VP 2015 04 - page 10

INTERVIEW
PUSTERTALER VOLLTREFFER
APRIL/MAI 2015
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Herr Hensinger, warum sind
Sie besorgt, wenn Kinder mit
dem Tablet spielen?
Hensinger:
„Viele Eltern
meinen, dass Kinder möglichst
früh mit Smartphones und
Tablets umzugehen lernen sol-
len. Es wird behauptet, sie zu
beherrschen sei eine Schlüssel-
qualifikation – vor allem für
das spätere Leben. Dabei wird
übersehen, dass der Umgang
mit diesen Medien Schlüssel-
qualifikationen voraussetzt, um
damit richtig umgehen zu kön-
nen. In dem Buch ‚Medien-
mündig‘ von Dr. Paula Bleck-
mann, das ich allen Eltern
wärmstens empfehle, wird be-
tont, dass für die Reifung und
das Wachstum des Gehirns
sowie das Selbstbewusstsein
viele Sinneserfahrungen nötig
sind: Sehen, Schwerkraft, Tas-
ten, Hören, Schmecken, Eigen-
bewegungssinn, Riechen und
Drehsinn. Aber: Computer,
Gameboy, Tablet und Smart-
phone sprechen nur Augen und
Ohren an.“
Sie sprechen in Ihren Ver-
öffentlichungen von der Digi-
talisierung des Natürlichen.
Was ist damit gemeint?
Hensinger:
„Erziehen wir zu
früh mit den Medien, werden
diese acht Sinne unzureichend
ausgebildet. So verlieren die
Kinder sogar wichtige Qualifi-
kationen wie die soziale Kom-
munikation. Wenn Kinder oder
Jugendliche nur noch über das
Smartphone kommunizieren,
bedeutet es, dass die natürliche
Kommunikation, wie mitein-
ander sprechen, miteinander
spielen, streiten oder Gefühle
austauschen, zu kurz kommt.“
Werden wir letztlich nur
noch elektronisch kommuni-
zieren?
Hensinger:
„Ja. Das zeigt
auch die Statistik. Die soziale
Interaktion von Kindern fiel
von 1987 bis 2007 von sechs
Stunden auf zwei Stunden täg-
lich. Die Nutzungszeit elektro-
nischer Medien wiederum stieg
von vier auf acht Stunden an,
und sie wächst durch die
Smartphones weiter an. Diese
veränderte Kommunikation ist
gravierend für das soziale Zu-
sammenleben. Die Datenflut,
das Multitasking, dem die Kin-
Vor 20 Jahren packten Eltern noch ein Köfferchen mit Kartenspielen und
Malsachen, wenn sie mit den Kindern etwa ins Restaurant gingen.
Heutzutage wird einfach das Smartphone in die Tasche gesteckt. „Doch die
Risiken, die von digitalen Medien ausgehen, werden heruntergespielt“,
warnt Peter Hensinger, Pädagoge, Vorstandsmitglied und Leiter des
Bereichs Wissenschaft bei der Verbraucherorganisation „Diagnose-Funk“.
Hensinger im „PVT“-Interview.
Für die Reifung des Gehir
Peter Hensinger warnt eindringlich vor der exzessiven Nutzung der digitalen Medien.
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