FODN - 66/02/2017
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BUNT GEMISCHT
Zusage gegeben! Das Geschäft, das ich
in Prag für meine Mutter führte, warf
zwar schon ordentliche Gewinne ab;
aber, wenngleich meine Schwester Klot-
hilde bereits verheiratet war, so waren
meine Brüder Franz und Karl noch
unversorgt. Trotzdem konnte ich meine
Mutter dazu bewegen, in den Bau der
Hütte und den Ausbau des direkten Gip-
felanstieges zu investieren und es war
eine Freude zu sehen, mit welchem Ei-
fer die Kalser zu Werke gingen. Schon
im nächsten Sommer, 1868 konnte die
Hütte als Basis für den Bau des „Neuen
Kalser Weges“, wie er damals hieß, be-
nützt werden.
Staunenswert, welche Lasten die
Führer da hinauf schleppten und wie
sorgfältig sie den Weg anlegten! Egyd
Pegger lieh nicht nur sein Werkzeug, er
zeichnete auch den Plan für die Hütte,
überwachte die Arbeiten und erstatte-
te mir getreulich Bericht darüber. Ich
kümmerte mich darum, dass das Hütt-
chen innen auch gut ausgestattet wurde.
Ein Hüttchen, ja, das war sie, die erste
„Glocknerhütte“, wie ich sie nannte. 20
Fuß lang, 12 Fuß breit und 6 ½ bis 8
Fuß hoch. (1 Fuß, das wären etwa 30
cm.) Für 12 Personen war sie ausgelegt,
als sie am 15. September 1868 offiziell
eröffnet und von Pfarrer Andreas Ler-
cher geweiht wurde. Schon bei der Er-
öffnung des Neuen Kalser Weges am 5.
August wäre sie fast zu klein gewesen
für die vielen Teilnehmer.
Und Kinderkrankheiten gab es leider
auch. Das Dach, aus 2 Lagen Steinplat-
ten gedeckt, war nicht dicht. Vor allem,
wenn es stürmte, trieb der Wind Schnee
und Regen durch die Ritzen. und der
Ofen qualmte erbärmlich! Aber immer-
hin, schon vor der Eröffnung waren im
Gästebuch 20 Besucher vermerkt und
bis zum Winter kamen noch einmal so
viele. 1872 zählten wir schon 100 Gäste
und kurz nach dem Ende des 1. Welt-
krieges, 1922 waren es über tausend!
Genau 1202.
Über solche Zahlen kann man heu-
te auf der Hütte wohl nur lachen! Wie
bewundere ich diese prächtige neue
„Nachfolgerin“. Es freut mich, dass man
sie trotz allem Komfort, der heute wohl
unerlässlich ist, als Basis für Hochtou-
risten mit sauberen Lagern und ordent-
lichen Sanitär- und Aufenthaltsräumen,
aber ohne den Luxus eines Berghotels
konzipiert hat, dass man auf die Bedürf-
nisse der Umwelt so großen Wert legt
und auf sparsames Wirtschaften. Und:
ja, ich freue mich auch, dass sie noch
immer Stüdlhütte heißt und dass viele
meiner Nachkommen sie besucht ha-
ben bzw. sie besuchen, wie zum Beispiel
letztes Jahr meine 2 Ur-Ur-Ur-Enkel
mit ihrem Vater und der Großmutter
Noch mehr Genugtuung bereitet es
mir, dass „meine“ Kalser Bergführer
immer noch einen hohen Stellenwert ha-
ben. Da hatte der Josef Schnell, zu mei-
ner Zeit einer der besten, wenn nicht der
beste Führer weit und breit, doch nicht
recht, als er meinte: „De Hearn wern
bold kane Füra mer brouchn“, denn
es gab auch damals schon waghalsige
Steiger, die die schwierigsten Touren
ohne Führer in Angriff nahmen.
Aber, wer nicht über besondere Klet-
terfertigkeit, beste Kondition und eine
solide Ausrüstung verfügt, der geht bes-
ser mit einem geprüften Führer und ist
damit auf der sicheren Seite. Leider gibt
es zunehmend auch die, die sich und an-
dere in Gefahr bringen, weil sie glauben,
ohne die genannten Voraussetzungen
einfach drauflos klettern zu können.
Wenn ich an Sonn- oder Feiertagen
bei schönem Wetter auf Kals hinunter-
schaue, traue ich meinen Augen kaum!
Das sind ja Karawanen, die da den
Großglockner erstürmen! Da denke ich,
dass ich vielleicht Glück gehabt habe,
schon 150 Jahre früher da gewesen zu
sein.
Nein, ein verschlafenes Dörfchen
ist Kals schon lange nicht mehr! Nicht
einmal im Winter. Schade, dass ich das
Schifahren nie probiert habe, obwohl
mein Sohn Max in Prag den „Ersten
Deutschen Schneesportverein“ gegrün-
det hat und er und seine Frau Gusti gute
Schifahrer waren … freilich noch ohne
Lifte oder Seilbahnanlagen.
Ja, liebe Kalser, Euer „Ehrenbürger“
hat Euch nicht vergessen. Gern sitze ich
immer wieder einmal auf Wolke 7 und
denke an mein Kals Da sehe ich meine
lieben Kalser in der Festtagstracht. Da
wird gesungen und gespielt und immer
wieder stelle ich fest und freue mich,
dass man mich in meiner zweiten Hei-
mat auch noch nicht vergessen hat.
Euer Johann Stüdl.
Dreharbeiten zu dem Film über die Erst-
begehung des Stüdlgrates durch Egyd
Pegger [Martin Gratz und Georg Oberlohr].
„Glocknerhütte auf der Vanitscharte 68 St.“
aus Stüdls Skizzenbuch von 1868/69.
(Ausschnitt)
Stüdls Sohn und Schwiegertochter, Max
und Gusti; beim Schneeschuhlaufen im
Riesengebirge 1917
Großmutter Gundi Hauser mit den Enkeln
Tara und Mattheo vor der Stüdlhütte am 20.
Juli 2016.