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ZEITZEUGIN
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PUSTERTALER VOLLTREFFER
APRIL/MAI 2015
Schon den ganzen Schul-
winter 1944 bis 1945 gab es
immer wieder Fliegeralarm.
Doch am 27. Feber 1945 fielen
die ersten Bomben auf den
Bahnhof von Sillian, ganz in
der Nähe der Asthöfe der Fa-
milien Leiter und Kraler. Die
Uhr zeigte 8.30 Uhr an. „Ein
unheimliches Dröhnen war auf
einmal zu hören. ‚Tiefflieger,
Tiefflieger!‘ schrie unsere Mut-
ter im Hausgang. ‚Schnell,
schnell, alle in die Stiege!‘. Mit
Stiege meinte sie eine ge-
wölbte Rundstiege im Haus, in
der man zumindest vor dem
Luftdruck noch am sichersten
war. Alle Hausleute und die
Kinder liefen zusammen und
schon krachte es draußen. Die
ersten Fenster klirrten und die
in der Eile offen gelassenen
Türen wurden durch den Luft-
druck zerschlagen. Zitternd und
betend standen wir alle in der
Stiege versammelt“, erzählt
Maria, damals im neunten Le-
bensjahr. Nur der schwerkranke
Vater (er litt an einer Lungen-
entzündung) lag oben im Zim-
mer. „Er zog das Bett über den
Kopf, denn die zerrissenen
Fensterscheiben flogen bis auf
sein Bett.“ Bei jeder Explosion
bebte und zitterte das ganze
Maria Duracher erlebte
den Zweiten Weltkrieg
mit. Besonders das
Schicksal der jungen
russischen Zwangs-
arbeiterin Maria, die auf
dem Hof der Eltern
arbeitete, ging ihr
sehr nahe.
Maria (Matrona) Zelluiko (r.) mit ihrer Cousine Dania. Maria wurde von der russischen Besatzung
erschossen. Dania wanderte mit einem Polen nach Amerika aus und blieb am Leben.
Fotos: Duracher/Leiter
Maria Duracher (78), geborene Leiter, aus Sillian sind die vielen Bombenan-
griffe auf Sillian während des Zweiten Weltkrieges noch gut in Erinnerung,
aber auch das große Leid der Zwangsarbeiter. Besonders das Schicksal
von Maria Zelluiko aus Russland, die auf dem Asthof ihrer Familie arbeitete,
berührte sie sehr.
Das Schicksal der jungen
Zwangsarbeiterin Maria
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