. Tage später wurde
in der Nähe des Tatortes eine Büchse ge-
funden, die aber nicht bei Gericht abgege-
ben wurde, wie es Vorschrift gewesen wäre,
sondern im „Tirolischen“ um einen Vierling
Getreide den Besitzer wechselte. Gefunden
wurde der Mörder nie.
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Osttirols Blick in den Norden
Der Wunsch, Osttirol mit dem Norden zu
verbinden, war nicht leicht zu erfüllen; eine
Ende des 19. Jahrhunderts ins Auge gefasste
Bahnverbindung zwischen Lienz und Kitz-
bühel kam nicht zustande, jedoch wurde die
Anbindung an die „weite Welt“ in kleinen
Etappen verwirklicht: 1901 wurde zwischen
Lienz, Huben und Matrei die Iseltalstraße
gebaut. Die Baukosten, um 1890 mit 99.000
Gulden präliminiert, finanzierten zu je 40 %
das Kaiserreich Österreich-Ungarn und das
Kronland Tirol, die angrenzenden Gemein-
den den Rest.
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Zehn Jahre später initiierte
der Besitzer des Schlosses Weißenstein,
Karl von Thieme, den Bau eines befahrba-
ren Weges durch die
Prosseggklamm
, der als
Vorläufer der Felbertauernstraße gilt.
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1932 wurde der Saumpfad von Matrei zum
Tauernhaus ausgebaut. Dieser Abschnitt
wurde „Mehlstraße“ genannt, da den Ar-
beitern Mehl als Lohn ausbezahlt worden
war, was die Not der Menschen in diesem
schwierigen Jahrzehnt widerspiegelt.
Die Felbertauernstraße
Schon 1924 war die Felbertauernstraße
Thema im Tiroler Landtag. Dieser Plan
stand jedoch in Konkurrenz mit jenem der
Der Weg ins Tauerntal vor dem Bau der Felbertauernstraße.
Foto: Foto Lottersberger (Fotoarchiv der Gemeinde Matrei i. O.)