VP 2015 02 - page 4

CHRONIK
4
PUSTERTALER VOLLTREFFER
FEBER/MÄRZ 2015
Paula Abart, die vergangenen
November verstarb, konnte sich
auch an ihrem 100. Geburtstag
noch gut an die Zeit erinnern,
als sie mit ihrem Mann 1940
aus Südtirol fortmusste. Bis
zum 31. Dezember 1939 hatten
nämlich alle in Südtirol Gebo-
renen aufgrund des Hitler-Mus-
solini-Paktes zu entscheiden,
ob sie Italiener bleiben und in
Provinzen südlich des Po um-
siedeln wollen oder deutsche
Reichsangehörige werden und
ins Deutsche Reich abwandern.
„Eine völlig andere
Welt“
„Mein Mann optierte für das
Deutsche Reich. Letztendlich
kamen wir aber nach Lienz, das
wir damals gar nicht kannten.
In dem Zug, in dem wir saßen,
hieß es dann aussteigen. Es war
sehr schwer, von Meran, mei-
ner Heimat, Abschied zu neh-
men.“ Über Jahrhunderte war
Meran zudem die Tiroler Lan-
deshauptstadt.
„In Lienz war dann alles ganz
anders. Es war eine völlig an-
dere Welt. Ich fühlte mich, als
käme ich nach Sibirien.“ In
Lienz ging sie im Matsch, in
Meran gab es bereits asphal-
tierte Straßen. „Da bestand ein
krasser Unterschied. Aber man
musste es nehmen, wie es
kam.“ Beiden wurde eine Woh-
nung in der Andreas-Hofer-
Straße zugeteilt, in der Paula
Abart bis zu ihrem Tod lebte.
1.000 Südtiroler
Neben Abart und ihrem
Mann wurden noch weitere
1.000 Südtiroler nach Osttirol
umgesiedelt – vorwiegend Fa-
milien. „Damals transportierte
man aber vor allem Menschen
aus dem Grödental hierher“, in-
formiert Norbert Angermann,
Obmann des „Bundes der Süd-
tiroler in Osttirol“.
Von den damals 247.000 op-
tionsberechtigten Personen er-
klärten sich 213.000 für das
Verlassen der angestammten
Heimat. Zwischen 1940 und
1943 verhinderte die Entwick-
lung des Krieges allerdings eine
weitere Durchführung der Aus-
wanderung. Somit betrug die
Zahl der tatsächlich ausgewan-
derten Personen rund 75.000.
Als „Gesindel“ beleidigt
Der Großteil kam in die
„Ostmark“ (Österreich), der
Rest nach Bayern, Böhmen und
Mähren, in das Gebiet um
Marburg an der Drau und nach
Luxemburg.
Auch der Vater von Anger-
mann, Richard Angermann
(verst. 1985) aus Bozen, wan-
derte aus. „Er kam mit dem
Zug zuerst nach Innsbruck
transportiert. Dort wurde er
sehr schlecht behandelt – als
‚Katzelmacher‘ und ‚Gesindel‘
beschimpft. Das war keine
feine Zeit für ihn“, so der Sohn.
Die Südtiroler, die nach Osttirol
transportiert wurden, brachte
Den „Bund der Süd-
tiroler in Osttirol“ gibt
es seit 68 Jahren. Der
Verein leistete wertvolle
Unterstützungsarbeit
für jene 1.000 Süd-
tiroler, die aufgrund
des Hitler-Mussolini-
Paktes nach Osttirol
umgesiedelt wurden.
Mittlerweile sind auch
etliche „Junge“ beim
Verein, die zwar in
Österreich geboren
wurden, aber Wurzeln
in Südtirol haben.
Felix Longo, das älteste noch le-
bende Vereinsmitglied, das einst
seine Heimat verlassen musste.
Paula Abart († 2014) trauerte
ihrem Meran Jahrzehnte lang
nach. Auf dem Bild rechts
konnte sie ihr Südtirol noch ge-
nießen.
Vereinsvorstandsmitglieder des Bundes der Südtiroler in Osttirol: Obmann-Stellvertreterin Claudia
Striemitzer, Obmann Norbert Angermann (Mitte) und die Brüder David (Kassier) und Florian
Wieser (Schriftführer).
„Wir werden Südtirol ni
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,...48
Powered by FlippingBook