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Die Sonnseiten
Nummer 59 - Mai 2018
Nachrufe
„Im Leben für viele Menschen da, beim Abschied viele für sie“
Reges Treiben, große Maschi-
nen, schaufelnde Hände froh-
gemuter Feuerwehrmänner
- ein ungewohnter Anblick in
winterlicher Landschaft rund
um Kirche und Friedhof, das
alles bescherte uns zu Anna
Amrasers Abschied der kräf-
tigste Schneefall im Winter
2018. Gut 30 cm Schnee wa-
ren am 4. Jänner gefallen und
viele Menschen konnten sich
ein heimliches Lächeln der
Nanne im Sinne von „jo jo,
tuats lei für mi a amol eppes
auf‘n letzt‘n Odruck“ ganz
gut vorstellen, galt es doch,
Friedhof, Kirchplatzl und
Parkplätze für das Begräbnis
am „Kinigenobnd“ schneefrei
zu machen.
Lesen wir zunächst aus
Nannes Leben nach ihrer
eigenen Erzählung, aufge-
schrieben von Schwieger-
sohn Bernhard Oberschnei-
der am 1.1.2007, ergänzt am
1.1.2018.
(Wir bringen die
ungekürzte Fassung, als Zeit-
zeugnis, da uns darin interes-
sante Einblicke in die dama-
lige bäuerliche Arbeitswelt
gewährt werden!)
„Anna Amraser wurde am 07.
März 1934 als fünftes Kind
des Anton Webhofer und sei-
ner Frau Notburga geb. Egger
beim vlg. „Obermesner“ in
Gaimberg geboren. Gemein-
sam mit ihren neun Geschwi-
stern erlebte sie eine sorg-
lose Kindheit, aber auch die
entbehrungsreiche Zeit des
Zweiten Weltkriegs. In die-
ser Zeit erwarb der „Mesner-
Vater“ das in unmittelbarer
Nachbarschaft
befindliche
„Untermesner-Anwesen“ und
die Familie übersiedelte dort-
hin. Nach dem Besuch der
Pflichtschule arbeitete sie am
elterlichen Hof mit der dazu-
gehörigen Schneiderei und
war dort insgesamt 10 Jahre
tätig. Zwischenzeitlich arbei-
tete die „Mesner Nanne“, wie
sie allgemein genannt wurde,
am Hof ihrer ältesten Schwe-
ster Moidele in Patriasdorf,
hauptsächlich als Kindermäd-
chen, aber auch in allen ande-
ren Bereichen, die ein großer
Hof mit sich bringt. Nach
dreijähriger Tätigkeit beim
„Oberbrunner“,
übernahm
sie stellvertretend für ihren
Bruder „Tondl“ von 1954 bis
1958 den Mesnerdienst in der
Pfarrkirche Grafendorf. Die-
se Zeit war, wie sie immer
sagte, eine der schönsten in
ihrem Leben. Dieses Amt er-
füllte sie mit Stolz und Freu-
de, obwohl sie außerhalb der
liturgischen Zeiten in der el-
terlichen Schneiderei arbeiten
musste. Die Kirchenwäsche
wurde in der Nacht gewa-
schen, geflickt und gestärkt.
Alle nicht im Zusammenhang
der gewerblichen Schneiderei
stehenden Aufträge konnten
bzw. durften erst nach „Fei-
erabend“ - damals um 22:00
Uhr - erledigt werden. Nanne
absolvierte des Weiteren noch
im ehemaligen Gasthof „Tan-
zer“ in Tristach eine Ausbil-
dung zur Köchin. Trotz der
vielen Arbeit blieb der Nan-
ne sonntags noch etwas Zeit
übrig, die sie der KAJ (Ka-
tholischen-Arbeiter-Jugend)
als Gruppenführerin oder der
Landjugend zur Verfügung
stellte.
Eine erfreuliche und lebens-
entscheidende Veränderung
erfuhr die Nanne, als im Jahr
1957 der aus Kals gebürtige
Alois Amraser als sogenann-
ter „Kostgeher“ zur Mesner-
familie Webhofer nach Gaim-
berg gekommen war. Aus
anfänglicher spontaner Sym-
pathie wurde Freundschaft
und kurze Zeit später innige
Liebe. Diese Liebe muss-
te aber vielfache Prüfungen
bestehen, da - wie in dieser
Zeit noch oftmals üblich - das
elterliche Haus mitzubestim-
men hatte, wen die Kinder
heiraten durften und wen
nicht. Auch die Nanne sollte
eine Bäuerin werden, was sie
aber nicht akzeptierte und im
Jahr 1961 im Rahmen der
Brautleutetage im Bildungs-
haus St. Michael in Matrei
am Brenner, ihren geliebten
Lois heiratete.
Diese eheliche Gemein-
schaft wurde mit den drei
Kindern Norbert, Rosemarie
und Anneliese gesegnet. Die
Familie wohnte anfangs im
„Endermesner-Haus“
und
dann in weiterer Folge im neu
errichteten Eigenheim in der
Dorfstraße. Da die Errichtung
eines eigenen Hauses nicht
nur heute, sondern auch da-
mals mit großen finanziellen
Aufwendungen verbunden
war, besserte die Nanne mit
der Reinigung des Schul-
gebäudes und mit allerhand
Schneidereitätigkeiten
das
Familieneinkommen ein we-
nig auf. Sie war in der ganzen
Gemeinde eine gern besuchte
Schneiderin, nähte, änderte
und flickte für Handwerker,
Bauern, Musikanten, Schüt-
zen bis hin zur Kirchenwä-
sche - die verschiedensten
Gewänder, Trachten und Uni-
formen. Diese Arbeit brachte
ihr große Freude und Erfül-
lung.
Eine wohltuende Abwechs-
lung im Arbeitsalltag, erfuhr
die Nanne besonders in ihrem
Garten. Sie zog das eigene
Gemüse, pflanzte, pikierte
und pflegte die verschie-
densten Blumen, sich selbst
zur Freude, für Nachbarn,
Freunde und Bekannte und
besonders gern für den Hoch-
altar ihrer über alles geliebten
Heimatkirche in Grafendorf.
Diese innige Beziehung zur
Kirche und zum Glauben,
brachte die Nanne auch als
jahrzehntelanges
Mitglied
des Kirchenchores zum Aus-
druck.
Wie es in einem Menschen-
leben mit seinen Höhen und
Tiefen so geht, blieb auch die
Nanne von Schicksalsschlä-
gen nicht verschont. Ihr ge-
liebter Lois verstarb plötzlich
und für alle unerwartet 1981
im Alter von erst 48 Jahren.
Für die ganze Familie brach
eine Welt zusammen. Nanne
erholte sich Zeit ihres Lebens
nicht von diesem traurigen
Ereignis und vermisste ihren
Lois bis an das Lebensende.
Die Zeit bleibt aber nicht ste-
hen, das Leben geht weiter
und so wurden die Kinder
erwachsen, gründeten eige-
ne Familien und sechs En-
kelkinder wurden geboren.
Die Amraser Nanne freute
sich sehr an ihnen und konn-
te einen Besuch der Kinder
und Enkelkinder gar nicht
erwarten. Es war immer
Viel Freude hatte die „Mesner Nanne“ am Hochaltar der
Heimatkirche.
Foto: privat